Sa 7. Sep 2013, 11:34
Hallo zusammen,
gestern haben Michael Q., George und ich kurzfristig eine kleine Runde einberufen, um zusammen ein paar Flaschen zu köpfen. Die Wahl fiel auf ein paar trockene Rieslinge aus 2001 und 2002, ohne dass wir uns aber jeweils gesagt hätten, wer was auf den Tisch stellt. Als Gastgeber habe ich mir keine Notizen gemacht außer im Kopf, deshalb sind meine folgenden Eindrücke etwas schemenhaft, aber vielleicht können Michael und George auch noch ihre Eindrücke hinzufügen.
Los ging es mit einem blind eingeschenkten bernsteinfarbenen Wein, bei dem eigentlich klar war, dass er nicht aus 2001 oder 2002 stammen konnte. Die Tipps gingen von 30 Jahre alt bis 50 Jahre alt. Rheingau wurde recht flott erraten. Der Wein war natürlich vom Alter geprägt, aber bei solchen Weinen gewöhnt man sich finde ich schon recht schnell an leicht oxidative oder madeira-artige Töne und kann sich dem Kern widmen. Und der war hier quicklebendig. Etwas Frucht war noch da, eine sehr kräftige Säure. Keine Ahnung, ob der Wein mal halbtrocken oder fruchtsüß war, jetzt war er jedenfalls hors categorie, aber in Richtung trocken.
Als aufgelöst wurde, staunten wir nicht schlecht. Es war ein
1947 Steinberger Kabinettwein von den
Hessischen Staatsweingütern, wobei damals "Kabinett" oder "Cabinet" Schatzkammer bedeutete.
Dann wurde es aber jünger. Wein zwei hatte einen elenden Bröselkorken, musste also in die Karaffe gefiltert werden. Aber das Karaffieren war eh notwendig, denn der Wein war zunächst ziemlich zu und noch leicht reduktiv in der Nase. Die Luft tat ihm wirklich gut. Nach etwas Rumraten näherten wir uns dem Kern. Da George den Wein mitgebracht hatte und ich weiß, dass er Breuer-Fan ist, rieten wir recht flott Breuer. Ich dachte dass es der Berg Schlossberg wäre. Es war aber der
2001 Rauenthaler Nonnenberg (Monopol) von
Georg Breuer, ein straffer, schlanker, kräuter- und steingeprägter Riesling der kargen Art. Wunderbar.
Dann wollte ich einen weiteren Rheingauer reinschieben, nämlich den
2001 Wallufer Walkenberg Riesling Spätlese Trocken von
J.B. Becker, bei dem sich aber recht schnell herausstellte, dass er korkte. Schade.
Sodann war Michael dran mit einem Zweier-Flight. Der erste der beiden Weine war ziemlich schnell identifizierbar als ganz großer Riesling der allerbesten Art. Daran hatte am Tisch keiner Zweifel. George gelang es doch tatsächlich, den Wein ohne auch nur einen einzigen Annäherungsversuch als
Monziger Halenberg von
Emrich-Schönleber zu identifizieren. Das ergab absolut Sinn. Erstaunlich: diesen Wein rät bei Blindproben eigentlich immer irgendjemand blind, ein absoluter Individualist. Und dazu einfach ein ganz großer Riesling, mineralisch, messerscharf, straff, dabei aber trotzdem sinnlich. Beim zweiten Wein des Flights waren wir uns nicht so sicher. Er war etwas gefälliger, nicht so präzise, etwas breiter. Ein sehr guter Riesling, keine Frage, aber hier war leider das Bessere der Feind des Guten. Was hatten wir also im Glas?
2002 Monzinger Halenberg Riesling Spätlese Trocken und
2002 Monzinger Frühlingsplätzchen Riesling Spätlese Trocken von
Emrich SchönleberNach diesen wunderbaren Weinen legten wir eine kleine Esspause ein mit einer Pasta mit getrockenten und frischen Steinpilzen. Dazu floss ein goldgelber Wein ins Glas, ein Kontrastprogramm zu den straffen, mineralikgeprägten Weinen von Emrich-Schönleber und Breuer. Der Wein passte toll zu den Pilzen, er war offen wie ein Scheunentor und hatte von allen Weinen des Abends die deutlichsten Reifenoten. Ich hatte ihn aber auch schon am Morgen geöffnet und doppelt dekantiert (wegen Bröselkorkens). Der Wein läutete eine kleine Reihe von fünf 2001er und 2002er G.C. Rieslingen von
Dr. Bürklin-Wolf ein, was ich den anderen aber erst am Ende eröffnete. Bürklin-Wolf wurde aber schon beim zweiten Wein der Reihe richtig geraten. Der erste Wein war der
2001 Ruppertsberger Gaisböhl G.C.Der nächste Wein war zunächst etwass krass - barock und füllig wie ein Zind-Humbrecht Wein. Neben dem Wort "wolllüstig" fiel auch noch der Rubens-Vergleich. Für einen Gast war das schon beim ersten Schluck der Wein des Abends, aber wir anderen waren anfangs etwas skeptisch. Diese Trockenaprikosennoten und die leichte Restsüße, das war zu diesem Zeitpunkt einfach etwas heftig. Später beim Nachprobieren gingen wir aber alle in unserer Einschätzung immer weiter nach oben, der Wein gewann von Minute zu Minute, obwohl er schon recht warm serviert wurde und ausreichend Luft bekommen hatte. Fest stand am Ende für alle: mit dem
2002 Deidesheimer Hohenmorgen G.C. ist Bürklin-Wolf ein wirklich großartiger Wein gelungen. Der ist jetzt mit ausreichend Belüftung trinkreif.
Beim nächsten Wein war es eher umgekehrt. Von dem waren anfangs alle am Tisch begeistert, am Ende auch, aber er hat nicht mehr dazugewonnen. Beim
2002 Forster Jesuitengarten G.C. bin ich auch der Meinung, dass der lieber noch ein paar Jahre liegen sollte. Mit seiner Hefigkeit war er fast noch jugendlich und seine großartige Struktur verspricht noch viel für die Zukunft.
Dann hatten wir am Ende noch eine Zweierreihe, die aber keiner am Tisch (außer mir, der wußte, welche Weine es sind) anfangs zuordnen konnte. Eher wurde der zweite Wein als der ältere Bruder des Jesuitengartens gehalten. Aber nach dem Aufdecken und nachdem wir beiden Weinen noch etwas mehr Luft und Temperatur geben durften passten die beiden Weine schon gut zusammen. Gelbe Würze, damit kann man den
2002 Forster Kirchenstück G.C. und den
2001 Forster Kirchenstück G.C. auf den Punkt bringen. Das ist weniger die leicht scharfe gelbe Würze, die man in den Vin Jaunes aus dem Jura findet, sondern eher eine weiche und samtige gelbe Würze, die vor allem an Safran erinnert. Der 2002er war auch noch deutlich zu jung, der 2001er jetzt allerdings schon schön zu trinken, wenn auch noch mit Reserven. Wenn man sie bei 13-14° C trinkt, sind diese Weine übrigens nicht zu warm.
Damit war dann Schluss mit den trockenen Rieslingen. Zum Dessert, einer Reineclaudentarte, gab es noch eine
1976 Rauenthaler Rothenberg Riesling Auslese von
Schloss Eltz, der ganz wunderbar war, reif, sehr fein ausziseliert, mit großer Finesse. Eine Notiz reiche ich nach, denn in der Flasche ist noch gut die Hälfte drin.
Die Probe zeigte mal wieder, wie gut die Großen Gewächse (oder damals noch trockenen Spätlesen) aus guten Jahrgängen und von guten Erzeugern sich entwickeln. Ich muss mich ja offen gesagt immer zurückhalten, nicht jetzt schon 2007er aufzumachen. Aber es lohnt sich, mit 10+ Jahren auf dem Buckel haben Weine wie die Bürklin-Wolfs, Schönlebers und Breuers einfach noch mehr Komplexität. Und ich möchte auch mal behaupten, dass ihr Charakter etwas besser rauskommt als in der Jugend. Kein einziger 2001er oder 2002er des Abends machte den Eindruck, als müsste man ihn in den nächsten drei oder vier Jahren austrinken. Im Gegenteil: 2002 Jesuitengarten oder 2002 Kirchenstück von Bürklin-Wolf, eigentlich aber auch der 2001 Breuer Nonnenberg wirkten eher zu jung als zu alt. Es war jedenfalls ein großartiger Abend.