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Rhone - Châteauneuf du Pape

nördliche Rhône (Côte Rôtie, Hermitage, Cornas und Co.) und südliche Rhône (Châteauneuf du Pape, Gigondas, Tavel und Co.), Ardeche, Vivarais, Vaucluse und Isere, Côstieres de Nîmes, Provence, Korsika
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joern_ribu

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSa 1. Mai 2021, 21:00

Clos Saint Jean 2010

Wenn man nur noch eine Flasche im Keller hat, ist es ja immer so eine Frage – wann öffne ich die? Ist es jetzt Zeit, oder lasse ich sie noch etwas liegen? Nun, für den letzten Chateauneuf-du-Pape 2010 vom Clos Saint Jean fiel heute die Entscheidung, dass die Zeit gekommen sei. Der Korken noch gut erhalten, keine Probleme beim Öffnen. Den Wein dann erstmal dekantiert und zwei Stunden lüften lassen.

Ich konnte mir einen allerersten Probeschluck aus der Karaffe allerdings nicht verkneifen. Im Glas herrlich klares, tiefes blutrot. Die Nase für mich noch zurückhaltend, eher etwas Medizinaltöne als dunkle Frucht, die dezent bleibt. Am Gaumen dann angenehm frisch, die komplexen Würznoten füllen den ganzen Mund. So direkt aus der Flasche sind Säure und Holzwürze noch sehr dominant. Madame Ribu steht da gar nicht drauf, ihr fehlen Frucht und Fleisch, die Säure ist ihr zu viel, „zu stumpf“, zu viel Alkohol für ihren Geschmack. Ich bin dagegen positiv eingenommen, hatte eher mit etwas Wuchtigem gerechnet und bin von dem recht filigranen ersten Auftritt fast ein wenig überrascht, v.a. bei 16% Alkohol. Ich schmecke zudem Lakritznoten durch und bin gespannt, wie er sich zwei Stunden später präsentieren wird. Der Antrunk besitzt jedenfalls bereits eine schöne Länge, die mediterrane Würze schmecke ich noch minutenlang.

Nach zwei Stunden in der Karaffe offenbart sich dann ein ganz anderes Spiel. Vollmundig, kraftvoll, der Wein „steht im Glas wie eine eins“, die enormen Kirchenfenster zeigen wie extraktreich der Ch9dP ist. Ganz viel Frucht, dunkle Beeren zusammen mit intensivem Garriguearoma, etwas Pfeffer, jetzt ist es eher die erwartete „Wuchtbrumme“, aber immer noch mitgenügend Säure um den Wein lebendig zu halten. Feinkörnige Tannine geben deutlich Struktur, die anfangs so deutliche Holzwürze ist von den vielen anderen Aromen komplett überdeckt. Immer noch frisch, aber jetzt nicht mehr filigran, sondern kräftig, körperreich – so kommt er auch bei Madame deutlich besser an. Starker Nachhall.

Nach weiteren guten 1,5 Stunden ist die Fruchtphase auch wieder rum, jetzt treten die Kräuter- und Würznoten ganz in den Vordergrund. Die Säure hält ihn noch immer frisch und animierend, jetzt kommt auch richtig Trinkfluss auf, der Wein wirkt wieder schlanker. Insgesamt eine tolle Erfahrung. Davon hätte ich jetzt gerne noch ein paar Flaschen im Keller um zu sehen, was da in den nächsten 5-10 Jahren noch so kommt.
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Salute - und immer einen guten Wein im Glas wünscht

Jörn
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LaVo

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSo 2. Mai 2021, 05:34

Sehr schöne Beschreibung, da durfte ich den Wein ja gerade mitverkosten, und das vor dem Frühstück ;)
16% alc. ist schon eine Ansage, aber die scheinen ja gut eingebunden gewesen zu sein.
Gab es den Wein zu einem Essen? Bei diesem Wein müsste es ja schon was Kräftigeres auf dem Teller sein...
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Judo

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSo 2. Mai 2021, 09:14

LaVo hat geschrieben:30 Jahre ist schon eine Hausnummer, aber Erfahrung habe ich da keine mit Rhone-Weinen.
Meinst du zufällig den vom Winetrader bei ebay? Bei dem Wein habe ich mir schon die selbe Frage gestellt ;)

Tatsächlich :D Ich habe da eine andere Flasche ersteigert und beim Versuch, die Versandkosten zu optimieren, bin ich da drüber gestolpert. Das Risiko ist mir bewusst und generell mag ich auch alte Weißweine.
Bin weiter unentschlossen :?:
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joern_ribu

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSo 2. Mai 2021, 09:20

LaVo hat geschrieben:Sehr schöne Beschreibung, da durfte ich den Wein ja gerade mitverkosten, und das vor dem Frühstück ;)
16% alc. ist schon eine Ansage, aber die scheinen ja gut eingebunden gewesen zu sein.
Gab es den Wein zu einem Essen? Bei diesem Wein müsste es ja schon was Kräftigeres auf dem Teller sein...


Guten Morgen,

ich habe vor dem Forumsbesuch heute erst einmal gefrühstückt und freue mich, wenn die Beschreibung bei Dir gut ankam. Den Wein haben wir solo beim Familien-Heimkinoabend genossen. Für mich war er dann allerdings der Star des Abends, der Familienfilm nur Nebensache. Der Alkohol ist wirklich gut eingebunden, der Wein hat einfach von allem anderen auch genug, um nicht alkoholisch oder brandig zu schmecken. Allerdings wirkt er natürlich, und die eine Flasche war dann auch genug für uns.

Du hast recht, ein Essen zu diesem Wein sollte schon kräftig-deftig sein. Ein Lamm-Eintopf käme mir in den Sinn oder ein herzhaftes Schmorgericht.
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Jörn
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amateur des vins

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSo 2. Mai 2021, 10:12

Judo hat geschrieben:
LaVo hat geschrieben:30 Jahre ist schon eine Hausnummer, aber Erfahrung habe ich da keine mit Rhone-Weinen.
Meinst du zufällig den vom Winetrader bei ebay? Bei dem Wein habe ich mir schon die selbe Frage gestellt ;)
Tatsächlich :D Ich habe da eine andere Flasche ersteigert und beim Versuch, die Versandkosten zu optimieren, bin ich da drüber gestolpert. Das Risiko ist mir bewusst und generell mag ich auch alte Weißweine.
Bin weiter unentschlossen :?:
Also in dem Fall (kein Einzelversand), und auch bei dem Preis, würde ich garnicht zögern. Und wenn's schiefgeht: Eine Sherry-Cuvée (oder ein Cuvée-Sherry?) kann ja auch mal nett sein. :mrgreen:

ymmv
Besten Gruß, Karsten
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LaVo

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSa 8. Mai 2021, 14:45

amateur des vins hat geschrieben:Also in dem Fall (kein Einzelversand), und auch bei dem Preis, würde ich garnicht zögern. Und wenn's schiefgeht: Eine Sherry-Cuvée (oder ein Cuvée-Sherry?) kann ja auch mal nett sein. :mrgreen:

ymmv


So, ich habe mir eine Flasche besorgt:
Domaine de Beaurenard 1989, weiß
Vorweg: ich habe null Erfahrung mit solch alten und trockenen Weißweinen und habe mich recht schwer getan mit der Beschreibung.

Aus dem Keller bei 12 Grad geöffnet. Der Korken war halb durchzogen, auf der oberen Seite knapp 1cm Schimmel (auch unter der Kapsel).
Farbe: goldgelb. Da war ich schonmal positiv überrascht, hatte ich doch etwas deutlich Dunkleres erwartet.
Nase: Auch hier positiv überrascht, keine Fehltöne (geht aber schon in Richtung eines weißen Portos), Haselnuss, Orangenlikör
Geschmack: Auch hier Orange, vielleicht Orangenöl (mit einer leichten Bitternote), Tanne, Muskat, dabei eine schöne, dezente Süße- und Säurenote, langer Abgang.

Ich war sehr positiv überrascht von dem Wein. Trotzdem habe ich mir, mit Vergnügen, nur ein Glas gegönnt. Er ist schon anstrengend und hätte ohnehin nicht zum nachfolgenden Essen gepasst (denke auch, dass der Wein solo am besten zu genießen ist). Mal schauen, wie sich der Wein weiter entwickelt...

PS Habe den Wein mit meiner Frau verkostet: Ihr nüchterner Kommentar: "Hinüber". (sie ist aber generell auch kein Fan von Rhone-Weißweinen).
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Ollie

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSa 8. Mai 2021, 15:24

LaVo hat geschrieben:PS Habe den Wein mit meiner Frau verkostet: Ihr nüchterner Kommentar: "Hinüber". (sie ist aber generell auch kein Fan von Rhone-Weißweinen).


Ja, kenne ich. Vor Jahren hatte ich mal das unverschämte Privileg, alte Weiße von der Rhône zu verkosten. Während die anwesenden Profi-Verkoster fast alle begeistert waren, erschienen mir die Weine einfach nur fertig (obwohl ich Sherry-Liebhaber bin). Es scheint also ein very much acquired taste zu sein...

Cheers,
Ollie
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amateur des vins

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSa 8. Mai 2021, 16:22

Ollie hat geschrieben:
LaVo hat geschrieben:PS Habe den Wein mit meiner Frau verkostet: Ihr nüchterner Kommentar: "Hinüber". (sie ist aber generell auch kein Fan von Rhone-Weißweinen).
Ja, kenne ich. Vor Jahren hatte ich mal das unverschämte Privileg, alte Weiße von der Rhône zu verkosten. Während die anwesenden Profi-Verkoster fast alle begeistert waren, erschienen mir die Weine einfach nur fertig (obwohl ich Sherry-Liebhaber bin). Es scheint also ein very much acquired taste zu sein...
Ja, die Weinsozialisation verläuft im Riesling-Land Deutschland doch in deutlich anderen Bahnen: Weißwein hat frisch zu sein und knackige Säure zu haben, und nach Möglichkeit wenig Körper und Alkohol. /cliché

Ich selber habe mit deutschen Weinen erst nach Burgundern und Südfranzosen angefangen. Wer weiß, wie ich drauf wäre, wenn's andersrum und somit typisch verlaufen wäre. So habe ich an denen aber viel Spaß.

...was nicht bedeutet, daß der Wein nicht doch hinüber gewesen sein kann. ;)
Deine Notiz liest sich aber "normal".
Besten Gruß, Karsten
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EThC

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSa 8. Mai 2021, 16:46

amateur des vins hat geschrieben:Ja, die Weinsozialisation verläuft im Riesling-Land Deutschland doch in deutlich anderen Bahnen: Weißwein hat frisch zu sein und knackige Säure zu haben, und nach Möglichkeit wenig Körper und Alkohol. /cliché
...ist das so? Zumindest bei mir war's deutlich anders. Weißwein gab's bei mir am Anfang gar nicht, dafür eher dickere rote Säfte, vornehmlich aus I. Ansonsten: der Wein muß trinkanimierend sein, knackige Säure und nicht zu viel und / oder gut eingebundener Alk sind da durchaus hilfreich; aber auch Dicksäfte können gut fließen, wenn sie entsprechend gemacht sind. Bei Rhône-Weinen gibt's zwar auch löbliche Ausnahmen, in der Regel bleiben mir die Sachen aber doch nachhaltig im Halse stecken, deshalb hab ich hier auch keine nennenswerte Baustelle...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Judo

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Re: Rhone - Châteauneuf du Pape

BeitragSa 8. Mai 2021, 20:24

LaVo hat geschrieben:Ich war sehr positiv überrascht von dem Wein. Trotzdem habe ich mir, mit Vergnügen, nur ein Glas gegönnt. Er ist schon anstrengend und hätte ohnehin nicht zum nachfolgenden Essen gepasst (denke auch, dass der Wein solo am besten zu genießen ist). Mal schauen, wie sich der Wein weiter entwickelt...

Das hört sich gut an und könnte mir durchaus schmecken. Ich habe da keine Berührungsängste mit alten Weißen, solange noch ein Funken Leben in ihnen ist. Lt. Verkäufer haben sie noch 30 Flaschen. Ich hatte jetzt erstmal noch was anderes, um den Versandkarton zu füllen, behalte das aber mal im Hinterkopf
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