sorgenbrecher hat geschrieben:Seit dem 2008er Jahrgang habe ich jeden Pontet Canet mindestens einmal getrunken. Und ich kann die Einschätzung von Kelley uneingeschränkt teilen. Eher sind seine Punkte angesichts der Beschreibung eher noch wohlwollend angesetzt.
Bei unseren Blindverkostungen polarisiert der Wein ebenfalls enorm, mir ist zum einen kein anderer Wein in Erinnerung, der regelmäßig eine dermaßen hohe Abweichung zwischen niedrigster und höchster Bewertung hat, und zum anderen ist es ganz sicher der Bordeaux, der am häufigsten nicht als Bordeaux erkannt wird.
Liebe Leute, bitte mal halblang mit PC Bashing hier... Ich kann die stilistische Diskussion um PC absolut nachvollziehen, nicht aber die absurd tiefen Bewertungen Kelley's. Der Wein ist definitiv eher ein Wein im "kalifornischen Stil", mit viel üppiger Frucht, auch Assoziationen mit anderen Weinregionen - voll nachvollziehbar. Und ja, bei Blindverkostungen ist man da nicht zwingend im Bordeaux. Darum: Ein typischer Pauillac, nein! Aber muss man darum "wenig Punkte geben"? Nein! Verkoster sollen die Qualität der Weine beurteilen - die Stilistik erkennt man dann im Text. Und die Qualität ist hervorragend, auch 2022.
Meine Primeur-Notiz für 2022 Pontet Canet, den ich mit 98-100 bewertet habe: (57% Cabernet Sauvignon, 35% Merlot, 4% Cabernet Franc und 4% Petit Verdot, 55jährige Reben. 50% Neuholz, 35% Amphoren aus Beton und 15% gebrauchte Barriques. Die Trauben wurden mit Kamille und einem Gemisch aus gebranntem Lehm und Wasser gegen die die Hitze geschützt.) Sehr kräftige Farbe und ein reiffruchtigier Duft, dieser Pontet-Canet strahlt reiffruchtig aus dem Glas, das riecht nach schwarzer Kirsche, Backpflaume, Cassis und Lakritze, florale Noten schwingen mit. Im Gaumen mit cremiger Textur, einer umwerfenden Frucht und viel Struktur, die Tannine sind von höchster Güte, der Wein hat viel Kraft und gleichzeitig Eleganz, hallt im Abgang sehr lange nach. Ich erinnere mich an die hervorragenden 2009er und 2010er, dieser Wein ist wie eine Symbiose daraus. Grosses Pontet-Canet Kino. 2030-2060 (Verkostet "En Primeur" im April 2023 auf Château Pontet-Canet) #primeurs22
Alle Notizen hier:
https://vvwine.ch/2023/04/bordeaux-2022 ... -paradoxe/
Über Geschmack und Stil braucht man nicht diskutieren - da hat jeder seine Vorlieben. Ich kann mich erinnern, dass ich Pontet Canet 2009 und 2010 kurz nach Arrivage im grossen Stil "verkauft" habe, weil mir der Stil nicht gefallen hat. 10 Jahre später verkostete ich PC blind an einer 09er Probe und der Wein hat sich sehr schön entwickelt...
https://vvwine.ch/2019/10/10-years-after-bordeaux-2009/ ...und je länger je mehr bin ich überzeugt, dass diese "kalifornische Stilistik" on the long run nicht schlecht sein muss, im Gegenteil. Viel Frucht in der Jugend heisst auch "genügend Frucht mit der Reife". Wenn ich an gewisse dürre BX im "klassichen Stil" denke, die halb oder ganz ausgetrocknet im besten Fall für die Sauce taugen erkenne ich mehr und mehr den Wert dieser Weine mit etwas "Fleisch am Knochen"...
So oder so: Es ist doch die stilistische Vielfalt, die zählt, oder nicht? Ob man sich dann zu Haut-Bailly, Carmes, Mission, SHL oder Domaine de Chevalier hingezogen fühlt, ob man PC, Pichon-Baron, Comtesse oder Lynch-Bages bevorzugt - eigentlich egal, oder? Alle Weine sind sehr hochwertig, unterscheiden sich im Stil massiv.
Gruss,
Adrian