Bisher hatte ich noch keinen Bordeaux aus 2017 vom rechten Ufer probiert. Gestern habe ich dann mit einem Kumpel endlich mal dran gewagt, einen
2016er als Referenz hatten wir auch dabei. Alle Weine blind ohne zu belüften direkt ins Glas, heute mittag habe ich dann noch mal nachverkostet.
Chateau De La Dauphine - Fronsac 2017:
Ich fand es auch heute noch regelrecht unangenehm ins Glas hinein zu riechen. Im Mund dann schon besser, aber am 2. Tag sind die Gerbstoffe deutlich präsenter. Dann herb-bitter-stoppend-pelzig. Unreif und überextrahiert. Ich hatte das schon bei einigen Bordeaux aus 2017, dass die Gerbstoffe unreif-pelzig-stoppend sind, mal mehr, mal weniger. Als würde man auf einem Papierblatt herumkauen. Der Eindruck von Tiefe ist nicht vorhanden, alles sehr eindimensional. Ich fand die 13.5% Alkohol für Fronsac ganz attraktiv, die Flaschenbewertungen waren auch nicht schlecht (Galloni 91; Neal Martin 90; LPB 90). Trinken kann man das schon, vielleicht mit Flaschenreife auch mit mehr Genuss. Wenigstens hat mich die Verkostung in der Theorie bekräftigt, das 91 Punkte die neuen 86 Punkte sind.
Chateau Dalem - Fronsac 2017:
Der ist sanfter extrahiert mit schöneren Gerbstoffen als der Dauphine, hat aber auch 1vol% mehr Alkohol. Nachdem Ollie gestern in Bezug auf den Laroque unkte,
Ollie hat geschrieben:Übrigens: Laroque kommt mit einem pH von 3.44 daher. Ich befürchte, das wird eine ziemlich süß-saure, quietsch-fruchtige Angelegenheit.

habe ich in der Blindverkostung hier die Erwartung bestätigt gefunden; war aber dann doch der Dalem. Die Frucht ist schon sehr laut und etwas unnatürlich. Ich würde nicht sagen, dass der Wein eine
internationale Stilistik hat, aber in Bordeaux hätte ich das auch nicht unbedingt verortet. Suckling und Neal Martin geben 92 Punkte, Theorie hält.
Auf Sansonnet war ich schon lange neugierig. Der 2016er hat in der Flasch von Galloni 96 Punkte bekommen, wollte wissen, was dahinter steckt.
Château Sansonnet - Saint-Emilion Grand Cru 2017:
Von allen Weinen der mit dem meisten Extrakt, wenn auch sanfter extrahiert. Vom Typ her kräftig und samtig, hedonistisch. Als Solist ist mir das zu viel, der braucht ein Essen. Chateau Sansonnet war 2017 nicht vom Spätfrost betroffen, der Wein ist durchaus reif. Die Tannine auch, wenngleich etwas stoppend. Ich fand den nicht so schlecht, der hat schon was, aber insgesamt mir zu mächtig. Der 2019er soll mit 15% Alkohol kommen; das kann man m.M. nach nicht mehr trinken.
Der 2016er Laroque kam als letztes ins Glas. Man merkte einen deutlichen Unterschied zu den drei vorhergegangenen Weinen. Die Aromen vielfältiger, und die Gerbstoffe deutlich reifer und schöner. Auch merklich anders im Gesamteindruck. Ich habe noch keinen Bordeaux aus 2017 getrunken, der an diese Qualität, die man schon in einfacheren Weinen aus 2016 findet, herankommt. Ich finde nach dieser weiteren Stichprobe die Preise der 2017er weiter unattraktiv.
Was mir mal wieder als Erkenntnis gekommen ist, dass die Verkosterpunkte deutlich zu hoch gegriffen sind, jedenfalls für mein Empfinden und meine Maßstäbe. So meine ich, die ganzen super tollen 95+ Weine in der aktuellen Kampagne, besser ins Verhältnis setzten zu können. Ich versuche zwar, nicht zu sehr darauf zu achten, sondern such lieber nach einer interessanten Geschichte in und um den Wein (das kann auch mal die unerwartet gute Kritikermeinung sein), aber natürlich biased einen dieses ganze Punktegewitter.
Grüße, Josef