Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 17:34


Genossenschaftsweine

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

robertz

  • Beiträge: 274
  • Bilder: 1
  • Registriert: Mi 8. Dez 2010, 17:15
  • Wohnort: Wien

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 17:45

Also kurz zusammengefasst:
Deutsche WG produzieren einfach Massenwein für (deutsche) Konsumenten, die sich nichts anderes leisten wollen oder können und diesen auch in dieser Form schätzen Somit könnte man ja sogar von einer Win–Win–Situation sprechen. :lol:
Und alle, die sich auskennen, machen einen großen Bogen rundherum :P

Das es auch anders geht, sieht man in anderen Ländern, wo auch zig meist Nebenerwerbsweinbauern einen anderen Weg eingeschlagen haben und vorleben 8-)

Schöne Grüße aus Wien, Robert
Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte. ;)
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4516
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 18:08

robertz hat geschrieben:Also kurz zusammengefasst:
Deutsche WG produzieren einfach Massenwein für (deutsche) Konsumenten, die sich nichts anderes leisten wollen oder können und diesen auch in dieser Form schätzen Somit könnte man ja sogar von einer Win–Win–Situation sprechen. :lol:
Und alle, die sich auskennen, machen einen großen Bogen rundherum :P

So böse es klingen mag: ich halte genau das für eine völlig realistische Einschätzung der Lage.

Und ich sehe auch keine Möglichkeit, dass sich daran grundlegend etwas ändert. Der Weinmarkt in Deutschland ist gesättigt, da herrscht reiner Verdrängungswettbewerb, und das meiste davon geschieht im Niedrigpreisbereich. Da ist kein Platz mehr für eine breit angelegte Qualitäts- und Preisoffensive der Genossenschaften.

Gruß
Ulli
Offline
Benutzeravatar

robertz

  • Beiträge: 274
  • Bilder: 1
  • Registriert: Mi 8. Dez 2010, 17:15
  • Wohnort: Wien

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 18:21

Wobei man hinzufügen kann, das in anderen Ländern diese Massenproduktion auch existiert, aber oft in großen Weinfabriken (als Kellereien getarnt), die zum Teil eine bekannte (kleine) Qualitätslinie für den Namen und eine große Massenfertigung für den Einzelhandel :roll: besitzen.

Schöne Grüße aus Wien, Robert
Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte. ;)
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4516
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 18:53

robertz hat geschrieben:Wobei man hinzufügen kann, das in anderen Ländern diese Massenproduktion auch existiert, aber oft in großen Weinfabriken (als Kellereien getarnt), [...]

Und vieles davon wird am Ende vermutlich auf dem deutschen Markt landen. Die Marktrealität ist hier nun mal so: der Konsum stagniert seit mittlerweile zwei Jahrzehnten bei etwa 21 Litern Stillwein pro Kopf, der Gesamtumsatz mit Wein stagniert inflationskorrigiert auch, und zwar auf sehr niedrigem Niveau. Volumenmässig geht gut die Hälfte aller in Deutschland verkauften Weine beim Discounter über den Kassenscanner, zu Preisen von deutlich unter 4 Euro pro Flasche. Da sind die Genossenschaften mit ihren Basisweinen schon eher hochpreisig...

Deutschland ist anders als Österreich oder Italien nach wie vor kein Weintrinkerland, und es wird wohl auch keines mehr werden. Da helfen Hinweise, dass es anderswo auch anders geht, nicht wirklich.

Gruß
Ulli
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8120
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 19:50

OsCor hat geschrieben:Sehen die Verantwortlichen geringere RZ-Mengen möglicherweise doch als Qualitätsfaktor an?

...eher nicht als Qualitätsfaktor, denn ich würde die Relation Zucker zu Qualität nicht als fallend linear darstellen wollen, es hat mehr was mit der Stilistik zu tun. Und da ist es m.E. in den meisten Regionen so, daß die Gelegenheitsweintrinker gerne ein bißchen Süße im Wein haben und die ambitionierteren Weinkonsumenten -die dann auch bereit sind, mehr Geld dafür auszugeben- in der Tendenz eher trockenere Weine bevorzugen. Und genau so wird dann halt das Portfolio ausgerichtet...
UlliB hat geschrieben:Deutschland ist anders als Österreich oder Italien nach wie vor kein Weintrinkerland, und es wird wohl auch keines mehr werden.

...man muß nur mal schauen, wieviel Einwohner eines Landes auf einen ha Anbaufläche kommen, D ca. 820, A ca. 190, I ca. 85...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Offline
Benutzeravatar

OsCor

  • Beiträge: 847
  • Registriert: Do 4. Okt 2012, 17:36
  • Wohnort: Oberrhein

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 20:08

EThC hat geschrieben:...eher nicht als Qualitätsfaktor, denn ich würde die Relation Zucker zu Qualität nicht als fallend linear darstellen wollen, es hat mehr was mit der Stilistik zu tun. Und da ist es m.E. in den meisten Regionen so, daß die Gelegenheitsweintrinker gerne ein bißchen Süße im Wein haben und die ambitionierteren Weinkonsumenten -die dann auch bereit sind, mehr Geld dafür auszugeben- in der Tendenz eher trockenere Weine bevorzugen. Und genau so wird dann halt das Portfolio ausgerichtet...
Sicher - aber warum jetzt plötzlich ein (projektiertes) Flagship in „wirklich trocken”? Wenn die Zielsetzung der WGs grundsätzlich die Produktion von Massenwein ist, verstehe ich nicht, warum man jetzt plötzlich am Kaiserstuhl mit einer sog. Premiumlinie (die laut eigener Aussage Weltgeltung bekommen soll!) um die Ecke kommt, die der sonstigen Stilistik zuwiderläuft?

Gruß
Oswald
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8120
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 20:22

OsCor hat geschrieben:Sicher - aber warum jetzt plötzlich ein (projektiertes) Flagship in „wirklich trocken”?

M.E. soll das das Image der WG fördern, durch solche "Icon-Weine" soll letztlich das gesamte Sortiment geadelt werden. Das machen übrigens die Südtiroler Genossen teilweise auch, da gibt's mittlerweile einige solcher Weine, die teils dreistellig verkauft werden.
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4516
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Genossenschaftsweine

BeitragMo 5. Apr 2021, 20:24

OsCor hat geschrieben:Wenn die Zielsetzung der WGs grundsätzlich die Produktion von Massenwein ist, verstehe ich nicht, warum man jetzt plötzlich am Kaiserstuhl mit einer sog. Premiumlinie (die laut eigener Aussage Weltgeltung bekommen soll!) um die Ecke kommt, die der sonstigen Stilistik zuwiderläuft?

Was ist denn die Zielsetzung der Genossenschaften dort? Ich weiß es jedenfalls nicht: da gibt es Prosecco-Imitationen, Neuwelt-Imitationen, Bordeaux-Imitationen, jenseits des "trocken" - Programms inzwischen auch dezidiert restsüße Weine - alles, was sich irgendwie an irgendwen verkaufen lässt, wird produziert. Auch der eine oder andere Premium-Wein, das ist da nichts grundsätzlich Neues. Ob sich damit jetzt plötzlich dauerhafter Erfolg einstellen wird?

Gruß
Ulli
Offline
Benutzeravatar

OsCor

  • Beiträge: 847
  • Registriert: Do 4. Okt 2012, 17:36
  • Wohnort: Oberrhein

Re: Genossenschaftsweine

BeitragDi 6. Apr 2021, 08:11

In der (hauptsächlich natürlich wohlwollenden) Berichterstattung in der Badischen Zeitung zu Weinbauthemen kann man - zur Not zwischen den Zeilen - herauslesen, dass die WGs sehr hart zu kämpfen haben. Da werden Kooperationen eingegangen zwischen WGs, die weit auseinanderliegen, um Synergie-Effekte zu erzielen und nach ein paar Jahren wieder aufgelöst; also da knirscht es schon gewaltig. Weine, die man normalerweise eher im etwas höheren (7-10 €) Preisniveau des LEH erwarten würde, werden buchstäblich verramscht. Ich habe das ja mal am Beispiel von Silvaner-Spätlesen geschildert.
Was das Angebot im LEH anbelangt, zeigt mir beipielhaft, wie solche Weine in Prospekten beworben werden: Z.B. Weißburgunder von der WG XY, „auch in trocken”. Das sagt schon einiges.

Ich habe gestern bei der Recherche eine WG entdeckt, bei der die RZ-Werte der trocken deklarierten Weine oft noch über den Säurewerten lagen. Und ich habe eine WG (Sasbach) entdeckt, die entgegen ihrer sonstigen Weine einen Silvaner mit nur 1,6 g RZ anbietet. Da rufe ich nachher gleich an um nachzufragen, ob das denn so stimmt. Wenn ja, ist das mir mal eine Probe wert.

Edit: Es stimmt so und oh Wunder, es ist eine Neuanlage - also keine der Ausrottung entgegensiechende Bestockung.

Gruß
Oswald
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4516
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Genossenschaftsweine

BeitragDi 6. Apr 2021, 09:03

OsCor hat geschrieben:In der (hauptsächlich natürlich wohlwollenden) Berichterstattung in der Badischen Zeitung zu Weinbauthemen kann man - zur Not zwischen den Zeilen - herauslesen, dass die WGs sehr hart zu kämpfen haben. Da werden Kooperationen eingegangen zwischen WGs, die weit auseinanderliegen, um Synergie-Effekte zu erzielen und nach ein paar Jahren wieder aufgelöst; also da knirscht es schon gewaltig. Weine, die man normalerweise eher im etwas höheren (7-10 €) Preisniveau des LEH erwarten würde, werden buchstäblich verramscht.

Die Probleme betreffen nicht nur die badischen Genossenschaften, sondern alle Erzeuger, die auf Discounter und Lebensmittelhandel als wesentlichen Vertriebskanal angewiesen sind.

Ich kann mich nur wiederholen: man muss mal die Marktrealität in Deutschland zur Kenntnis nehmen. Volumenmäßig wird die Hälfte aller in Deutschland verkauften Weine beim Discounter umgesetzt, ein weiteres Viertel im sonstigen Lebensmittelhandel. Das bedeutet, dass fast drei Viertel des in Deutschland gehandelten Weins von nur vier big playern kontrolliert wird: Aldi (Nord und Süd, die im Einkauf inzwischen zusammenarbeiten), Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland), REWE (Rewe, Penny), und EDEKA (EDEKA-Märkte, Netto). Wie auch bei anderen Lebensmitteln bestimmen die, was die Produzenten zu liefern haben, und vor allem, zu welchem Preis. Und bei Wein heißt das: billig.

Die Position der Produzenten ist in dem Spiel außerordentlich schwach. Eingekauft wird zu großen Teilen generisch - wenn die eine Genossenschaft nicht liefert, liefert halt die andere, da die Produkte mehr oder weniger austauschbar sind. Dem Preiswettbeweb kann sich da keiner entziehen.

Wer aus dem Spiel raus will, muss vom Vertriebsweg Discounter / LEH weg. Das ist bei den Produktionsvolumina der meisten Genossenschaften aber illusorisch. Und so bleiben sie, was sie sind: zu wesentlichen Teilen fremdbestimmt. Die Vorstellung, dass die völlig frei entscheiden können, was sie machen, ist naiv.

Gruß
Ulli
VorherigeNächste

Zurück zu Aktuelle Themen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen

cron