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Hallo zusammen,
letzten Freitag trafen sich wieder weinaffine Menschen, um aktuelle Tendenzen in der Weinbranche anhand von 15 flüssigen Beispielen nachzuvollziehen. Da neben Wissensvermittlung um den Wein vor allem auch der Trinkspass im Vordergrund stehen sollte, wurden einige durchaus merkliche Trends bewusst nicht thematisiert, so z. B. die Secco-Welle, halbtrockene Rotweine (Primitivo und Co.) oder die Hinwendung zu alkoholreduzierten bzw. alkoholfreien Weinen. Die Trends wurden in erster Linie vom deutschen Markt her betrachtet, wobei der eine oder andere Trend auch andere Länder betraf.
Doch jetzt zu den Weinen:
2016er PetNat "Urbursche" Riesling Brut (Deppisch, Theilheim) -Franken-
Natürlich perlender Wein, der nur mittels einer einzigen Gärung erzeugt wird, liegt nicht nur in Deutschland im Trend.
Der gärende Most wird mit ca. 20 -max. 25 gr. Restzucker in eine Sektflasche gefüllt und luftdicht mit einem Kronkorken verschlossen. Der Most gärt zu Ende und das sich bildende CO2 bleibt im Wein gelöst. Diese urtümlichste Methode der Schaumweinbereitung (methode ancestrale) wurde speziell in Frankreich verfeinert und hat mit dem Clairette de Die auch heute noch einen typischen Vertreter dieser Herstellungsmethode.
Das etwas unter dem Radar fliegende und Demeter-zertifizierte Familienweingut Deppisch (6 Hektar) hat hier einen blitzsauberen PetNat produziert: typische, naturtrübe Federweißen-Optik, absolut klar und sauber, immer noch absolut jugendlich mit zarter Perlage, die Rebsorte steht bei dieser Ausbauart nicht mehr im Vordergrund, kommt aber doch ein wenig zum Vorschein. Sehr typischer PetNat, der beweist, dass ein solcher Schäumer nicht unbedingt im Jahr nach der Ernte getrunken werden muss. Christian Deppisch ist im Hauptberuf bei der Bayerischen Landesanstalt in Veitshöchheim tätig und dort für den Bereich Biodynamik zuständig. Hier weiss einer, was er macht. Auch der Orangewein dieses Weinguts ist sehr empfehlenswert, zumal die Preise mehr als anständig sind (PetNat 14,60 EURO, der 2018er Orange Silvaner 17,90 EURO ab Weingut).
2014er Hohen-Sülzener Kirchenstück Pinot Brut Nature Reserve (Raumland)-Rheinhessen-
Deutscher, handwerklich erzeugter Premium-Sekt ist wieder stark im Kommen ! Nach Jahren der sprudelnden Tristesse gibt insbesondere der VDP und auch die Vereinigung traditioneller Sektmacher richtig Gas. Mit der Aufnahme des reinen Sekterzeugers und Sektpioniers Volker Raumland in den VDP sowie mit dem Streben nach längerer Hefelagerung wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Ruf des deutschen Sektes wieder auf Champagner-Niveau zu bringen. Das wird in der Breite noch einige Zeit dauern, jedoch kann der hier verkostete Pinot Brut mit seinen über 90 Monaten Hefelager bereits mit hochklassigen Champagnern konkurrieren: extrem feine Perlage, Brioche mit einem Hauch dunkler Frucht, cremig und fein, perfekte Balance und noch durchaus jugendlich. Der Preis für diesen 100%igen
PN-Sekt ist durchaus berechtigt und beträgt in etwa nur die Hälfte eines qualitativ vergleichbaren Champagners (39 EURO ab Weingut).
2021er "SoHo" Solaris Deutscher Wein (Deufel und Erletz, Lindau) -Bayerischer Bodensee-
Pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) liegen im Trend. Gerade im Bio-Weinbau ist die Tatsache, viel weniger Pflanzenschutzmittel, insbesondere das fast unvermeidbare Kupfer, einsetzen zu müssen, ein großer Vorteil.
Der Bioland-zertifizierte KLeinbetrieb (3 ha) von Theresa Deufel und ihrem Lebenspartner setzt fast komplett auf diese Piwis. Solaris ist eine der schon länger im Anbau befindlichen Rebsorten. Der Wein wurde im gebrauchten Barrique ausgebaut und danach unfiltriert und ohne Schwefelzusatz auf die Flasche gefüllt. Dezent florale Noten in der Nase, Holzeinfluss spürbar, am Gaumen kochentrocken, saftige Säure, eher schlanke, trinkige Stilistik, mir persönlich fehlt etwas die Säurestruktur, die den Wein etwas lebendiger machen würde, aber insgesamt ein gut vinifizierter Sortenvertreter mit mittlerer Länge.
2020er Hergolshäuser Mainleite Alter fränkischer Satz QW trocken (Gessner, Garstadt) -Franken-
Seit sich die Ösis den Wiener Gemischten Satz markenrechtlich haben schützen lassen, wird auch in Deutschland wieder vermehrt mit gemischten Rebanpflanzungen gearbeitet. Besonders in bestimmten Teilen Frankens, die nicht von der Flurbereinigung betroffen waren, findet man noch einige sehr alte Weinberge, die schon immer zur Risikominderung gemischt angepflanzt waren. Da diese Weine erst entdeckt werden müssen und nicht im Fokus stehen, sind diese Weine meist beschämend niedrig bepreist. Der obengenannte Wein stammt aus einem über 100 Jahre alten, wurzelechten Weinberg (nur 0,055 ha) mit enger Bestockung, in dem sich mehrere Rebsorten (ca. 70 % Elbling, alle 3 Silvanervarianten und noch einige andere Rebsorten) befinden. Der Wein wurde im 300-Liter-Fässchen vergoren und ausgebaut und bis zu seiner Abfüllung nicht bewegt. Sehr typischer Mischsatz, bei dem ein dezenter Fruchtteppich, aber keine einzelnen Früchte auszumachen sind. Extrem harmonisch, dezenter, gelungener Holzeinsatz, saftig, kräutrig, dezente Säure, gute Länge. Ein Vorzeige-Mischsatz mit vorbildlicher Qualität zum "Kampfpreis" (9,70 EURO ab Weingut). Dem Produzenten ist aber mittlerweile klar geworden, dass der Wein deutlich unter Wert vermarktet wird. Der derzeit angebotene 2022er kostet jetzt 14,50 EURO, was immer noch viel Wein für das Geld bedeutet.
2017er Chardonnay Marlborough (Dog Point Vineyard) -Neuseeland-
Reduktion oder Edelböckser, wie der Franke sagt, sind hier das Thema. Reduktion bedeutet im Gegensatz zur Oxidation eine weitestgehend sauerstoffbefreiten Weinausbaustil, der vor allem durch das burgundische Weingut Coche-Dury als Stilmittel perfektioniert wird. Diesem Ausbaustil wollen in letzter Zeit immer mehr Winzer, vor allem ambitionierte Jungwinzer, nacheifern, was natürlich auch zu einer gewissen Vereinheitlichung über alle Weinsorten führen kann. Ausserdem ist diese Ausbaustilistik immer ein Ritt auf der Rasierklinge, da bei Übertreibung dieser Stilistik sich ein Böckser verfestigen kann und im schlimmsten Falle zum Mercaptan-Böckser führen kann, der den Wein gänzlich ungeniessbar macht. Hier sind aber 2 Könner am Werk, die sich ihre Sporen bei Cloudy Bay verdient haben und diesen Ausbaustil voll im Griff haben. Absolut funky in der Nase, Feuerstein, angebrannte Zündhölzer, auch nach 6 Jahren ist diese Reduktion noch präsent. Der Wein braucht einiges an Luft, gibt dann aber auch noch Frucht und dezente Holzwürze preis. Knackige, aber passende Säure, kraftvoll, aber sehr trinkig, tolle Länge, immer noch blutjung. 5-10 Jahre sind für diesen Wein kein Problem.
2022er "Cirque de Levures" Deutscher Wein trocken (Mathis, Merdingen) -Baden-Tuniberg-
Thema ist hier maischevergorener Weisswein, sicherlich nicht in der Masse ein grosser Trend, aber viele Betriebe versuchen sich an dieser Ausbautechnik. Hier ein sehr gelungenes Beispiel: maischevergorene Cuvee aus Gewürztraminer, Weissburgunder, Grauburgunder und Rivaner, 8- monatiger Ausbau im gebrauchten Barrique, spontanvergoren und unfiltriert abgefüllt. Trübe, apfelsaftartige Optik,vollkommen reintönige Nase, fein floral dank des Gewürztraminers, absolut trocken (1,6 gr. RZ), passende Säure (5 Promill), sanfter Gerbstoffgrip, der für Struktur sorgt, fruchtbetont, toller Trinkfluss bei nur 11 Vol% ! Riesentrinkspass für knapp 18 Euro ab Weingut.
Die fehlenden 9 Weine folgen in Kürze !
LG
Bodo
letzten Freitag trafen sich wieder weinaffine Menschen, um aktuelle Tendenzen in der Weinbranche anhand von 15 flüssigen Beispielen nachzuvollziehen. Da neben Wissensvermittlung um den Wein vor allem auch der Trinkspass im Vordergrund stehen sollte, wurden einige durchaus merkliche Trends bewusst nicht thematisiert, so z. B. die Secco-Welle, halbtrockene Rotweine (Primitivo und Co.) oder die Hinwendung zu alkoholreduzierten bzw. alkoholfreien Weinen. Die Trends wurden in erster Linie vom deutschen Markt her betrachtet, wobei der eine oder andere Trend auch andere Länder betraf.
Doch jetzt zu den Weinen:
2016er PetNat "Urbursche" Riesling Brut (Deppisch, Theilheim) -Franken-
Natürlich perlender Wein, der nur mittels einer einzigen Gärung erzeugt wird, liegt nicht nur in Deutschland im Trend.
Der gärende Most wird mit ca. 20 -max. 25 gr. Restzucker in eine Sektflasche gefüllt und luftdicht mit einem Kronkorken verschlossen. Der Most gärt zu Ende und das sich bildende CO2 bleibt im Wein gelöst. Diese urtümlichste Methode der Schaumweinbereitung (methode ancestrale) wurde speziell in Frankreich verfeinert und hat mit dem Clairette de Die auch heute noch einen typischen Vertreter dieser Herstellungsmethode.
Das etwas unter dem Radar fliegende und Demeter-zertifizierte Familienweingut Deppisch (6 Hektar) hat hier einen blitzsauberen PetNat produziert: typische, naturtrübe Federweißen-Optik, absolut klar und sauber, immer noch absolut jugendlich mit zarter Perlage, die Rebsorte steht bei dieser Ausbauart nicht mehr im Vordergrund, kommt aber doch ein wenig zum Vorschein. Sehr typischer PetNat, der beweist, dass ein solcher Schäumer nicht unbedingt im Jahr nach der Ernte getrunken werden muss. Christian Deppisch ist im Hauptberuf bei der Bayerischen Landesanstalt in Veitshöchheim tätig und dort für den Bereich Biodynamik zuständig. Hier weiss einer, was er macht. Auch der Orangewein dieses Weinguts ist sehr empfehlenswert, zumal die Preise mehr als anständig sind (PetNat 14,60 EURO, der 2018er Orange Silvaner 17,90 EURO ab Weingut).
2014er Hohen-Sülzener Kirchenstück Pinot Brut Nature Reserve (Raumland)-Rheinhessen-
Deutscher, handwerklich erzeugter Premium-Sekt ist wieder stark im Kommen ! Nach Jahren der sprudelnden Tristesse gibt insbesondere der VDP und auch die Vereinigung traditioneller Sektmacher richtig Gas. Mit der Aufnahme des reinen Sekterzeugers und Sektpioniers Volker Raumland in den VDP sowie mit dem Streben nach längerer Hefelagerung wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Ruf des deutschen Sektes wieder auf Champagner-Niveau zu bringen. Das wird in der Breite noch einige Zeit dauern, jedoch kann der hier verkostete Pinot Brut mit seinen über 90 Monaten Hefelager bereits mit hochklassigen Champagnern konkurrieren: extrem feine Perlage, Brioche mit einem Hauch dunkler Frucht, cremig und fein, perfekte Balance und noch durchaus jugendlich. Der Preis für diesen 100%igen
PN-Sekt ist durchaus berechtigt und beträgt in etwa nur die Hälfte eines qualitativ vergleichbaren Champagners (39 EURO ab Weingut).
2021er "SoHo" Solaris Deutscher Wein (Deufel und Erletz, Lindau) -Bayerischer Bodensee-
Pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) liegen im Trend. Gerade im Bio-Weinbau ist die Tatsache, viel weniger Pflanzenschutzmittel, insbesondere das fast unvermeidbare Kupfer, einsetzen zu müssen, ein großer Vorteil.
Der Bioland-zertifizierte KLeinbetrieb (3 ha) von Theresa Deufel und ihrem Lebenspartner setzt fast komplett auf diese Piwis. Solaris ist eine der schon länger im Anbau befindlichen Rebsorten. Der Wein wurde im gebrauchten Barrique ausgebaut und danach unfiltriert und ohne Schwefelzusatz auf die Flasche gefüllt. Dezent florale Noten in der Nase, Holzeinfluss spürbar, am Gaumen kochentrocken, saftige Säure, eher schlanke, trinkige Stilistik, mir persönlich fehlt etwas die Säurestruktur, die den Wein etwas lebendiger machen würde, aber insgesamt ein gut vinifizierter Sortenvertreter mit mittlerer Länge.
2020er Hergolshäuser Mainleite Alter fränkischer Satz QW trocken (Gessner, Garstadt) -Franken-
Seit sich die Ösis den Wiener Gemischten Satz markenrechtlich haben schützen lassen, wird auch in Deutschland wieder vermehrt mit gemischten Rebanpflanzungen gearbeitet. Besonders in bestimmten Teilen Frankens, die nicht von der Flurbereinigung betroffen waren, findet man noch einige sehr alte Weinberge, die schon immer zur Risikominderung gemischt angepflanzt waren. Da diese Weine erst entdeckt werden müssen und nicht im Fokus stehen, sind diese Weine meist beschämend niedrig bepreist. Der obengenannte Wein stammt aus einem über 100 Jahre alten, wurzelechten Weinberg (nur 0,055 ha) mit enger Bestockung, in dem sich mehrere Rebsorten (ca. 70 % Elbling, alle 3 Silvanervarianten und noch einige andere Rebsorten) befinden. Der Wein wurde im 300-Liter-Fässchen vergoren und ausgebaut und bis zu seiner Abfüllung nicht bewegt. Sehr typischer Mischsatz, bei dem ein dezenter Fruchtteppich, aber keine einzelnen Früchte auszumachen sind. Extrem harmonisch, dezenter, gelungener Holzeinsatz, saftig, kräutrig, dezente Säure, gute Länge. Ein Vorzeige-Mischsatz mit vorbildlicher Qualität zum "Kampfpreis" (9,70 EURO ab Weingut). Dem Produzenten ist aber mittlerweile klar geworden, dass der Wein deutlich unter Wert vermarktet wird. Der derzeit angebotene 2022er kostet jetzt 14,50 EURO, was immer noch viel Wein für das Geld bedeutet.
2017er Chardonnay Marlborough (Dog Point Vineyard) -Neuseeland-
Reduktion oder Edelböckser, wie der Franke sagt, sind hier das Thema. Reduktion bedeutet im Gegensatz zur Oxidation eine weitestgehend sauerstoffbefreiten Weinausbaustil, der vor allem durch das burgundische Weingut Coche-Dury als Stilmittel perfektioniert wird. Diesem Ausbaustil wollen in letzter Zeit immer mehr Winzer, vor allem ambitionierte Jungwinzer, nacheifern, was natürlich auch zu einer gewissen Vereinheitlichung über alle Weinsorten führen kann. Ausserdem ist diese Ausbaustilistik immer ein Ritt auf der Rasierklinge, da bei Übertreibung dieser Stilistik sich ein Böckser verfestigen kann und im schlimmsten Falle zum Mercaptan-Böckser führen kann, der den Wein gänzlich ungeniessbar macht. Hier sind aber 2 Könner am Werk, die sich ihre Sporen bei Cloudy Bay verdient haben und diesen Ausbaustil voll im Griff haben. Absolut funky in der Nase, Feuerstein, angebrannte Zündhölzer, auch nach 6 Jahren ist diese Reduktion noch präsent. Der Wein braucht einiges an Luft, gibt dann aber auch noch Frucht und dezente Holzwürze preis. Knackige, aber passende Säure, kraftvoll, aber sehr trinkig, tolle Länge, immer noch blutjung. 5-10 Jahre sind für diesen Wein kein Problem.
2022er "Cirque de Levures" Deutscher Wein trocken (Mathis, Merdingen) -Baden-Tuniberg-
Thema ist hier maischevergorener Weisswein, sicherlich nicht in der Masse ein grosser Trend, aber viele Betriebe versuchen sich an dieser Ausbautechnik. Hier ein sehr gelungenes Beispiel: maischevergorene Cuvee aus Gewürztraminer, Weissburgunder, Grauburgunder und Rivaner, 8- monatiger Ausbau im gebrauchten Barrique, spontanvergoren und unfiltriert abgefüllt. Trübe, apfelsaftartige Optik,vollkommen reintönige Nase, fein floral dank des Gewürztraminers, absolut trocken (1,6 gr. RZ), passende Säure (5 Promill), sanfter Gerbstoffgrip, der für Struktur sorgt, fruchtbetont, toller Trinkfluss bei nur 11 Vol% ! Riesentrinkspass für knapp 18 Euro ab Weingut.
Die fehlenden 9 Weine folgen in Kürze !
LG
Bodo