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Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

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Birger

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Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 10:55

Kultstatus hatte der Heppenheimer Stemmler Riesling trocken der Bergsträßer Gebietswinzergenossenschaft sowohl in der Literflasche als auch als Kabinett, der regelmäßig als der Wein der Bergsträßer beworben wurde. Stemmler ist übrigens eine Einzellage, keine Großlage. Nun kann man der aktuellen Liste der Genossenschaft entnehmen, dass diese Weine nicht mehr angeboten werden; "Ersatz" ist in der Literflasche ein Bergsträßer Riesling, der also auch Weine aus anderen Lagen enthalten kann. Begründet wird dies mit weinrechtlichen Vorgaben.

Soweit mir bekannt, haben sich die VDP-Weingüter durchgesetzt, dass Lagenbezeichnungen nur noch Spitzenweinen vorbehalten sein sollen. Damit entfällt jedoch bei normalen Weinen eine wichtige Möglichkeit der Differenzierung. Der VDP betreibt hier nach meiner Einschätzung eine systematische Nivellierung der normalpreisigen Weine, um seine Luxusweine in einem umso helleren Licht strahlen zu lassen. Ebenfalls fragwürdig ist die Politik des VDP, keine trockenen Kabinettweine mehr anzubieten - ein Orts- oder Gutswein hat nicht die Qualität eines Kabinettweins, da er vor der Gährung gezuckert werden darf.

Vielleicht sollte man eine Petition mit dem Ziel starten, generell wieder Lagenbezeichnungen zuzulassen. Dies würde kleine Winzer und Genossenschaften stärker. Das Weingesetz wurde noch von der Groko erlassen; vielleicht ist die Ampel Wünschen der Verbraucher und vieler Erzeuger aufgeschlossener.
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UlliB

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 12:20

Zunächst einmal: was der VDP macht, ist Sache des VDP, und nur für dessen Mitglieder verbindlich. Nichtmitglieder können sich an den Regularien des VDP orientieren, und tatsächlich tun das auch immer mehr Betriebe. Aber diejenigen, die das nicht wollen, müssen das keineswegs.

Insofern kann die Bezeichnung "Kabinett" selbstverständlich von VDP-Nichtmitgliedern weiter verwendet werden, auch für trockene Weine, und etliche Erzeuger tun das auch nach wie vor.

Ich habe im neuen Weingesetz keine spezifischen Vorgaben gefunden, die die Verwendung von Lagenbezeichnungen auf Spitzenweine beschränken. Die jeweiligen individuellen Regelungen sind den Bundesländern überlassen. Ich bin zu faul, mich jetzt in die Rechtsverordnungen des Landes Hessen einzulesen, aber z.B. in Rheinland-Pfalz gibt es auch noch "qualitativ einfache" Lagenweine aus 2022, d.h. es gibt kein generelles im Weingesetz verankertes Lagenverbot für Kabinette oder einfachere Literweine. Sollte das in Hessen anders sein, müsste sich die Petition an die dortige Landesregierung richten, und nicht an die "Ampel".

Gruß
Ulli
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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 12:39

Birger hat geschrieben:Soweit mir bekannt, haben sich die VDP-Weingüter durchgesetzt, dass Lagenbezeichnungen nur noch Spitzenweinen vorbehalten sein sollen.
...der VDP nimmt zwar auch Einfluß auf die Gesetzgebung und Verordnungslage, aber hier wüßte ich nicht, was der VDP damit zu tun haben soll. Ich gehe eher davon aus, daß hier die im allgemeinen Weinrecht verankerte Begrenzung eines Höchstertrags je Hektar greift. Die Schutzgemeinschaften können gemäß den Festlegungen in den Landesverordnungen festlegen, welcher Höchstertrag zulässig ist, damit die Nennung einer Lage erlaubt ist; überschreitet man diese Grenze, fällt man automatisch mindestens in die Ortsweinebene zurück. Das können z.B. 80 oder 100 hl/ha sein, entweder ist die Grenze für diese Lage angepaßt worden oder die Genossen wollen einfach mehr Wein machen und fallen so aus dem Raster...
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Kleiner_Pirat

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 17:04

EThC hat geschrieben:Die Schutzgemeinschaften können gemäß den Festlegungen in den Landesverordnungen festlegen, welcher Höchstertrag zulässig ist, damit die Nennung einer Lage erlaubt ist; überschreitet man diese Grenze, fällt man automatisch mindestens in die Ortsweinebene zurück. Das können z.B. 80 oder 100 hl/ha sein, entweder ist die Grenze für diese Lage angepaßt worden oder die Genossen wollen einfach mehr Wein machen und fallen so aus dem Raster...


Richtig, und in der Schutzgemeinschaft hessische Bergstraße hat der VDP mit 32ha gegenüber den starken Genossenschaften mit 287ha (über 50% der Gesamtanbaufläche) aus meiner Sicht nicht viel zu melden.
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Kleiner_Pirat

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 17:19

Birger hat geschrieben: Ebenfalls fragwürdig ist die Politik des VDP, keine trockenen Kabinettweine mehr anzubieten - ein Orts- oder Gutswein hat nicht die Qualität eines Kabinettweins, da er vor der Gährung gezuckert werden darf.


Während man über die Verwendung von Lagenbezeichnungen sicher streiten kann (wobei ich da schon für klarere Qualitätskriterien wäre - Vorbild Frankreich), würde ich es sehr begrüßen, hätte man im trockenen Bereich die Angabe von Prädikaten verboten. Sie machen keinen Sinn. Anreicherung ist bei trockenen Weinen gang und gäbe, ganz sicher auch bei VDP GG, da der Lesezeitpunkt immer wichtiger wird. Die physiologische (geschmackliche) Reife ist entscheidend und nicht eine Zuckerreife. Gerade, weil 14% Wuchtbrummen nicht sehr gefragt sind, wird frühestmöglich gelesen und dann ggf. etwas angereichert, wenn man etwas mehr Alkohol haben möchte. Da bei den Prädikaten der Weg nach unten immer frei ist, kannst Du auch eine Auslese als Kabinett etikettieren (Vor der VDP internen Abschaffung der trockenen Prädikate kam das z. B. bei Künstler hier und da vor), was Dir als Trinker noch nicht mal die Garantie gibt einen leichten Wein im Glas zu haben.
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Kleiner_Pirat

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 17:29

Btw: Der Stemmler hier aus 2021 https://www.bergstraesserweinshop.de/Riesling/008P ist übrigens wenn er Knalltrocken wäre schon eine Spätlese und kein Kabinett. Mit dem Restzucker haben vielleicht noch 3-4° Oechsle zur Auslese gefehlt.
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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 17:50

Kleiner_Pirat hat geschrieben:Anreicherung ist bei trockenen Weinen gang und gäbe, ganz sicher auch bei VDP GG
...unterschiedlich, z.B. in der Pfalz ist die Anreicherung bei weißen GG's verboten, bei roten nicht, an der Mosel ist's anscheinend generell erlaubt, in den anderen Regionalverbänden weiß ich's nicht. Kann aber auch sein, daß das schon wieder Schnee von gestern ist, der VDP ändert seine Regularien ja stündlich... :mrgreen:
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Ralf Gundlach

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 18:38

Ich würde mal einen anderen Ansatzpunkt wählen. Ich habe noch niemals von den Heppenheimer Stemmler gehört. Obwohl ich Lagen in Deutschland liebe und sie verfolge.
Qualitativ ist das Weinbaugebiet ziemlich abgetaucht. Und die Bergsträsser Gebietsgenossenschaft stand , um es mal ehrlich zu formulieren, noch niemals für qualitativ hochwertigen Wein.Eher Mittelmaß. Deswegen finde ich persönlich gerade den Thread für überflüssig. Das muss ich gerade mal loswerden. Auch wenn es arrogant klingt. Und davon abgesehen haben sich wahrscheinlich die Genossen auf den VDP-Zug geschmissen. Ist ja einfacher.

Gruß

Ralf
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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 19:00

...ich sehe das schon ein bißchen anders. Unabhängig davon wie gut oder schlecht ein Wein nun ist, wenn er genau aus einer klar definierten Lage stammt, sollte man die Herkunft auch nennen dürfen, "was wahr ist, darf man sagen" sollte ein selbstverständlicher Grundsatz sein, leider wird er von Bürokraten und Funktionären gerne negiert.

Auch wenn der "Heppenheimer Stemmler" im weltweiten "Weinbiz" keinerlei Rolle spielt, für die Leute vor Ort kann das komplett anders sein, die Identifikation mit der heimischen Lage im klein-klein-Umfeld sollte man m.E. nicht von oben herab aushebeln.

Nur weil ein Wein aus einer Lage stammt, ist er nicht besser als andere und nur weil ein Wein aus einer renommierten Lage stammt, muß er noch lange nicht gut sein. Diesen Kausalzusammenhang gibt's eigentlich nicht bzw. er ist künstlich gemacht, dieses "je kleiner, je besser"-Gerede ist nichts als gewollter Unfug. Klar, es gibt Lagen, die aufgrund ihres "Terroirs" deutlich bessere Chancen auf einen guten oder gar herausragenden Wein bieten als andere, deshalb gibt's ja auch eine Klassifizierung, im WG wurden ja die Ersten und Großen Gewächse nunmehr gesetzlich verankert, mal sehen, ob der "Heppenheimer Stemmler" da dazugehören wird, vermutlich aber eher nicht, jedenfalls gibt's dann ja schon mal einen Ansatz zur qualitativen Abstufung der Lagen, über das Ergebnis im Glas sagt aber auch das herzlich wenig aus, der Winzer ist es, der erst mal einen guten Job machen muß.

Also laßt den Heppenheimern ihren "Stemmler", egal wie gut oder schlecht der nun sein mag.
Viele Grüße
Erich

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Bernd Schulz

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMi 5. Apr 2023, 19:14

Kleiner_Pirat hat geschrieben:Während man über die Verwendung von Lagenbezeichnungen sicher streiten kann (wobei ich da schon für klarere Qualitätskriterien wäre - Vorbild Frankreich), würde ich es sehr begrüßen, hätte man im trockenen Bereich die Angabe von Prädikaten verboten....


Ein Winzer wie Martin Müllen, der ganz bewusst trockene Leichtweine macht und diese dann folgerichtig als Kabinette anbietet, sieht das ganz anders. Und ich sehe es auch ganz anders. Deutschland ist eben nicht Frankreich, das M-S-R-Gebiet ist nicht das Burgund.

Kleiner_Pirat hat geschrieben:Anreicherung ist bei trockenen Weinen gang und gäbe...


Eben nicht, wenn es sich um trockene Kabinette oder Spätlesen handelt. Dann weiß man als Konsument genau, dass auf Anreicherung verzichtet wurde.

Ehrlich gesagt kann ich die ewige Leier von der angeblichen Sinnlosigkeit von Prädikaten im trockenen Bereich nicht mehr hören. Sorry! :oops:

EThC hat geschrieben:...ich sehe das schon ein bißchen anders. Unabhängig davon wie gut oder schlecht ein Wein nun ist, wenn er genau aus einer klar definierten Lage stammt, sollte man die Herkunft auch nennen dürfen, "was wahr ist, darf man sagen" sollte ein selbstverständlicher Grundsatz sein, leider wird er von Bürokraten und Funktionären gerne negiert.

Auch wenn der "Heppenheimer Stemmler" im weltweiten "Weinbiz" keinerlei Rolle spielt, für die Leute vor Ort kann das komplett anders sein, die Identifikation mit der heimischen Lage im klein-klein-Umfeld sollte man m.E. nicht von oben herab aushebeln.


Ganz genau meine Meinung!

Herzliche Grüße

Bernd
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