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Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

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Ralf Gundlach

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragSo 9. Apr 2023, 21:00

Und jetzt bin ich so böse und klinke ich mich nochmal ein. Und das war ich ja durchaus am Anfang, weil ich die Lage Stemmler , die dem Weinfreund wichtig war, abgewertet habe. Weil es in der Tat niemals einen wirklich ansatzweise bekannten Wein aus der Lage gab. Und die Lage war auch nicht ansatzweise bekannt. Und zu meiner Aussage stehe ich, ohne wenn und aber. Und jetzt mal ehrlich: wer ist seitdem auf die Ursprungslage eingegangen? Mit Wertschätzung?..oder nicht . Ich glaube, nachdem wurde nur noch das Thema Kabinett trocken besprochen. Stilistik und co. Und das ärgert mich schon. Denn meine Äußerung wurde mit Kritik versehen. Ist ja grundsdätzlich okay. Aber wer ist danach auf die Lage eingegangen? Daran konnte man in meinen Augen sehen, wie nichtig das Thema des Threads war. Denn in so vielen anderen Threads kam man schnell zum Thema zurück, wurde regelrecht zurückgerufen. Thema verfehlt. Hier nicht. Ich war ganz selten wirklich regelrecht angep... aber das nervt mich wirklich. Denn letztendlich wird hier nur das Desinteresse an der Lage Stemmler geteilt, indem man sich auf das Thema Kabinett trocken schmeisst. Und jetzt mal ehrlich.wer will einen "Stemmler" trinken? Ich auf jeden Fall nicht. Das musste ich mal rauslassen.

Gruß

Ralf
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Udo2009

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragSo 9. Apr 2023, 21:18

amateur des vins hat geschrieben:... Wer irgendwie aus dem Etikett erahnen möchte, was ihn bei einem Wein erwarten könnte, ist engstirnig.

Tja, der Auffassung war der Senior-Chef des Weinguts Wilhelmshof in Siebeldingen auch. "Terroir, Terroir... was ist Terroir? Warum soll ein Wein, der links vom Weg wächst, anders schmecken, als der, der rechts vom Weg wächst...."
Inzwischen ist die Nachfolge-Generation am Ruder und Terroir ist wichtig.

Wenn auf einem Wein eine Lagenbezeichnung steht, die für (z. B.) Feuerstein im Untergrund bekannt ist, dann erwarte ich, dass der anders schmeckt, als die gleiche Rebsorte, die in einer Lage wächst, die für Schiefer im Untergrund bekannt ist.

Von daher ist die Lagen-/Herkunftsbezeichnung schon aussagekräftig....
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EThC

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMo 10. Apr 2023, 08:07

amateur des vins hat geschrieben:Auf Lagen- oder Orts Herkunftsbezeichnungen kann man verzichten.

...denn sie stellen nur ein Korsett dar und verhindern Vielfalt und Freiheit. Wer irgendwie aus dem Etikett erahnen möchte, was ihn bei einem Wein erwarten könnte, ist engstirnig.
..in gewisser Weise hast Du da durchaus recht, gerade so große Lagen wie Morstein, Lump oder auch das Goldtröpfchen wurden ja 1971 aus teils über 10 alten Einzellagen zusammengefaßt und ich unterstelle mal, daß das nicht immer so erfolgte, daß man nur Ex-Lagen mit vergleichbarem "Terroir" kombiniert hat. Die Namen der Lagen selbst sind aus vielerlei Gründen entstanden, die Teilung folgte eher Eigentumsverhältnissen, aber auch topologischen Abgrenzungen, sicher kaum bis gar nicht aufgrund geologischer Unterschiede. Dennoch erachte ich den Herkunftsgedanken für wichtig wie begründet, auch wenn sich daraus nicht unbedingt ein genaues Geschmacksbild ableiten läßt, ich hab selbst schon genügend Lagenvergleiche gemacht, bei denen höchst unterschiedliche Weine nebeneinander standen. Gerade deshalb finde ich, daß diese Bestrebungen, die Herkunftsbezeichnungen nur noch für diejenigen zugänglich zu machen, die sich in ein theoretisch enges, praktisch aber doch dehnbares Korsett zu pressen bereit sind, unlauter sind. Tatsächlich würde so für den Winzer die Entscheidung anstehen: Lagenwein oder "mein Wein". Die Lagenbezeichnungen sind historisch gewachsen, auch wenn vor 50 Jahren eine straffe Zäsur stattfand und man sollte diese nicht der Mehrheit der Weinschaffenden entziehen, völlig egal aus welchem Grund die Bezeichnung verwendet wird. Und wenn man die Lage einfach Lage sein läßt ("da kommt's her") und nicht krampfhaft versuchen würde, die Qualität fix daran zu binden, gäb's auch kein Problem.

Und nochmal: deshalb hat auch der "Stemmler" für mich seine Daseinsberechtigung, auch und gerade wenn er nur eine sehr eng begrenzte, lokale Bedeutung hat.
Viele Grüße
Erich

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amateur des vins

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMo 10. Apr 2023, 13:11

amateur des vins hat geschrieben:Auf Lagen- oder Orts Herkunftsbezeichnungen kann man verzichten.

...denn sie stellen nur ein Korsett dar und verhindern Vielfalt und Freiheit. Wer irgendwie aus dem Etikett erahnen möchte, was ihn bei einem Wein erwarten könnte, ist engstirnig.
Nur, damit sich hier keine Mißverständnisse dauerhaft manifestieren:

<sarcasm/>
<sarcasm/>
<sarcasm/>

Herkunftsbezeichnungen werden benötigt, und sei es nur von denen, die sich an den Erfolg anderer anhängen wollen.
Besten Gruß, Karsten
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Kleiner_Pirat

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMo 10. Apr 2023, 17:48

EThC hat geschrieben:Hmm, einerseits hältst Du einen Rebsortengenozid für notwendig, aber es gäbe ja noch genügend Raum für anderes; muß ich mir das als so eine Art Freakshow für entartete Sorten in einem Rebsortenzoo vorstellen, der dann in einer fünftklassigen Lage installiert wird, wo sonst eh keiner was anbauen will?


Also bei den Wörtern Genozid und entartet auch im Rebsortenkontext ist für mich die Diskussion zu dem Thema definitiv beendet. Ich bin eher überrascht, wie in einer Diskussion unter Weinfreaks um hypothetische Entwicklung von Markt und Bezeichnungsrecht solche verbalen Geschütze aufgefahren werden.
Ich habe ja verstanden, dass zumindest UliiB als auch EThC sämtliche Weinmarktregulierung entweder ablehnen oder zumindest keine Veränderungen zum Status quo als sinnvoll erachten. Das ist ja auch okay. Eigene Alternativideen bezüglich der von mir ja auch ausführlich skizzierten Problematiken am Deutschen Weinmarkt kamen jedenfalls nicht oder ich habe sie überlesen.

Nochmal kurz zu UlliB:

UlliB hat geschrieben: Die Vorstellung, dass Deutschland aus der EU austreten müsste, weil man sich bei einem absolut marginalen Thema wie dem Weinrecht nicht einigen könnte, ist wirklich völlig absurd. Man hätte auch schlicht und ergreifend gar nichts machen müssen, dann wäre das bis 2021 bestehende deutsche Bezeichnungsrecht als "traditionelle Bezeichnung" immer noch EU-konform gewesen, was zugegebenermaßen das Risiko beinhaltet hätte, dass ein wilder Parallelwuchs an neuen EU-konformen Bezeichnungen entsteht. Geschadet hätte das aber nichts, weil das alles nach mehr oder minder kurzer Zeit auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet wäre.


Die Aussage ist für mich weiterhin nicht nachvollziehbar. Das Weinrecht ist EU-Seitig beschlossene Sache, das Thema g.U. und g.g.A. steckt schon in der 2009er Weinmarktreform. Hinsichtlich der Bezeichnungen wurde auf Deutscher Seite ja sowieso nichts verändert und zudem darauf geachtet, dass die Tradtitionellen Begriffe wie Qualitätswein, Landwein, Winzersekt, Federweißer, Classic in der EU zur weiteren Verwendung geschützt wurden. Allerdings gibt es definitiv keine Chance von Deutscher Seite sich zum Beispiel dagegen zu wehren, dass sich Schutzgemeinschaften bilden, um g.U. oder g.g.A. mit Leben zu füllen - außer ggf. aus der EU auszutreten. Als Weingut Dr. Wobar hätte ich jedenfalls gegen Deutschland geklagt, wenn man mir meine PiWi-Sublandweinappellation (auf 4 Sorten eingeschränkt!) "Großräschener See" verweigert hätte. Auch in anderen Rechtsbereichen ist es ja nicht so, dass ich im EU-Recht mir die Dinge so heraussuchen kann wie sie mir passen. Auslegen hier und da ja, aber nicht umsetzen definitiv nicht.

UlliB hat geschrieben: Der Rest deines Beitrags ist der meiner Meinung nach völlig irrigen Annahme geschuldet, dass Regulierung und Standardisierung bessere Weine oder zumindest einen besseren Marktzugang bewirken. Das hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert, und Intensivierung oder Verschärfung von etwas grundsätzlich Dysfunktionellem führt nicht zu etwas Funktionellem.


Es tut mir wirklich leid, dass ich als regulierungsfixierter Weintrinker auch noch dazu neige laufend völlig irrige Annahmen zu treffen. Ich denke aber, ich habe im Thread schon genug Beispiele genannt, wo der Marktzugang sich für Produkte durch Einigung auf Qualitätsstandards, klare Produktionsprozesse und ein weitgehend gemeinsames Produkt deutlich verbessert hat bzw zu großem Erfolg geführt hat. Ich bin mir sehr sicher, dass es ohne Produktspezifikationen, Standardisierung und gemeinsames Handeln am Markt viele der kleinen französischen Käsesorten in der Qualität im Riesenmolkereiland Frankreich heute nicht mehr gäbe. Ich bin mir auch sicher, dass Parmigiano Reggiano ohne ein gemeinsames Agieren und Standardisieren der Produzenten nicht zum Exportschlager geworden wäre. Und im Wein denke ich auch nicht, das zum Beispiel Bordeaux ohne Gründung der Appellationen, Festhalten und ansatzweise standardisieren der Produktionsprozesse und Rebsortenbeschränkung in den Cuvees seit Beginn des 20. Jahrhunderts 100 Jahre so erfolgreich gewesen wäre (im Moment lässt sich von Erfolg ja leider so pauschal nicht mehr sprechen). Oder schau Dir Chianti Classico an. Von der touristischen Korbflasche zur respektablen Appellation.

@Birger: Es tut mir leid, dass wir Deinen Thread hier so gesprengt haben.

Cheers!
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EThC

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMo 10. Apr 2023, 17:59

Kleiner_Pirat hat geschrieben:Also bei den Wörtern Genozid und entartet ist für mich die Diskussion zu dem Thema definitiv beendet.
...ich habe die Worte bewußt verwendet, weil ich etwas gegen die Weichwascherei bzw. Schönrederei der eigentlichen Vorhaben setzen wollte. Genauso wie die Architektenentwürfe mit ihren Schummerungen etc. immer allerliebst aussehen und am Ende steht da dann doch nur ein postinfantiler Klotz in Rasterarchitektur in der Landschaft rum, der kein Stück Leben vermittelt...
Viele Grüße
Erich

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UlliB

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Re: Den Wein der Bergsträßer gibt es nicht mehr

BeitragMo 10. Apr 2023, 19:05

Kleiner_Pirat hat geschrieben: Und im Wein denke ich auch nicht, das zum Beispiel Bordeaux ohne Gründung der Appellationen, Festhalten und ansatzweise standardisieren der Produktionsprozesse und Rebsortenbeschränkung in den Cuvees seit Beginn des 20. Jahrhunderts 100 Jahre so erfolgreich gewesen wäre (im Moment lässt sich von Erfolg ja leider so pauschal nicht mehr sprechen).

Dann doch noch einmal kurz, weil dieses Beispiel wirklich wunderschön passt.

Seit über zwei Jahrzehnten wird mehr als die Hälfte der Produktion des Bordelais im Supermarkt oder Discounter zu Preisen von unter 5 Euro die Flasche verramscht. Wohlgemerkt: das ist alles AOC, und damit g.U., die höchste Qualitätskategorie der EU, mittels cahiers des charges je nach Herkunft produktionstechnisch eng bis sehr eng reguliert. Das Ergebnis: qualitativ sind diese Weine irgendwo zwischen sehr mäßig bis direkt schlecht, häufig ohne jeden Herkunftscharakter, manchmal nur noch eine groteske Karikatur der Herkunft. Und wirtschaftlich so erfolglos, dass inzwischen die Winzer selbst meinen, dass über 10% der Anbaufläche (alles AOC Fläche) stillgelegt werden muss (natürlich gegen Entschädigung).

Auf der anderen Seite: die 1855er Klassifikation entstand 80 Jahre bevor da irgendwelche Bürokraten meinten, Produktionsregeln für das Gebiet festlegen zu müssen. Die Weine hatten Weltruhm , ohne dass da irgendjemand per AOC vorgeschrieben hätte, was da wie zu produzieren ist. Den sektoral immer noch vorhandenen Erfolg des Gebietes den AOC-Regeln zuzuschreiben, ist wahlweise Blindheit oder Dummheit geschuldet. Denn dann müsste man den parallel ebenso existierenden völligen Misserfolg den selben Regeln zuschreiben.

Was im Bordelais passiert bzw. passiert ist, könnte man als Menetekel der gesammten verirrten Idee der EU im Hinblick auf Herkunftsbezeichnungen ansehen. Aber mit Bürokraten ist es immer das selbe: scheitert die Bürokratie, liegt es daran, dass es nicht genug davon gibt oder diese nicht streng genug angewendet wird. Dass die ganze Idee fehlerhaft ist, darauf kommt man selbstverständlich nicht. Wer stellt schon seinen eigenen Daseinszweck in Frage...

Gruß
Ulli
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