Später-Veit

amateur des vins
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Re: Später-Veit

Beitrag von amateur des vins »

Moselaner hat geschrieben:Mir geht es überhaupt nicht darum was „besser“ ist, ich frage mich nur:
Ist das einmal gezeichnete Bild einer Lage wirklich das gegebene, oder gibt es wenige „berühmte“ Protagonisten, die diesen Bild prägen. Und ist dieser Stil dann unumstößlich der einzig „wahre“?

Unabhängig davon bin ich großer Freund von lagentypischen Weinen, die Frage ist nur, was diese Typizität ausmacht und wer sie etabliert hat.
Meine Antwort auf diese sehr brechtigte Frage(n) ist: Lageneinfluß existiert, Winzereinfluß dominiert. Darüber, daß Winzer mit besonders großem Markteinfluß (sei er qualitativ oder quantitativ) aufgrund ihrer Richtungsweisung zur Bildung dessen maßgeblich beitragen, das dann als "Lagencharakter" kolportiert wird, habe ich bisher nicht nachgedacht, aber es ist äußerst plausibel.
Besten Gruß, Karsten
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EThC
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Re: Später-Veit

Beitrag von EThC »

Moselaner hat geschrieben:die Frage ist nur, was diese Typizität ausmacht und wer sie etabliert hat.
...das ist m.E. genau der Punkt. Ich bin eigentlich eher geneigt, die "Winzertypizität" oben an zu stellen und nicht die vermeintliche Lagentypizität. Denn es ist ja auch nach meinem Verständnis in erster Linie die Art der Vinifizierung, die z.B. zu einer wie auch immer gearteten Fruchtbetonung führt.
Ansonsten wäre ja der Winzer "Sklave seiner Lage", das kann ich mir beim besten Willen nicht schönreden...
Viele Grüße
Erich

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UlliB
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Re: Später-Veit

Beitrag von UlliB »

amateur des vins hat geschrieben: Lageneinfluß existiert, Winzereinfluß dominiert.
Dem würde ich zustimmen. Es ist schon richtig, dass der Hausstil eines Erzeugers den Lagencharakter modifizieren oder im Extremfall völlig überdecken kann. Das ändert aber nichts daran, dass ein Lagencharakter existiert und durchaus über mehrere Erzeuger hinweg erkannt werden kann. Das war früher allerdings leichter als heute, da die Vinifikation damals viel einheitlicher war und diverse kellertechnische Verfahren (Reinzuchthefen, Enzyme, Ausrüstung zur Temperatursteuerung bei der Vergärung) vor 30, 35 Jahren nicht verfügbar waren.
EThC hat geschrieben: Ansonsten wäre ja der Winzer "Sklave seiner Lage", das kann ich mir beim besten Willen nicht schönreden...
Die burgundischen Terroiristen drücken das anders aus. Sie sehen sich als Diener ihrer Lagen, und ihr Ziel ist es, den Lagenausdruck möglichst unverfälscht in die Flasche zu bringen. Dass da am Ende der Hausstil in vielen Fällen aber immer noch leichter zu erkennen ist als die Lage, ist zwar richtig, aber ändert auch dort nichts daran, dass es einen Lagencharakter gibt. Wenn man den respektiert, sehe ich das keinesfalls als "Sklavenarbeit" an, sondern als Bemühung um Authentizität.

Gruß
Ulli
mixalhs
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Re: Später-Veit

Beitrag von mixalhs »

Um die doch sehr ernüchternden Berichte von Karsten und Ollie zu kontrastieren, poste ich mal, was Heiner Lobenberg zur No. 1 2010 von Später-Veit geschrieben hat:
Anders als der Spätburgunder Nr. 1 aus 2009, der sehr kräftig und wie ein Gevrey-Chambertin daherkommt, ist der 2010er eher ein Chambolle-Musigny. Der kühle Jahrgang 2010 spielt hier in Verbindung mit dem Dreiklang Schiefer, nördliches Klima und der feinen Säure der Spätburgundertraube voll in die Karten, wenn es um Finesse geht. Ultrafein und zart, sehr weiches Tannin, viel rote Frucht mit feiner Säure, Knackigkeit. Sensationell frisch, total durchgegoren. Der Herr Welter von Später-Veit hat zusammen mit Markus Molitor an der Mosel angefangen mit Pinot Noir. Sie haben sich abgestimmt, ausgetauscht und trotzdem total verschiedene Stilistik entwickelt. Die grandiosen Pinots von Molitor sind deutsch, sind schiefrig, auch stark geprägt von Erdbeere und Himbeere; Später-Veit ist das nicht im geringsten: Seine Weine sind tollstes Baden/ Pfalz/ Gevrey-Chambertin. Beeindruckend, und doch nicht erschlagend, sondern immer frisch und verspielt bleibend, trotz des immensen Drucks und der großen kirschigen Tiefe. Das hätte ich früher entdecken dürfen! Grandiose Pinots. Wer ahnt schon, dass die Mosel ganz weit vorn sein kann? Speziell im Preis-Leistungsverhältnis. Großes Kino! 95-96+/100
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EThC
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Re: Später-Veit

Beitrag von EThC »

UlliB hat geschrieben:Die burgundischen Terroiristen drücken das anders aus. Sie sehen sich als Diener ihrer Lagen, und ihr Ziel ist es, den Lagenausdruck möglichst unverfälscht in die Flasche zu bringen.
...das ist ja auch absolut i.O., denn es ist in diesen Fällen ein sich selbst auferlegtes Ziel, da paßt dann auch das Wort "Diener" sehr schön.

Aber wenn diese Lagentypizität in einer Art Schwarz-Weiß-Malerei von außen quasi eingefordert wird, dem Winzer also die Freiheit nicht zugestanden wird, daß er mit der Lage so umgeht, wie er persönlich das für richtig hält, sondern er es gefälligst so zu machen hat, wie es eine traditionell vorgegebene Typizität / Stilistik ihm regelrecht aufzwingt, dann macht man ihn im Erfolgsfall zum Sklaven der betreffenden Lage.

Es muß ja nicht jeder gut finden, was der einzelne Winzer so macht, ich hab halt ein Problem mit solchen, teils recht absolutistisch aufgestellten bzw. formulierten Anforderungen...
Viele Grüße
Erich

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Ollie
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Re: Später-Veit

Beitrag von Ollie »

Na, das ist ja mal interessant. Drei Leute finden den Wein relativ ähnlich (wobei zwei Birne und zwei andere :lol: ordentliche Länge finden) und sagen, der Ames könnte auch von der Saar kommen. Aromatisch, wohlgemerkt, von der Struktur her ist das schon Kabinett, aber diese Kategorie ist ja nicht der Mosel vorbehalten (insofern verstehe ich dein, Bernd, Insistieren nicht ganz oder dich vielleicht falsch?). Und Ulli sagt dasselbe wie ich: Da gibt's andere Erzeuger, die "schönere" Mosel-Kabinette machen.

Zum Lagencharakter: Natürlich beweist die schiere Existenz des Ames, daß auch diese Lage ein Spektrum an (aromatischer) Expressivität hervorzubringen imstande ist, also ist es logisch falsch zu behaupten, das sei "gar kein Goldtröpfchen". (Ein "Orange Gold-Droplet" wäre ja auch noch ein Goldtröpfchen, einfach qua Herkunft.) Per se ist der "fehlende Lagencharakter" für mich auch kein so großes Problem (ich glaube ja nicht an "Terroir"), schon gar nicht, wenn der Wein gut ist (das ist er halt für mich nicht). Ich hätte aber schon gedacht, Lagencharakter sei ein wichtiges Kriterium für dich, Bernd, insofern kann ich deine Nachsicht mit dem Wein nicht nachvollziehen (aber das muss ich auch nicht können, deswegen haben wir ja unterschiedliche Wahrnehmungen und Meinungen, wie du schon schriebst).

Basierend auf meinen bisherigen Erfahrungen mit Weinen aus der Lage hätte ich von einem Goldtröpfchen halt etwas anderes erwartet. Und ich erlaube mir den Luxus, dann lieber ins "richtige" Fach greifen zu wollen, wo ich weiß, "jetzt kommt ein Goldtröpfchen". An noch einem Weinchen unspezifischer Herkunft bin ich einfach nicht mehr interessiert. Wie gesagt, dann lieber der süße Kabinett von Meierer, der ganz penetrant nach Kesten schmeckt (wie es sich auch in den Steinmetzschen Sachen findet, übrigens).

Patrick hat aber einen guten Punkt aufgebracht: würde dieser Ames-Kabinett in einem Vergleich mit den Goldtröpfchen von Julian Haart und Steinmetz wirklich hervorstechen? Fair enough, 2019 war ja nun ein eher seltsames Jahr, und ich habe schon lange keine Weine dieser beiden Erzeuger gehabt, mal sehen ob ich was auftreiben kann für einen Vergleich. Ich hatte schon ewig (seit 2014) keine Steinmetz-Rieslinge mehr, lustigerweise weil sie mir zu opulent waren. :lol:

Nun zu den Roten: Danke, Michael, für den Lobenberg (meine Güte). Es scheint offenbar wirklich der Stil der Hauses zu sein, den Stil mit jedem Jahrgang zu wechseln. Mir gehen solche Erzeuger dermaßen von auf den Senkel, schon deshalb in ich hier fertig.

Aber ich lehne mich hier mal aus dem Fenster und reiße folgenden Vergleich: Wenn Fiebrich Vosne-Romanée ist, ist der 2012er Reserve ein Chambolle. Das sage ich nicht wegen Lobenberg, sondern das habe ich wirklich so gedacht, als ich den Wein im Glas hatte. (In meinem Originalpost an Michl habe ich mich dann nicht getraut und stattdessen "männlicher Wein" geschrieben.) Dieser Vergleich gilt aber strikt nur zwischen Fiebrich und Später-Veit, in absolut sind beide Weine sehr deutsch und sehr schiefertypisch, da kommt ein Pfälzer strukturell und ein Burgunder aromatisch nie hin. Und "immensen Druck" verspürt nur meine Brieftasche. Für das Geld hätte ich einen 2018er Meyney haben können.

Nur um mal die PLV-Relationen geradezurücken. :evil:

Cheers,
Ollie
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UlliB
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Re: Später-Veit

Beitrag von UlliB »

Ollie hat geschrieben:[...] die schiere Existenz des Ames [...]
Hallo Ollie,

da Du immer wieder Ames schreibst: der Wein heißt tatsächlich Armes. Es wäre übrigens interessant, zu erfahren, wo der Name herkommt...

Bei Ames denke ich immer an den gleichnamigen Test zum Nachweis von Mutagenität. Damit hat der Wein nun gar nichts zu tun. Hoffentlich :|

Gruß
Ulli
Ollie
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Re: Später-Veit

Beitrag von Ollie »

:lol:

Oops, du hast recht, sorry, das ist meine professionelle Deformation, die mich autokorrigieren lässt, ich denke immer an NASA Ames Research Center. :shock:

Aber "Armes" passt ja auch besser. Ist das vielleicht sogar der Namensgeber für die Parzelle? Aus... Gründen..? ;) :mrgreen:

Cheers,
Ollie
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Re: Später-Veit

Beitrag von EThC »

UlliB hat geschrieben:Es wäre übrigens interessant, zu erfahren, wo der Name herkommt...
...ein Gewann im Goldtröpfchen ( http://weinlagen.org/#subvineyard_id=962 )
Viele Grüße
Erich

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Moselaner
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Re: Später-Veit

Beitrag von Moselaner »

Hallo Ulli und Olli,

habe gerade auf der alten Weinbaukarte von 1868 nachgeschaut: Es ist tatsächlich eine Parzelle im Goldtröpfchen.

Edit: Erich war schneller!

Viele Grüße
Patrick
Zuletzt geändert von Moselaner am So 7. Mär 2021, 13:35, insgesamt 1-mal geändert.
Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens.
Euripides
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