Bernd Schulz hat geschrieben:
Sorry, aber vor lauter Abkürzungen blicke ich hier als im Alter vertrottelter
Weinfreund nicht mehr richtig durch.
...und direkt bei der EU g. U.s eintragen lassen...
Wie? Was?
Ich bitte einfach mal um noch nähere Aufklärung für Doofe wie mich!
Herzliche Grüße
Bernd
Icedtea hat bezüglich Lebensmitteln recht, was die Unterscheidung angeht, dies vorweg.
Grundsätzlich sind gU und ggA nichts anderes als EU-geschützte Markenzeichen, die über entsprechende Verträge auch internationalen Schutz bekommen. G.U. ist etwas enger gefasst als g.g.A. Das ist erstmal praktisch, dass eben niemand einen "Hessischen Handkäse" hessischen Handkäse nennen darf, wenn er nicht aus dem regionalen Kontext stammt und gewisse Produktionsbedingungen einhält. Am Ende dient das System dazu, kleinen Erzeugern ein mehr oder weniger gleiches Produkt gemeinsam unter einem Namen weltweit zu vermarkten. Eigentlich eine ziemlich coole Sache finde ich.
Die jeweiligen Bestimmungen zu Regionalität und Produktionsbedingungen können jederzeit für jedes registrierte Produkt/Wein online in einer europaweiten Datenbank ("eAmbrosia") nachgelesen werden:
https://ec.europa.eu/agriculture/eambro ... -register/
Beim Wein ist gU und ggA die Basis des europäischen Weinrechts.
g.U.= geschützte Ursprungsbezeichnung=Qualitätswein in D= AOP (früher AOC) in F
ggA.=geschützte geographische Angabe=Landwein in D=IGP (früher Vin de Pays) in F
Frankreich hat das System vollständig für sich auf Basis der auch früher ja ausgefuchsten AOC-Appellationsstrategie übernommen. Für jede der Appellationen findest Du in eAmbrosia eine mal mehr mal weniger detaillierte Beschreibung der für den Wein gültigen Rahmenbedingungen. Das kann von Pflanzdichte, Erziehungsform, Bewirtschaftung, Bio oder nicht, Rebsorte(n), Restzucker, Kellertechnik, Behälter usw. alles enthalten, oder nur einen Teil davon.
Deutschland hat bisher das ganze ja nicht wirklich so gepflegt. Die Herkunftsbezeichnung „Rheinhessen“ steht für jede Rebsorte in jeder Geschmacksrichtung unter beliebigen Ausbaubedingungen und Qualitätsstufen (Hauptsache, die Qualitätsweinprüfung hat nichts dagegen (da sie auch 2,49 EUR Weine locker durchlässt, hat diese aber noch nie etwas mit Qualität zu tun gehabt). Du kannst Rheinhessen mit jedem anderen Anbaugebiet, Bereich, Ort, Lage ersetzen. Nimm zum Beispiel den wohlklingenden Namen Westhofener Morstein, unter diesem Namen wird von Dunkelfelder halbtrocken ganz einfach bis hochwertigstem Riesling trocken alles Mögliche vermarktet.
Für die Ausgestaltung der GU bzw. ggA. (kurz Appellationen) ist jeweils eine Schutzgemeinschaft von Erzeugern zuständig, nicht der Staat. Da in D jetzt grundsätzlich das System auch eingeführt wurde, hat der Staat mal vorbereitend alle Qualitätsweinanbaugebiete als g.U. und alle Landweingebiete als ggA. angemeldet. Die Spezifikationen lauten aber für alle Gebiete so wie oben meine Definition von Rheinhessen, halt maximale Flexibilität auf Basis des deutschen Weinrechts. In den Gebieten wurden jetzt Schutzgemeinschaften gegründet, die das weiter ausgestalten sollen.
Die Krux ist, dass sich auch jederzeit weitere und auch Schutzgemeinschaften für kleinere Einheiten bilden können. Das ist ja auch überall anders so. In Bordeaux gibt es ja auch viele „Unterappellationen“ zum Beispiel.
So kann in Deutschland ein Weinbau außerhalb der aktuellen Weinbaugebiete auf Basis europäischen Rechts nicht mehr verboten werden und neue Gebiete/Appellationen im Prinzip jederzeit durch Schutzgemeinschaften neu gegründet werden. So ist es zum Beispiel zum neuen Landweinanbaugebiet „Großräschener See“ gekommen (weitere sind im Antragsverfahren). Beim Großräschener See ist es zudem spannend, dass das die erste Appellation in Deutschland ist, die sich bewusst nur auf 4 Rebsorten (alle Piwi) festgelegt hat.
So haben sich aber eben auch Schutzgemeinschaften für „Bürgstadter Berg“ (ein Teil des „Bürgstadter Centgrafenbergs“), „Würzburger Stein-Berg“ (ein Teil des „Würzburger Steins“) etc. gefunden, die sich hinsichtlich der Produktionsbestimmungen zwar der übergeordneten Appellation „Franken“ unterordnen müssen, aber natürlich darüber hinaus gehend engere Regeln beschließen könnten. In den VDP-Fällen ging es aber eigentlich weniger um die Einschränkung von Bedingungen, sondern um die Generierung weiterer „Lagennamen“, aufgrund des verbandsinternen Lagenverbrauchs.
Da macht man sich einen aus meiner Sicht winzigen Fehler in der deutschen Umsetzung des europäischen Rechts zu Nutze:
Die Lagenrolle, die bisher im Prinzip die deutsche Liste der Appellationen war, gilt parallel zur europäischen Liste der gU. D.h. wenn Du nun als Winzer in den in der g.U. Bürgstadter Berg festgelegten Parzellen Weinstöcke stehen hast, kannst Du Dir ab sofort überlegen, ob Du den Wein daraus als Centgrafenberg oder als Bürgstadter Berg vermarkten möchtest, was das Lagenthema etwas absurd macht.
Ich hoffe, ich konnte Dir das einigermaßen verständlich machen.