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- Registriert: Mo 28. Dez 2020, 16:11
Wahrscheinlich gab es diese Diskussion schon zigfach. Ich versuche dennoch mal eine Kategorisierung, die sich aus meinen noch immer Anfängererfahrungen der letzten Jahre ergeben hat:
- bis ~12€: selten Weine, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen
- ca. 12–20€: teils attraktive Weine, man spürt einen Unterschied zur unteren Preiskategorie
- 20–30€: Weine, die häufig im Gedächtnis bleiben; "Wow"-Effekt beim ersten Schluck möglich
- 30€+: dito, aber noch stärker. Sehr komplexes Aromaprofil
Gilt z. B. für: Pinot Noir, Sangiovese
Gilt z. B. nicht für: deutschen Riesling (schon für 11-12€ sehr gut, für 15–20€ spitze)
Schließt natürlich nicht aus, dass teure Weine zu teuer verkauft werden und eigentlich in eine niedrigere Kategorie passen.
Auch aufgefallen ist mir: Es gibt nicht nur gut und schlecht, sondern Passendes zu jedem Anlass. Gereifte trockene Riesling-Auslesen für 30€ können zu gewichtig sein für einen unspektakulären Dienstag Abend zu Brot und Wurst.
So, jetzt dürft ihr mir gerne sagen, dass das alles so gar nicht hinkommt, bloß Einbildung ist (denn was teuer ist, schmeckt bekanntlich deshalb auch besser) und es (wenigstens ab einem bestimmen Preis) kaum eine Korrelation zwischen Preis und Charakter bzw. Anspruch des Weins gibt.
... Oder aber meine Thesen weiter ausdifferenzieren.
Beispiel Sangiovese, Chianti
Meine frischesten Erinnerungen, die mich u. a. zu dieser Kategorisierung bewogen haben, beruhen auf einem Sangiovese/Chianti-Blindtasting. Ich mache gerne Blindtastings, um Rebsorten oder Anbaugebiete kennenzulernen und mich nicht vom Preis oder Renommee des Weins beeinflussen zu lassen.
Punkteskala: 1 = schlechteste, 10 = beste Bewertung
Die verkosteten Weine waren:
1 x Villa Antinori Chianti Classico Riserva 2015 = 15,90 EUR
6+, 2. Tag 7+ Punkte: Schöner Wein mit viel Fassaromen (Vanille, Eiche), Veilchen, Thymian
1 x Lamole di Lamole Chianti Classico Riserva DOCG 2015 = 18,90 EUR
6-, 3. Tag 7 Punkte: Etwas trüber als der unmittelbar davor verkostete Rosso di Montalcino, süßlich in der Nase (Sirup, Kirsch), etwas bitter im Geschmack (Holundersaft)
1 x Lamole di Lamole Chianti Classico “Etichetta Bianca” DOCG 2016 = 11,88 EUR
5 Punkte: Unspektakulärer Wein, einfaches Aromenprofil; etwas pfeffrig. Eher langweilig und nichtssagend, bleibt nicht stark in Erinnerung.
1 x Argiano Brunello di Montalcino DOCG 2015 = 36,90 EUR
8+ Punkte: spannendster Wein, höchster Wiedererkennungswert, da vollkommen anders als die anderen; viel mehr komplexe Nicht-Primär-Fruchtaromen nach Tabak, Leder etc.; mein erster Eindruck: muss noch liegen bleiben, hat aber unglaublich Potenzial. Kam mir anfangs sehr schwierig vor, hat aber süchtig gemacht in dem Sinne, dass jeder weitere Schluck ein tieferes Verständnis zu versprechen schien (ähnliches Gefühl wie z. B. die erste Begegnung mit einem schwierigen Musikstück, z. B. von Mahler oder Brahms). Wegen der Schwierigkeit war es keine "Liebe auf den ersten Blick" und deshalb hatte ich mit einer höheren Punktzahl gezögert.
1 x Antinori Pian delle Vigne Rosso di Montalcino DOC 2018 = 16,90 EUR
8 Punkte: Sehr anmutiger, balsamischer, klarer und feiner Wein; Bouquet hat außer Frucht (Erdbeermarmelade) auch Rauch-/Tabaknoten
1 x Melini Chianti Neocampana Governo Rosso all'Uso Toscano 2017 = 6,45 EUR
4 Punkte: undurchsichtig, wenig charakteristisch, etwas "dick", einfaches Aromenprofil. Aber nicht anekelnd in dem Sinne, dass man nach einem Schluck das Glas wegstellen musste.
1 x Tenuta Fanti Brunello di Montalcino Vallocchio DOCG 2012 = 29,90 EUR
8-9 Punkte: feinster, rundester Wein, tolle Noten ähnlich eines hochwertigen Balsamicos (tradizionale). Sehr klar. In der Nase (dunkler Balsamico, weißer Pfeffer, Erdbeermarmelade u. a.) wahnsinnig reich und komplex, es ist schon eine ausdauernde Befriedigung, nur daran zu riechen.
1 x Reinsortiger Sangiovse aus dem real als schwarzes Schaf, ich weiß nicht mal, welcher das genau war = 4,99 EUR
2 Punkte: ungenießbar, roch nach Kirsch-Kaugummi. Einziger Wein, bei dem man sich vor dem zweiten Schluck sträuben musste.
Ergeben diese Blind-Eindrücke für euch wenigstens teilweise Sinn?
Zumindest zeigte sich, trotz gänzlicher Unvoreingenommenheit durch das Blindtasting, ein recht klares Gefälle: Die Brunellos haben die höchsten Punktzahlen, bei den Chiantis die teureren Riserva höhere als die günstigeren, die unter 10€ schmeckten am wenigsten.
Eine Vermutung (Erkenntnis?), die mir durch das Tasting gekommen ist, ist, dass die Beigabe von Cab. Sauv./Merlot den Wein etwas trüber macht (?). Die reinsortigen Sangioveses haben mir tendenziell besser gefallen. Sie wirkten auf mich feiner, seidiger, mit distinkteren Kräuter- und Fruchtaromen.
Fazit
Einerseits muss man sich von Nicht-Weinliebhabern gerne vermeintlich beweiskräftige Studien anhören, um die Weinbepreisung ad absurdum zu führen: wenn Experten angeblich in Blindverkostungen Aldi-Weine besser beurteilen als zehnfach teurere Premiumweine.
Andererseits bräuchte man ja keine 30€ für eine Flasche zahlen, wenn man nur genug Erfahrung und Überblick bräuchte, um unter den unendlich vielen Weinen für 15€ immer eine vergleichbare günstigere Alternative parat zu haben.
Schmecken die Weine der verschiedenen Preiskategorien doch grundsätzlich anders, zumindest zum Großteil? Ausnahmen bestätigen die Regel. Kann man die Kategorien vergleichen mit z. B. der Kategorisierung von Musik in leichte Unterhaltungsmusik (einfacher Chianti), Operette (Rosso di Montalcino) und Wagners Ring (Brunello)? Oder Thomas Mann (Brunello), 08/15-Krimi (10€-Chianti) und die BUNTE (5€-Sangiovese aus dem real)?
- bis ~12€: selten Weine, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen
- ca. 12–20€: teils attraktive Weine, man spürt einen Unterschied zur unteren Preiskategorie
- 20–30€: Weine, die häufig im Gedächtnis bleiben; "Wow"-Effekt beim ersten Schluck möglich
- 30€+: dito, aber noch stärker. Sehr komplexes Aromaprofil
Gilt z. B. für: Pinot Noir, Sangiovese
Gilt z. B. nicht für: deutschen Riesling (schon für 11-12€ sehr gut, für 15–20€ spitze)
Schließt natürlich nicht aus, dass teure Weine zu teuer verkauft werden und eigentlich in eine niedrigere Kategorie passen.
Auch aufgefallen ist mir: Es gibt nicht nur gut und schlecht, sondern Passendes zu jedem Anlass. Gereifte trockene Riesling-Auslesen für 30€ können zu gewichtig sein für einen unspektakulären Dienstag Abend zu Brot und Wurst.
So, jetzt dürft ihr mir gerne sagen, dass das alles so gar nicht hinkommt, bloß Einbildung ist (denn was teuer ist, schmeckt bekanntlich deshalb auch besser) und es (wenigstens ab einem bestimmen Preis) kaum eine Korrelation zwischen Preis und Charakter bzw. Anspruch des Weins gibt.
... Oder aber meine Thesen weiter ausdifferenzieren.
Beispiel Sangiovese, Chianti
Meine frischesten Erinnerungen, die mich u. a. zu dieser Kategorisierung bewogen haben, beruhen auf einem Sangiovese/Chianti-Blindtasting. Ich mache gerne Blindtastings, um Rebsorten oder Anbaugebiete kennenzulernen und mich nicht vom Preis oder Renommee des Weins beeinflussen zu lassen.
Punkteskala: 1 = schlechteste, 10 = beste Bewertung
Die verkosteten Weine waren:
1 x Villa Antinori Chianti Classico Riserva 2015 = 15,90 EUR
6+, 2. Tag 7+ Punkte: Schöner Wein mit viel Fassaromen (Vanille, Eiche), Veilchen, Thymian
1 x Lamole di Lamole Chianti Classico Riserva DOCG 2015 = 18,90 EUR
6-, 3. Tag 7 Punkte: Etwas trüber als der unmittelbar davor verkostete Rosso di Montalcino, süßlich in der Nase (Sirup, Kirsch), etwas bitter im Geschmack (Holundersaft)
1 x Lamole di Lamole Chianti Classico “Etichetta Bianca” DOCG 2016 = 11,88 EUR
5 Punkte: Unspektakulärer Wein, einfaches Aromenprofil; etwas pfeffrig. Eher langweilig und nichtssagend, bleibt nicht stark in Erinnerung.
1 x Argiano Brunello di Montalcino DOCG 2015 = 36,90 EUR
8+ Punkte: spannendster Wein, höchster Wiedererkennungswert, da vollkommen anders als die anderen; viel mehr komplexe Nicht-Primär-Fruchtaromen nach Tabak, Leder etc.; mein erster Eindruck: muss noch liegen bleiben, hat aber unglaublich Potenzial. Kam mir anfangs sehr schwierig vor, hat aber süchtig gemacht in dem Sinne, dass jeder weitere Schluck ein tieferes Verständnis zu versprechen schien (ähnliches Gefühl wie z. B. die erste Begegnung mit einem schwierigen Musikstück, z. B. von Mahler oder Brahms). Wegen der Schwierigkeit war es keine "Liebe auf den ersten Blick" und deshalb hatte ich mit einer höheren Punktzahl gezögert.
1 x Antinori Pian delle Vigne Rosso di Montalcino DOC 2018 = 16,90 EUR
8 Punkte: Sehr anmutiger, balsamischer, klarer und feiner Wein; Bouquet hat außer Frucht (Erdbeermarmelade) auch Rauch-/Tabaknoten
1 x Melini Chianti Neocampana Governo Rosso all'Uso Toscano 2017 = 6,45 EUR
4 Punkte: undurchsichtig, wenig charakteristisch, etwas "dick", einfaches Aromenprofil. Aber nicht anekelnd in dem Sinne, dass man nach einem Schluck das Glas wegstellen musste.
1 x Tenuta Fanti Brunello di Montalcino Vallocchio DOCG 2012 = 29,90 EUR
8-9 Punkte: feinster, rundester Wein, tolle Noten ähnlich eines hochwertigen Balsamicos (tradizionale). Sehr klar. In der Nase (dunkler Balsamico, weißer Pfeffer, Erdbeermarmelade u. a.) wahnsinnig reich und komplex, es ist schon eine ausdauernde Befriedigung, nur daran zu riechen.
1 x Reinsortiger Sangiovse aus dem real als schwarzes Schaf, ich weiß nicht mal, welcher das genau war = 4,99 EUR
2 Punkte: ungenießbar, roch nach Kirsch-Kaugummi. Einziger Wein, bei dem man sich vor dem zweiten Schluck sträuben musste.
Ergeben diese Blind-Eindrücke für euch wenigstens teilweise Sinn?
Zumindest zeigte sich, trotz gänzlicher Unvoreingenommenheit durch das Blindtasting, ein recht klares Gefälle: Die Brunellos haben die höchsten Punktzahlen, bei den Chiantis die teureren Riserva höhere als die günstigeren, die unter 10€ schmeckten am wenigsten.
Eine Vermutung (Erkenntnis?), die mir durch das Tasting gekommen ist, ist, dass die Beigabe von Cab. Sauv./Merlot den Wein etwas trüber macht (?). Die reinsortigen Sangioveses haben mir tendenziell besser gefallen. Sie wirkten auf mich feiner, seidiger, mit distinkteren Kräuter- und Fruchtaromen.
Fazit
Einerseits muss man sich von Nicht-Weinliebhabern gerne vermeintlich beweiskräftige Studien anhören, um die Weinbepreisung ad absurdum zu führen: wenn Experten angeblich in Blindverkostungen Aldi-Weine besser beurteilen als zehnfach teurere Premiumweine.
Andererseits bräuchte man ja keine 30€ für eine Flasche zahlen, wenn man nur genug Erfahrung und Überblick bräuchte, um unter den unendlich vielen Weinen für 15€ immer eine vergleichbare günstigere Alternative parat zu haben.
Schmecken die Weine der verschiedenen Preiskategorien doch grundsätzlich anders, zumindest zum Großteil? Ausnahmen bestätigen die Regel. Kann man die Kategorien vergleichen mit z. B. der Kategorisierung von Musik in leichte Unterhaltungsmusik (einfacher Chianti), Operette (Rosso di Montalcino) und Wagners Ring (Brunello)? Oder Thomas Mann (Brunello), 08/15-Krimi (10€-Chianti) und die BUNTE (5€-Sangiovese aus dem real)?
Zuletzt geändert von jessesmaria am Mi 6. Jan 2021, 09:52, insgesamt 1-mal geändert.