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Preisentwicklung 2022/2023

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Ollie

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 14:16

Michl hat geschrieben:Winzer, die vermeintlich noch als Weinbauern auftraten, spielen mittlerweile die hohe Karte


Ganz Burgund (und Winzerchampagner) funktioniert nach diesem Prinzip; es ist doch kein Zufall, daß die neue Generation Weintrinker (nennen wir sie mal der Einfachheit halber "Hipster") als ganz durchurbanisiertes Publikum sich nach dem Narrativ der Authentizität sehnt - währned das pöhse Pordeaux ja völlig "under corporate control" und deshalb ibäh ist. Im Burgund stinkt der Winzer halt noch nach dem Schweiße seines Angesichts und kommt in Gummistiefeln zur Probe ("Zu kaufen gibt's aber nix, wir machen nur einen 50-Liter-Ballon!"), wo der glatte, anglophile Aristokrat seinen Wein tausendhektoliterweise "machen" und dann auch noch "lässt".

Andererseits muss man aber auch einräumen, daß sich ein Jungwinzer wie etwa Saalwächter doch nicht die Barbourjacke schmutzig macht, wenn er für seinen Superpinot nur 50 Euro bekommt. Würde ich auch nicht. Quersubvetionierung wie etwa bei Gutsweinen geht da nicht so gut, also muss alles als Profit-Center aufgezogen werden.

Und bevor jemand Grünhaus, Weil oder BSKG+ verdammt: Müllen und Loch nehmen mittlerweile auch ein Heidengeld mehr. Vielleicht ohne Marketing, aber mein Geld ist dennoch weg.

Cheers,
Ollie
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Bernd Schulz

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 14:36

Ollie hat geschrieben:Müllen und Loch nehmen mittlerweile auch ein Heidengeld mehr. Vielleicht ohne Marketing, aber mein Geld ist dennoch weg.


Um es klar zu sagen: Die Preisentwicklung bei den Müllens gefällt mir gar nicht! Aber immerhin gibt es dort noch keinen Pinot mit 15 Umdrehungen zu subsen.....

Und bei den Lochs habe ich vor etwa drei Jahren noch mal 6 Pullen Gutsriesling zum Freundschaftspreis gekauft (der Wein war sein Geld übrigens locker wert); ansonsten bin ich da schon lange raus.

Dem Hörensagen nach sind übrigens weder Martin Müllen noch Manni Loch besonders glücklich über die Art von Klientel, die mittlerweile verstärkt bei ihnen vorfährt. Tja, die Geister, die ich rief...

Herzliche Grüße

Bernd
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Ollie

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 15:48

Bernd Schulz hat geschrieben:Dem Hörensagen nach sind übrigens weder Martin Müllen noch Manni Loch besonders glücklich über die Art von Klientel, die mittlerweile verstärkt bei ihnen vorfährt. Tja, die Geister, die ich rief...


Ah, dann sind die krassen Preiserhöhungen, die Müllen bei den Weinen durchführt, die bei den Kritikern punktemäßig voll abgesahnt haben, also die Rache an der Klientel. :shock: :lol:

Cheers,
Ollie
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harti

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 17:40

Was ich immer wieder erstaunt, dass die Diskussion über die Preise immer nur von der Nachfrageseite geführt wird. Die Kostensituation der Weinproduzenten wird dabei ausgeblendet.

Habt Ihr Euch mal vor Augen geführt, dass der Mindestlohn im letzten Jahr im Vergleich zum 1.1.21 um 26,3 % angetiegen ist? Und habt Ihr Euch mal die Kostenentwicklung für landwirtschaftliche Produktionsmittel angesehen? In 2022 lag der Preisanstieg bei deutlich über 20 %! Und von Glasflaschen gar nicht zu reden, die sind gleich bis zu 40 % teurer geworden.

Auch Weinbaubetriebe müssen irgendwie über die Runden kommen und da die preiswerten Abfüllungen (Liter-/Gutsweine) in einem harten Wettbewerb stehen, bleiben nur noch die Edelcuvées, um Mehrumsätze zu generieren.

Grüße

Hartmut
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Weinschlürfer

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 17:51

harti hat geschrieben:Was ich immer wieder erstaunt, dass die Diskussion über die Preise immer nur von der Nachfrageseite geführt wird. Die Kostensituation der Weinproduzenten wird komplett ausgeblendet. Habt Ihr Euch mal vor Augen geführt, dass der Mindestlohn im letzten Jahr im Vergleich zum 1.1.21 um 26,3 % angetiegen ist? Und habt Ihr Euch mal die Kostenentwicklung für landwirtschaftliche Produktionsmittel angesehen? In 2022 lag der Preisanstieg bei deutlich über 20 %! Und von Glasflaschen gar nicht zu reden, die sind gleich bis zu 40 % teurer geworden. Auch Winzerbetriebe müssen irgendwie über die Runden kommen und da die preiswerten Abfüllungen (Liter-/Gutsweine) in einem harten Wettbewerb stehen, bleiben nur noch die Edelcuvées, um Mehrumsätze zu generieren.

Grüße

Hartmut



Aber glaubst du denn, dass dies Preisteigerungen bei manchen Weingütern von teilweise 30-70 % in nur wenigen Jahren bedingt? Auch hat nicht jedes privatgeführte Weingut die gleichen Kostenstrukturen wie ein quasi "konzerngeführtes" (Bsp -> Vertriebskosten). Auch sind bestimmte Kosten auch nicht einfach 1:1 umzulegen in Prozenten, sondern die nomimalen Kosten (in Euro) verteilen sich auf die ganze Flaschenanzahl.
Es ist also mal so und mal so.

Fakt ist -> Die Gesamtkosten sind - meistens (Ausnahmen gibts immer)- bestimmt nicht um 25 % dieses Jahr gewachsen. Egal was ein Betrieb sagt. Auch haben bereits etablierte Betriebe Vorteile, da sie ein Haufen Produktionsmaschinen und anderweitige Güter bereits besitzen und nicht direkt neu beschaffen müssen.

Gerade bei den Weinen die "uns" intressieren - heisst grob gesagt Flaschen ab 20 Euro aufwärts ? - sind die tatsächlichen nomimalen Kostensteigerungen pro Flasche sicherlich nicht der entscheidende Preistreiber.

Eher Nachfrage / Strategie des Weingutes.

Will ich mich anders positionieren und mir eine neue repräsentative Heimstätte erbauen,
muss ich bestimmt anders agieren als wenn ich weiter wie bisher "machen" möchte.

Dein Hinweis mit den Basisflaschen vs. Spitzenweine mit Umsatzpotential stimmt natürlich. Allerdings sehe ich hier ja auch Preissteigerungen bei den renomierten Betrieben. Ich kann da nicht erkennen, dass viele Kosten geschluckt werden. Die holen sich die Kosten schon rein. 50 Cent mehr beim Basiswein ergeben bei vielen Flaschen auch schon so einiges....

Kann mich natürlich auch täuschen. Aber das ist mein Eindruck.


-----Exkurs ----

Anderes Bsp.: Meine Buchhaltungssoftware ist jetzt 30% teurer gewordenim Abo. Letztes Jahr wurde schon mal erhöht. Ich glaube kaum, das hier die MA (die Hauptkosten bei Softwarefirmen) solche Mehrverdienste haben. Und auch der Strom ist nicht in dieser Weise gestiegen, wenn man die tatsächlichen nominellen Kosten auf alle Kunden umlegt.

Da wird einfach genommen was geht.
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Michl

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 18:11

Weinschlürfer hat geschrieben:Eher Nachfrage / Strategie des Weingutes.


Exakt! Vor allem Letzteres! Aber wie ich oben schon sagte, diese Strategie geht auf und ist deshalb aus Perspektive der Weingüter rational.

Preissteigerungen aufgrund gestiegener Kosten sind völlig legitim. Es geht hier zumindest mir aber um die Frage, wie man die Positionierung von Wein als Luxusgut bewertet. In diesem Kontext ist folgende argumentative Koppelung, lieber Hartmut, nicht nur irreführend, sie ist gesellschaftpolitisch sogar hoch bedenklich:

harti hat geschrieben:Habt Ihr Euch mal vor Augen geführt, dass der Mindestlohn im letzten Jahr im Vergleich zum 1.1.21 um 26,3 % angetiegen ist?


harti hat geschrieben:Auch Weinbaubetriebe müssen irgendwie über die Runden kommen


Ich erinnere nur an die perfide Kampagne der Initiative neue Soziale Marktwirtschaft zum Mindestlohn im Jahr 2014, die sich im Nachhinein als völlig unhaltbar herausgestellt hat. Der Mindestlohn ist nicht das Problem! Aber ich will nicht weiter politisieren, das ist hier dann doch eher fehl am Platz.
Viele Grüße

Michl
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sorgenbrecher

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 18:59

Bezogen auf Deutschland verstehe ich die Aufregung nicht. Es gibt vielleicht gut zwei dutzend Weingüter, die in das Luxussegment vorstoßen, oder vorstoßen wollen. Wenn man bereit ist die Preise zu zahlen, dann passt es für beide Seiten, wenn nicht, dann hat man aber eine Vielzahl von Alternativen, die weiterhin extrem attraktive Preise bieten. Das ist doch hier nun wirklich kein Problem! Never explain, never complain...niemand zwingt doch den Konsumenten, diese Weine zu diesen Preisen zu kaufen. Alternativen gibt es wie Sand am Meer.
Im Burgund und im Piemont, mit Einschränkungen im Bordeaux, sieht es anders aus!
Gruß, Marko.
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Rieslingfan

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 19:00

harti hat geschrieben:Was ich immer wieder erstaunt, dass die Diskussion über die Preise immer nur von der Nachfrageseite geführt wird. Die Kostensituation der Weinproduzenten wird dabei ausgeblendet.
Hallo Hartmut,

mir ist durchaus bewusst, dass auch die Weinbaubetriebe von der Allgemeinen Preissteigerung betroffen sind und diese logischerweise an die Kunden weitergeben.

harti hat geschrieben:Habt Ihr Euch mal vor Augen geführt, dass der Mindestlohn im letzten Jahr im Vergleich zum 1.1.21 um 26,3 % angetiegen ist?
Wobei die aus meiner Sicht absolut gerechtfertigte Lohnerhöhung erst ab 01.10.2022 in Kraft getreten ist und die Lese des Jahrgang 2022 zu diesem Zeitpunkt bereits mehrheitlich abgeschlossen war.

harti hat geschrieben:Auch Weinbaubetriebe müssen irgendwie über die Runden kommen und da die preiswerten Abfüllungen (Liter-/Gutsweine) in einem harten Wettbewerb stehen, bleiben nur noch die Edelcuvées, um Mehrumsätze zu generieren.
Als preiswert bezeichne ich die Gutsweine im Allgemeinen inzwischen nicht mehr. Ich gehe davon aus, dass die Erzeuger mit den Gutsweinen durchaus einen nicht zu unterschätzenden Gewinn machen, so zumindest meine Vermutung.

Zudem habe ich den Eindruck, dass zumindest renommierte Weingüter keinerlei Probleme haben um über die Runden zu kommen.
Gruß Markus
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jessesmaria

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 19:20

Da hab ich ja was losgetreten. :lol:

Falls die Ausgabenseite betrifft, würde ich sagen: Die Erntehelfer profitieren von dem Preisaufschlag beim 75€-Pinot Noir sicher am wenigsten, und dass die Glasflasche jetzt 50 cent mehr kostet, tut da wohl auch nichts zur Sache.
Ich denke, es ist auch eine Kettenreaktion: Wenn ein im Rampenlicht stehendes Mosel-Weingut seinen Kabinett etwa von 17 auf 24€ erhöht, wird damit natürlich auch der 17€-Kabinett aller anderen (Spitzen-)Weingüter entwertet. Der (naive) Kunde denkt natürlich (häufig sicher unbewusst, wie das beim Kaufverhalten ja oft ist), dass er für die 24 gegenüber den 17€ noch das entscheidende Quäntchen Qualität mehr bekommt bzw. dass der 17€-Wein vielleicht nicht ganz zur Spitze gehöre. Und wenn man das Beste eines Typus haben möchte, dann zahlt man eben die 7€ mehr, denn absolut gesehen treibt einen das ja auch Mittelschichtler nicht in die Armut.

Michl hat geschrieben:Bedauern kann ich nur, dass es Menschen möglich ist, für so etwas letztlich Unwichtiges wie Wein derartig viel Geld auszugeben. Aber das ist ein politisches Problem, das schon seit Jahren nicht hinreichend angegangen wird (Achtung: Wegfall der Vermögensteuer unter Schröder) und heute zu einer Vermögensverteilung in der Gesellschaft führte, die nur noch pervers ist, aber z.T. radikale Folgen für uns alle mit sich brachte.


Da wäre zu fragen, ob das nicht zu national gedacht ist. Sind denn die Abnehmer des Luxussegments überhaupt überwiegend Deutsche? Oder treiben etwa reiche Chinesen (eine stark anwachsende Gruppe) die Preise? Warum ist es dann in anderen Ländern z. T. ähnlich? ("Einstiegs"-Barolos von guten Weingütern kosten teilsweise nun auch 100 statt wie vor einigen Jahren noch 50 €).

sorgenbrecher hat geschrieben:Bezogen auf Deutschland verstehe ich die Aufregung nicht. Es gibt vielleicht gut zwei dutzend Weingüter, die in das Luxussegment vorstoßen, oder vorstoßen wollen. Wenn man bereit ist die Preise zu zahlen, dann passt es für beide Seiten, wenn nicht, dann hat man aber eine Vielzahl von Alternativen, die weiterhin extrem attraktive Preise bieten. Das ist doch hier nun wirklich kein Problem! Never explain, never complain...niemand zwingt doch den Konsumenten, diese Weine zu diesen Preisen zu kaufen. Alternativen gibt es wie Sand am Meer.


Das sehe ich nicht so. Wenn die geliebten Weingüter, denen man Jahre bis Jahrzehnte treu geblieben sind und stets die kompromisslose Qualitätsspitze ihres Terroirs bildeten, nun allesamt auf den Luxusmarkt setzen, fällt es nicht unbedingt leicht, stets ein qualitativ äquivalentes No-Name-Gut als Ersatz zu finden. An der Ruwer z. B. kommt m. E. an Grünhaus+Karthäuserhof nichts heran (außer vielleicht Breiling, der nun wieder im Team beim Karthäuserhof mitwirkt und selbst nichts mehr verkauft).
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EThC

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Re: Preisentwicklung 2022/2023

BeitragSo 30. Apr 2023, 20:26

harti hat geschrieben:Auch Weinbaubetriebe müssen irgendwie über die Runden kommen und da die preiswerten Abfüllungen (Liter-/Gutsweine) in einem harten Wettbewerb stehen, bleiben nur noch die Edelcuvées, um Mehrumsätze zu generieren.
...in Zeiten mit höherer Inflation nehmen bei mir naturgemäß die Projekte zu, in denen es um Kostenoptimierungen, Effizienzsteigerungen etc. geht. Ich vermute mal, daß da bei nicht wenigen Weingütern noch einiges an Potential schlummert und wenn's nur solche Maßnahmen wie leichtere und damit günstigere Flaschen, Optimierung beim Verschluß etc. sind. Am bequemsten ist es natürlich, einfach so weiterzumachen wie bisher, wenn man in der glücklichen Lage ist, genügend Kunden zu haben, die die "as is"-Mehrkosten tatsächlich vermeintlich klaglos schlucken...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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