Ich bemühe mich ja immer wieder der Gefahr zu widerstehen, dass mein Hobby zum Kult wird. Teil der Anstrengung ist, von klassischen Kombinationen bewusst abzuweichen, und mir ein eigenes Bild von der Marriage zu machen. Leider sind echte Erkenntnis-Highlights dabei ziemlich rar.
Zum Beispiel besaß ich zu Beginn meiner Säufer-, äh, Weinfreak-Karriere derart wenige Flaschen, dass diese notgedrungen zu gegebenen Anlässen ungeachtet des etwaigen Zusammenspiels geschlachtet wurden. Da die lieben Freunde, die mich geduldig heranführten, Burgunder-Fans waren und sind, sahen die mickrigen Vorräte entsprechend aus. Burgunder isses für mich aber einfach nicht zu Lamm, und so beschränkt sich meine Experimentierfreude heute im wesentlichen darauf, mich zu Lamm nicht auf Pauillac oder auch nur rive gauche zu kaprizieren, sondern auch an's andere Ufer zu schauen.
Dieses Mal durfte es anlässlich des seltenen Besuches eines Übersee-Freundes aber ganz klassisch sein:
- 1998 Pichon Baron
- 2007 La Pèira
Beide Weine wurden ca. 5h vorher zu kalt (12°C) angetestet und dekantiert.
Die Lammkeule haben wir extrem schlicht zubereitet: Kartoffelscheiben schräg in einen gefetteten Bräter schichten, mit Pfeffer, Salz, Muskatnuss und Rosmarin würzen. Lamm drauf (bei Bedarf mit Knoblauch gespickt; diesmal nicht) und ab in den Ofen.
Der Baron zeigte sich in wundervollem Rubinrot, klar und mitteldicht. Nur ganz leicht ließ ein bräunlicher Rand das Alter erahnen. In der Nase zeigte er durchaus den typischen Pferdestall und -sattel, aber das hatte ich auch schon heftiger. [*] Einige rote Frucht (Kirsche; etwas Erdbeere(!)). Leichte Rauchigkeit, aber nicht stark tertiär. (Der 1999er war da deutlich weiter...) Am Gaumen gute Säure, deutlich adstringent, aber eher staubig/weich, nicht bissig. Auch hier noch schöne Frucht, ganz wie in der Nase. [+2h] Unter den staubigen Tanninen erstaunlich weich, fast zart. Beginnend tertiär, aber deutlich kleine rote Früchte.
Der Pèira war gerade noch transparent und hatte Syrah- und alterstypisch eine leichte Purpurfärbung. In der Nase Blaubeeren und jede Menge Oliven und Garrigue. Auch hier etwas Rauch, aber "kalt". Gaumen: Die Tannine naturgemäß viel zupackender. Auch schmeckt der Alkohol (14,5 %) etwas vor. Man meint den stilistischen Übergang von den heftigen 2005er Erstlingen zu den feineren jüngeren Jahrgängen erkennen zu können. Dennoch: wenn auch nicht fett, so doch ziemlich mächtig. Wirkt etwas unruhig. Sehr lang, leicht bitter. [+2h] Jetzt ruhiger, aber immernoch etwas alkoholisch. Nicht die beste Präsenz über alle Jahrgänge gesehen...
[+5h] Mme. Amatrice mag den Stall überhaupt nicht, obwohl sie dereinst ritt. Er erinnert sie an Plaka-Farben. So hielt sie sich zum Lamm ausschließlich an den Pèira, gestand aber zu, schon bessere Kombinationen gekostet zu haben. Wir anderen beiden bevorzugten den Baron zum Lamm; das ging schon sehr gut zusammen.
[*] Ist das Brett im Baron nun eigentlich als Fehler zu betrachten? Gruaud z.B. hatte auch lange einen Stinker (etwas anders allerdings), z.B. im 2004er. 2009 fehlt dieser aber völlig. In die Zwischenzeit fielen, soweit ich weiß, erhebliche Veränderungen in Keller und Team. Wie verhält es sich mit jüngeren Barons?
Zu den aufgewärmten Lammresten tranken wir am nächsten Tag
- 2009 Roc de Cambes
Ging ziemlich gut, aber Cabernet gefällt mir zu Lamm doch besser als Merlot.
Der letzte Schluck, solo genossen nach 2 Tagen in der angebrochenen Flasche, war dann richtig gut und ließ erahnen, was daraus mit etwas Geduld werden könnte.
Dem Lamm voran ging übrigens ein Safran-Risotto mit Gambas, dazu
- "Les Vignes de Vrigny" Champagne 1er Cru, Egly-Ouriet (Degorgement 1/2015)
Mme Amatrice konnte überredet werden, für's Dessert Tiramisù vorzubereiten. Die
- 2013 Niederhäuser Herrmannshöhle Auslese von Dönnhoff