vanvelsen hat geschrieben:TOM hat geschrieben:stollinger hat geschrieben:… alles andere als Normalverteilt ... in der Vergangenheit nicht besonders normalverteilt
Ich glaube nicht, dass die Punkte überhaupt Normalverteilt sein können. Wenn Du einen Jahrgang alleine bewerten könntest, ohne Rücksicht auf andere Jahrgänge und Bewertungen und jedesmal die volle Skala nutzen, dann wäre das vielleicht so. Da man aber gute Jahrgänge und schlechte Jahrgänge hat und den einzelnen Wein im einzelnen Jahrgang auch untereinander über Punkte vergleichbar machen will und da man die 100-Pukte-Skala hat bei der bei 100 nun mal Schluss ist, kann das (in meinen Augen!) keine Normalverteilung werden.
stollinger hat geschrieben:
Abgesehen davon, finde ich Informationen (gerade auch von dir) über die Assemblage, den Alkoholgehalt, die Fermentation, den Ausbau, die Struktur, die Tanninqualtät, die Säure, die Extraktion, etc. sehr interessant, hilfreich und bin dankbar dafür!
Grüße, Josef
Und genau da stimme ich dir 100% zu! Auch von mir ein Danke an Adrian.
Und selbst bei einem Weinhändler wie Lobenberg finde ich die (textlichen!) Bewertungen sehr nützlich und hilfreich. Wir alle wissen, dass neben den neutralen Verkostungselementen dort auch die Lieblingswinzer als Parameter mit in die Bewertung eingehen. Und trotzdem! Seine textlichen Kommentare geben einen wertvollen Baustein ab, um sich seine eigene Meinung zu bilden. Die Punkte spielen für mich eine untergeordnete Rolle.
Gleiches gilt für die Bewertungen von Lindauer und (bedingt) die von Leve. Auch sie können dazu beitragen, sich ein Bild zu machen.
Und ehrlich gesagt finde ich die Bordeaux-Welt damit zurzeit viel spannender als zu Parkers-Zeiten, als alle nur auf die Punkte von Parker und Gabriel schauten...
Ich finde die Diskussion zum Thema sehr interessant und auch die durchaus provokative Aussage oben zu meiner (und Jeff Leve's) Verkostungs-Kompetenz. Natürlich: bei 500-1000 Weinen in 1-2 Wochen wird der eine oder andere Verkoster mal "daneben liegen" - in meinen Augen ist das aber durchaus entschuldbar und ich schliesse nicht aus, dass auch ich den einen oder anderen Wein zu hoch/zu tief bewertet habe. Ich kann an dieser Stelle aber festhalten, dass meine persönlichen Punkte-Bewertungen durchaus replizierbar sind, und zwar mit oder ohne Etikette. Ich habe das x-fach mit meinen Mitverkosterm im Team getestet. So liegen wir bei Weinbewertungen "blind" max. 2 Punkte (auf der 100er-Skala) auseinander - was wiederum die oben genannte These stützt, dass 3 Punkte Unterschied (nach Oben) mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch einen "besseren" Wein machen. Dies wiederum heisst nicht, dass man den Wein selber mögen muss. Die Aussagen zur Stilistik sind i.m.A. wichtiger und man findet diese dann im Text/der VKN... Genau darum neme ich mir für diese VKN's auch Zeit - ohne jegliche finanzielle Abhängigkeit wohlverstandenk, denn vvWine ist zu 100% unabhängig.
Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für Jeff Leve brechen. Ich treffe ihn regelmässig an den Proben und wir wechseln ab und an auch mal ein Wort. Seine Bewertungen kann ich grossmehrheitlich gut nachvollziehen (von den oben genannten Ausreissern in jede Richtung einmal abgesehen) und hier von Punkte-Inflation zu sprechen finde ich im 2018er-Kontext etwas gewagt. Es steht für mich ausser Frage, dass Suckling die Skala nicht im Griff hat (oder kann irgend jemand hier im Forum die Suckling-Punkte ernst nehmen??? - mir fällt das zugegebenermassen seht, sehr schwer). Jeff Leve dagegen verkostet i.m.A. sehr gut und er wagt sich auch mal gegen Oben oder Unten einen Akzent zu setzen, was ich sehr schätze. So hat Jeff z.B. Ch. Rauzan-Ségla mit 97-99 bewertet, was mir sehr, sehr hoch erscheint im Kontext meiner vergebenen 94-97 Punkte. Es zeigt aber so oder so auf, dass Rauzan ein Wein ist, der zu den besten Margaux-Weinen im 2018 gehört, egal ob er dann bei 94, 95, 96, 97 oder auch 99 Punkten landen wird ich würde im Durchschnitt mal auf 95.7 tippen).
Fonroque dagegen, bewertet Jeff mit 89 - für mich in keiner Weise nachvollziehbar. Ich durfte den Wein 5x verkosten und stets mit konsistenten 94-95 Punkten. Gut möglich, dass es Jeff hier etwas an Kuschligkeit fehlt, aber hier lege ich meine Hand ins Feuer: Fonroque 2018 ist zusammen mit dem 2016er ein "sleeper of the Vintage" - hier war Jeff wohl etwas "abgelenkt".
Auch ich versuche wo immer möglich den einen oder andere Akzent zu setzen. So wage ich zu behaupten, dass ich einer der ersten Verkoster war, der den heute so stark "gehypten" Carmes Haut-Brion sehr hoch bewertet hat. Als ich für den 2013er schrieb (man lese hier:
https://vvwine.ch/2016/01/ch-carmes-hau ... realitaet/), dass Carmes im generell eher schlechten Jahr 2013 zum Besten gehörte, was ich verkostet habe, wollte das noch niemand wirlich glauben. 2013 (bääää), Carmes (rustikal, bäää) - und siehe da... wer heute zurückblickt, dürfte erkannt haben, dass hier so richtig die Post abgeht. Spätestens seit dem 2015er und dem grandiosen 2016er haben es auch die "etablierten Verkoster" erkannt und Carmes plötzlich nicht mehr mit 89-91 sondern mit 95+ bewertet (es hat immerhin 3-4 Jahre gedauert, bis man sich aus dem Schneckenhaus wagte).
Und ja: die Bordeaux-Welt wird spannender, keine Frage. 2018 wird, da bin ich mir sehr sicher, den einen odern anderen Kritiker hier im Forum früher oder später positiv überraschen. Ich freue mich jedenfalls auf die Weine in ca. 10-25 Jahren und schlürfe zwischenzeitlich den einen oder anderen 82er mit Genuss.
Weinfreundliche Grüsse
Adrian