Diverse Winzer

Ollie
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Re: Diverse Winzer

Beitrag von Ollie »

Gestern gab's einen kleinen Shoot-Out am Saumagen Corral.

2022 Benderhof Saumagen Riesling Réserve
12.5 Vol%, 0.5 g/l RZ

2022 Müller-Ruprecht Saumagen N Riesling trocken
13.5 Vol%, N steht hier für das Gewann "Nill"

Beide Weine mit langem (Voll)Hefelager und unter Schraubverschluss. (Das wird wichtig werden.)

Nun. Ähm. Tja. Hmmmm. Wie schreibe ich das jetzt? Na, vielleicht so: Wer Riesling mag, kann hier aufhören zu lesen. Wer Riesling nicht mag, weil ihm die Sorte zu viel Aroma hat, sollte diese Weine in eine engere Wahl ziehen.

Benderhof:
In der Nase: nichts. Allein ein kleiner Stinker nach zu lange nass gewesenem Küchentuch (urgs) und einen leichten Feuerstein-Touch, mit viel Einbildung sowas wie überreife Honigmelone (die gelbe, Football-förmige mit dem blassgrünen Fruchtfleisch). Auf einem Weinfehlerseminar würde man den Wein als Demonstrator für einen Reduktionsfehler benutzen können (Methanthiol / Methylmercaptan). Am Gaumen präsente, aber durchaus reife Säure. Sonst: nichts. Und ich meine wirklich: nichts. Wäßrig geradezu. Im leicht austrocknenden Abgang ganz schwach der Eindruck (aromatisch wie texturell) eines zu lange gezogenen, kalt und schal gewordenen Schwarztees. Aber wirklich nur einen dahingehauchten Hauch, we don't want to get ahead of ourselves.

Müller-Ruprecht:
In der Nase anfangs ein strenger, fast moschushafter Stinker nach... nun ja: Kommt 'n Kater und markiert die Buchsbaumhecke. Ich war erst bei einer wüsten Variante von Müller-Thurgau (dieser eine frängische?) und dann bei Sauvignon Blanc. Letzterer Rebsorteneindruck verstärkt sich mit der Zeit, denn ganz deutlich kommt die unreife Stachelbeere und das Cassis-Blatt heraus. Auch am Gaumen ist der Wein sauvignonesk, viel frische Säure, die den Speichelfluss provoziert und durchaus gefällt, aber es gibt nichts, das sie strukturieren könnte: keine Frucht und keinen Körper - dann spielt sie halt mit den Phenolen, die sich Mühe geben, den Speichel wieder einzufangen. So tollen die beiden in den mäßig langen Sonnenuntergang wie zwei Jungwiesel, die noch nichts wissen von den Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs. Nill nisi malum.

Beide Weine sind so reduktiv, daß man sie bei offenem Fenster und mit Kanarienvogel verkosten muss, sonst verliert man das Bewusstsein. Die Frage ist nur: Warum sollte man sich dieser Gefahr aussetzen? Hier scheint sich der perfekte Sturm zusammengebraut zu haben: Eine wenig expressive Lage, der unbedingte Wille zur Unfrucht, langes Vollhefelager (am Ende sogar im Edelstahl?), und dann noch unter Schraubverschluss gefüllt, damit der Wein sich ja nicht mehr fängt - "No, Mister Bond, I expect you to die."

Joa, da war dann erst mal sprachloses Schweigen am Tisch.

In meiner Not habe ich sogar geschaut, ob Wurzeltag ist. War aber nicht. Die einzig plausible Erklärung, die meinen Tarotkarten dann noch einfiel: Königin der Stäbe, also: Verschluss. Die 2022er Saumagen-Rieslinge sind gerade in einem tiefen Winterschlaf.

Pinard de Picard, von denen ich den Müller-Ruprecht habe, schreibt zu dem Wein übrigens:
Pinard de Picard hat geschrieben:Horn eher fruchtig, Nill herrlich mineralisch. Gemeinsam ist beiden wunderbaren Bio-Weinen, dass Ihnen Philipp Wöhrwag einen zweiten Winter auf der Vollhefe gegönnt hat, inklusive einem Minianteil von etwa einem Prozent an Ganztrauben inklusive Stängel im Fass. Das sorgt für eine kleine Extraportion Phenole, die den Weinen wiederum eine herrliche Griffigkeit verleihen. „Wir haben gemerkt, dass unsere Grand Crus einfach etwas Zeit brauchen“, sagt er. Wie Recht er hat! Denn in der Tat hat sich die Geduld ausgezahlt. Der Saumagen „N“ duftet wunderbar pikant nach Limettenabrieb, Steinobst, Pfirsich und Aprikose sind präsent, vor allem zeigt sich eine beeindruckende Mineralität. Der Kalk kommt durch, dazu feiner Rauch, das ist wirklich delikat und komplex. Am Gaumen dann eine lebendige Säure, richtig knackig, dabei reif und satt. Schnell kommt ganz viel Zitrusfrucht dazu, Limette, Grapefruit, dazu reifer Pfirsich, danach schiebt erneut diese herrliche Mineralität an, eine feine Phenolik ergänzt die sehr gelungene Kombination. Das ist ein komplexer, sehr dicht-mineralischer Riesling, der sich exzellent bei Tisch eignet und auch gut reifen wird
Ääääääh.... nein.

Wenn also trockenen Saumagen, dann halt doch Koehler-Ruprecht, Kuhn oder Rings. Eh.

45 Euro später hat dann ein 2022er Chablis den Abend gerettet. So macht man Unfrucht.

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

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amateur des vins
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Re: Diverse Winzer

Beitrag von amateur des vins »

Ich liiiebe es, wenn Du so drauf bist! :lol:
Ollie hat geschrieben: Sa 23. Nov 2024, 14:00 Nun. Ähm. Tja. Hmmmm. Wie schreibe ich das jetzt? Na, vielleicht so: Wer Riesling mag, kann hier aufhören zu lesen. Wer Riesling nicht mag, weil ihm die Sorte zu viel Aroma hat, sollte diese Weine in eine engere Wahl ziehen.
Mme fühlt sich massiv an Bilbo Baggins' Rede zu seinem hundertelfzigsten Geburtstag erinnert:
Bilbo Baggins' hat geschrieben: I don't know half of you half as well as I should like; and I like less than half of you half as well as you deserve.

Ollie hat geschrieben: Sa 23. Nov 2024, 14:00 Beide Weine sind so reduktiv, daß man sie bei offenem Fenster und mit Kanarienvogel verkosten muss
Mme fragt, ob sich das denn lohne? Da sei doch noch weniger dran, als an einer Wachtel?!

Ollie hat geschrieben: Sa 23. Nov 2024, 14:00 45 Euro später hat dann ein 2022er Chablis den Abend gerettet. So macht man Unfrucht.
Déja vu.
Besten Gruß, Karsten
icedtea
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Re: Diverse Winzer

Beitrag von icedtea »

Nach einer leckeren Geburtstagsgänsekeule gönne ich mir zu Hause ein Präsent einem Mitforisten bei den Alpinfans:

2020er Nussdorfer Herrenberg St. Laurent "E" vom Weingut Eduard Duthweiler in Landau-Nussdorf in der Südpfalz. Wuchtige Südpfälzer 15 Vol% stehen hier dann auch an.

Tiefdunkel mit violetten Reflexen steht der Wein im großen Burgunderglas😉

Im Duft eine Mischung aus "Quetsche-Latwersch" und Cassis mit einem Hauch weihnachtlicher Gewürze. Mit Luft wird es etwas würziger, ohne die Frucht zu verlieren.

Am Gaumen ganz ähnlich und nicht ganz so konzentriert wie man hätte erwarten können. Eine trinkanimierende Säure hält die Fülle und den Alkohol im Zaum. Tannin ist spürbar, aber nicht zu adstringierend. Mit der Zeit kommen auch leicht florale Noten (dunkle Blüten) hinzu, aber nicht parfümiert.

Das wäre sicher auch gut zur Gans mit Rotkraut und der würzigen Soße gegangen.

Auch wenn 15 Vol% bei mir sonst nicht auf dem Zettel stehen, ist das ein recht angenehmes Weinerlebnis🍷
20241206_203439.jpg
Save water, drink Riesling

Grüße
Sascha
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EThC
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Re: Diverse Winzer

Beitrag von EThC »

...vom Klima in die Pfalz verweht:

Bild
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Lars Dragl
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Re: Diverse Winzer

Beitrag von Lars Dragl »

Hallo!

Frank John Riesling Buntsandstein 2021

Helles Goldgelb. Ganz ruhige Nase (braucht aber Luft um am Gaumen alles zu zeigen, denn da ist der Abgang zunächst etwas vom Gerbstoff geprägt). Am dritten Tag nach den Schalen (und etwas auch nach dem Fruchtfleisch) diverser Zitrusfrüchte riechend, die schon etwas herumliegen; im Hintergrund auch Mango und Passionsfrucht zu erahnen. Dazu deutliche und recht dunkle Kräuterwürze vom Buntsandstein und ein ganz zarte nussige Reduktionsnoten. Im Mund ebenfalls recht ruhig und entspannt. Den Schwung bringen nicht Frucht und Säure mit, sonder die Mineralität, salzige Noten und die zarten Rundungen eines leicht cremigen, aber durchaus lebendigen Körpers. Säure gibt es natürlich auch, aber die ist total weich und perfekt integriert. Ein hervorschmeckender Säurenerv, wie ihn Riesling gerne hat, ist für mich nicht gleich wahrnehmbar, zeigt sich aber mit Luft ganz verstohlen. Der Abgang hat immer noch einen gewissen kräutrigen Gerbstoff-Griff, aber heute ist dieser weicher und lässt der zart rundlichen Frucht genug Raum zum ausschwingen. Gefällt mir gut, könnte für mich aber noch etwas konzentrierter sein. Wird mittelfristig gut reifen.

Herzliche Grüße

Lars
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