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Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

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MQuentel

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragMo 12. Dez 2011, 18:57

Moin, moin,

ich glaube schon, dass ein guter Fachverkäufer sich auf seine Kunden einstellt (und ein Profiverkoster sollte das erst recht können). In letzter Zeit habe ich zwei Essen veranstaltet und eingeladen waren (anders als bei meinen Weinproben) überwiegend "Weinnormalos", also Freunde und Bekannte, die sich nicht sonderlich für Wein interessieren. Meine Bitte an die Gäste: Jeder bringt eine Flasche Wein mit. Spannend war zu sehen, wer was mitgebracht hat. Ein Teil ist in den Supermarkt gegangen und hat gekauft, was irgnedwie zum Thema, "sizilianischer Abend" bzw. "Wildessen" passen könnte. Einige haben sich aber die Mühe gemacht und sind zum Fachhandel gegangen und siehe da, sie kamen mit wirklich guten Weinen an, die eine perfekte Brücke gebaut haben zwischen "Weinnormalo" und mir, der im Bekanntenkreis als "Weinverrückter" gilt, geschmeckt haben diese Weine sowohl meinen Gästen als auch mir, was bei den Supermarktweinen eher selten der Fall war. Bleibt noch festzuhalten, dass keine dieser Flaschen mehr als €10 gekostet hat. Für mich ist diese Erfahrung ein eindeutiger Qualitätsbeweis für den Fachverkäufer im Einzelhandel (Ausnahmen gibt es immer).

Gruß Michael
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Jürgen

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragMo 12. Dez 2011, 19:28

JimPanse hat geschrieben:Hallo

Würde ja gerne auch die eine oder andere Kostprobe meiner Lieblinge hier kundtun. Habe aber keine Idee, wie ich Punkte verteile, bzw. den Geschmack auf Kirschen, Schoko etc. beschreibe.

Grüsse

Jim

Macht nix - ruhig drauf los schreiben. Jeder hier hat mal recht einfach angefangen. Und das blabla einer Weinbeschreibung kann man auch übertreiben. ;)
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Charlie

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragDi 13. Dez 2011, 15:36

Wäre ich nicht weinverrückt und probiersüchtig, sondern hätte nur regelmäßig Lust auf einen Wein der mir und meinen Gästen schmeckt und für mich bezahlbar ist, dann würde ich nie im Leben einen Pfifferling auf allgemeine Urteile geben, egal welche. Ganz einfach deshalb, weil ich in Laufnähe in einem Vorort von Heidelberg schon zwei hervorragende Weinhändler habe, die recht gut wissen, was ihren Kunden schmeckt und was für sie ein guter Preis ist.
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Gerald

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragDi 13. Dez 2011, 15:44

Ja, ein Weinhändler oder Sommelier kann sicherlich dem Kunden einen Wein empfehlen, der ihm auch tatsächlich schmecken wird - mal vorausgesetzt, dass er nicht nur Weinkenntnisse hat, sondern auch die Kommunikationsfähigkeiten so ausgeprägt sind, dass er herausbekommt, was dem Kunden zusagen kann und was nicht. Bei einem Weinautor, der nur eine einzige Weinbeschreibung/bewertung abgibt, wird das natürlich nie funktionieren. Leider dürfte sich das zu vielen Weinkäufern (die nach wie vor nach PP o.ä. einkaufen) nicht herumgesprochen haben.

Sollte mir einmal langweilig werden, hätte ich schon eine Idee für ein spannendes Projekt: Weinprofis bewerten die Weine nicht wie üblich mit einer einzigen Punktezahl, sondern in mehreren (am besten vielen) Dimensionen. Das wird in einer Datenbank erfasst. Wenn jetzt ein Weinfreund in das System eingibt, welche der - bereits dort bekannten - Weine ihm schmecken und welche nicht, könnten damit seine Präferenzen erfasst und eine Bewertung beliebiger Weine speziell für diesen Weinfreund erstellt werden. Also so etwas wie ein Sommelier-Roboter ...

Aber vielleicht hat das ohnehin schon jemand erfunden ?

Grüße,
Gerald
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ChristianPetersen

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragMi 20. Jun 2012, 13:51

Kann ein Weinprofi - mit all seinen Erfahrungen, sensorischen Fähigkeiten etc. - sich überhaupt in das Geschmacksempfinden eines "einfachen" Weinfreundes soweit hineinversetzen, um ihm einen Wein zu empfehlen, der ihm auch tatsächlich schmeckt? In einen Weinfreund, der sich nicht übermäßig mit Wein beschäftigt hat, sondern nur ab und zu ein - für ihn - gutes Glas genießen möchte.


Die Frage ist super. Aber die Antworten "ja - ein guter Profi kann das..." sind m.E. Wunschdenken. Klar kann ein guter Fachmann Weine nach Säure, Fruchtigkeit, Süsse, Preisklassen, Ruf, etc sortieren und versuchen, seinen Kunden in die gleichen Kategorien einzusortieren. Aber das ist nur eine grobe Klassifizierung, die einem Vorschlagsalgorithmus, wie ihn Amazon bei seinen Vorschläge nutzt (collaborative Filtering) auf Dauer unterlegen sein wird. Bisher hat Amazon in Deutschland gottseidank noch nicht genügend Kaufdaten gesammelt um wirklich gute Empfehlungen abzugeben und im Mutterland des Collaborative Filtering verkauft Amazon keinen Wein, aber eines nicht so fernen Tages wird Amazon besser empfehlen können als ein typischer Wein Verkäufer. Zur Klarstellung: Ich bin nicht von Amazon und habe nicht einmal Aktien von denen.

Da ich vor einiger Zeit mal Langeweile hatte, hatte ich ein Portal programmiert, welches aufgrund von mindestens drei Weinbewertungen Empfehlungen abgibt. Diese Empfehlungen kann ich entweder basierend auf Korrelationen zwischen Weinen oder aufgrund von ähnlichen Geschmäckern von Personen abgeben. Die Korrelationsempfehlung führt leider dazu, dass beliebte Weine öfter empfohlen werden - das kann mein Weinhändler auch. Aber die andere Berechnungsform führt zu kleinen Nischenweinen, die mein Weingeschmacks-Zwilling mag und mich begeistern. Nachteil: Ich brauche deutlich mehr Nutzer um zu wirklich guten Empfehlungen zu kommen. Rechnerisch brauche ich über 100.000 Nutzer und ich habe nicht einmal 100. Daher gibt es in den meisten Fällen nur Korrelations-Empfehlungen, aber auch die können sich gemessen an dem Empfehlungen meines Weinhändlers sehen lassen. http://www.winerecommender.com
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majehle

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragFr 6. Jul 2012, 23:52

Hallo zusammen

Dazu würde ich noch gern in den Raum werfen, dass spätestens durch Blindverkostung das Vertrauen in den Geschmack komplett in Frage gestellt wird.
Bei einer Winzerversammlung, bei der ich anwesend war, wurden sogar die Erdhalbkugeln vertauscht, die eigenen Weine nicht erkannt ... Nur Fachleute und Trefferquote 5o/5o um das mal zu Pauschalisieren ;-)
Sonnige Grüsse
majehle

http://www.lescavesdulac.com/blog
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octopussy

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragMo 13. Mai 2013, 10:54

Andrew Jefford hat verstanden (eine tolle, fast schon demütige Zusammenfassung dessen, worauf es ihm beim Weinprobieren ankommt):

http://www.decanter.com/news/blogs/expe ... -the-bench
Beste Grüße, Stephan
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Torsten_f

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragMo 13. Mai 2013, 11:36

Gerald hat geschrieben: Kann ein Weinprofi - mit all seinen Erfahrungen, sensorischen Fähigkeiten etc. - sich überhaupt in das Geschmacksempfinden eines "einfachen" Weinfreundes soweit hineinversetzen, um ihm einen Wein zu empfehlen, der ihm auch tatsächlich schmeckt? In einen Weinfreund, der sich nicht übermäßig mit Wein beschäftigt hat, sondern nur ab und zu ein - für ihn - gutes Glas genießen möchte. Dem Komplexität, Lagerfähigkeit, Typizität und andere Bewertungsmaßstäbe der Profis eigentlich völlig egal sind. Man darf nun mal nicht vergessen, dass diese Art Weinkonsument zahlenmäßig wohl die große Mehrheit darstellt und der Markt an dessen Bedürfnissen nicht vorbei produzieren sollte.


Hallo Gerald, einerseits verstehe ich Deinen Ansatz, aber andererseits: Kann ein serioeser Schriftsteller fuer einen Frauenarztroman-Konsumenten schreiben? Muss er das? Will er das? Will sagen: Die meisten Themen oeffnen sich eben nur dem, der ein Mindestmass an Begeisterung und Beschaeftigung mit dem Subjekt mitbringt. Und, das ist auch gut so!
Alle anderen muessen eben trinken und bezahlen und gut finden, was ein anderer fuer sie aussucht. "Ich weiss nicht was ich will, empfehlen Sie mir mal dafuer den besten Wein" klappt halt nicht.
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duhart09

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragDi 8. Feb 2022, 13:10

Ich weiß nicht genau, ob ich das hier an der richtigen Stelle einordne, aber zum Thema Laienbewertungen (Alltagsgeschmack) finde ich auch das hier interessant:

https://www.faz.net/aktuell/wissen/geis ... 61028.html

Gruß
Uli
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ledexter

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Re: Profi-Bewertungen vs Alltagsgeschmack

BeitragSa 18. Feb 2023, 06:33

Torsten_f hat geschrieben:
Gerald hat geschrieben: Kann ein Weinprofi - mit all seinen Erfahrungen, sensorischen Fähigkeiten etc. - sich überhaupt in das Geschmacksempfinden eines "einfachen" Weinfreundes soweit hineinversetzen, um ihm einen Wein zu empfehlen, der ihm auch tatsächlich schmeckt? In einen Weinfreund, der sich nicht übermäßig mit Wein beschäftigt hat, sondern nur ab und zu ein - für ihn - gutes Glas genießen möchte. Dem Komplexität, Lagerfähigkeit, Typizität und andere Bewertungsmaßstäbe der Profis eigentlich völlig egal sind. Man darf nun mal nicht vergessen, dass diese Art Weinkonsument zahlenmäßig wohl die große Mehrheit darstellt und der Markt an dessen Bedürfnissen nicht vorbei produzieren sollte.


Hallo Gerald, einerseits verstehe ich Deinen Ansatz, aber andererseits: Kann ein serioeser Schriftsteller fuer einen Frauenarztroman-Konsumenten schreiben? Muss er das? Will er das? Will sagen: Die meisten Themen oeffnen sich eben nur dem, der ein Mindestmass an Begeisterung und Beschaeftigung mit dem Subjekt mitbringt. Und, das ist auch gut so!
Alle anderen muessen eben trinken und bezahlen und gut finden, was ein anderer fuer sie aussucht. "Ich weiss nicht was ich will, empfehlen Sie mir mal dafuer den besten Wein" klappt halt nicht.


Ich finde da setzt du genau richtig an, denn würde ein Groschenroman in die Auswahl des Literaturnobelpreises kommen, oder in den Literaturkritiken abräumen? Eher nicht. Würde ein von der Kritik gefeiertes Kunstwerk von Gerhard Richter im Wohnzimmer des Durschnittsbürgers hängen? Eher nicht. Gibt die Kritik einen Hinweis auf Hochwertigkeit einer Sache? Dem sollte zumindest so sein.

Die Aufgabe des Weinkritikers ist meiner Meinung nach, wie auch bei jeder Bewertung von Kunst, Literatur oder Film, die Qualität eines Weines zu bewerten und nicht einen Wein für den Massengeschmack zu empfehlen. Zb treffen hochwertige Sherrys leider nicht den Massengeschmack, sollten diese deshalb niedrig bepunktet werden?

Im besten Falle hat ein Wein natürlich Anspruch, aber wird auch von einem Laien verstanden.

Die Verkostung dient der Untersuchung, der sensorischen Analyse und Beschreibung sowie der Klassifizierung von Weinen. Im Idealfall erfolgt die Benotung nach standardisierten Verfahren. Der Weinkritiker bedient sich bei der Klassifizierung einer mehr oder weniger präzise erscheinenden Bewertungsskala. […]
Da jeder Verkoster eine unterschiedliche Auffassung dessen hat, wie ein guter Wein zu schmecken hat, sind jedoch auch die Resultate einzelner Verkoster zueinander nur selten vergleichbar. Exemplarisch kann die Benotung von Château Pavie des Jahrgangs 2003 genommen werden (Parker: 96/100; Jancis Robinson: 12/20).[3] Im Laufe der Zeit kann ein Konsument jedoch entdecken, ob seine eigene Auffassung eines guten Weins sich mit der eines Weinkritikers deckt.

Die zahlengebundene Weinkritik ist immer wieder Kritik ausgesetzt. Die Bewertung von Weinen durch Punktvergabe bietet bei einer größeren Weinauswahl eine gute Orientierung, die durch Degustationsnotizen kaum möglich ist. Die Punkte werden im Vergleich mit dem jeweiligen Idealtyp vergeben. Die Definition eines jeden Idealtyps ist jedoch vom jeweiligen Weinprüfer abhängig. Andererseits gaukelt eine 100 Punkteskala eine absolute Qualitätsaussage vor.

Bei Degustationsnotizen mittels der Weinsprache kann auf die jeweiligen Eigenschaften eines Weines eingegangen werden. Da es aber in der Sprache oft kein Wort für eine bestimmte Geschmacksrichtung gibt, kann es zu Fehlinterpretationen kommen. Für Amateure ergeben sich[4] häufig Schwierigkeiten beim Verstehen von professionellen Weinbeschreibungen, wie sie in der Fachpublizistik oder bei Degustationen verwendet werden.[5] Besonders die Art der sinnbildlichen Konkretisierung des Weins sorgt hierbei für Irritationen.[6]


Quelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Weinbewertung
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