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Kle hat geschrieben:vielen Dank für die schönen Beschreibungen – die auch bei den eher mittelmäßigen Weinen gut miterleben lassen – und Fotos. Macht Lust, den dritten korsischen Wein meines Lebens zu trinken…
Hallo Kle,
freut mich sehr, dass es auf Interesse stößt! Dann schreibe ich doch gerne noch etwas mehr, von meinen Erfahrungen mit der Appellation Figari.
stollinger hat geschrieben:im letzten Urlaub habe ich auch einen Ausflug in die Appellation Figari gemacht, ich wollte zwei Winzer besuchen, leider konnte ich sie nicht finden bzw. antreffen. Um nicht ganz mit leeren Händen wieder da zu stehen, bin ich noch beim Verkaufsstand der Domaine de Tanella vorbei.
Auf der Suche war ich nach Jean Ferracci vom Clos de Sarcone und Daniel Canarelli - Costa Rossa.
Wie in dem link im letzten Post zu sehen, bewirtschaften beide jeweils ca. 5 ha.
Auch in der Vergangenheit habe ich schon versucht, die beiden Winzer zu kontaktieren, Telefon und Email, um einen Besuchstermin auszumachen, hatte aber nie Erfolg.
Den Weißwein von Jean Ferracci habe ich im korsischen Fachhandel empfohlen und verkauft bekommen, und war restlos begeistert.
Clos de Sarcone - Corse Figari blanc 2016:
Den Wein fand ich wirklich unheimlich gut! Ständig neue aromatische Nuancen zu entdecken, unheimlich klar, frisch, harmonisch. Mit Spannung, trotzdem cremig und weich. Alles ohne zu übertreiben, oder gekünstelt zu wirken. Mit Sicherheit einer der besten Weine der letzten Jahre für mich. Trifft voll meine Vorlieben. Ich will aber auch erwähnen, dass ich einem Freund eine Flasche mitgebracht (ein passionierter Rieslingtrinker mit Affinität zu einer prägnanten Säure) habe, der konnte zwar bestätigen, dass es sich um einen qualitativ guten Wein handelt, aber meine Begeisterung teilt er nicht in gleichem Umfang. Naja, Geschmackssache.
Über beide Winzer (Sarcone und Costa Rossa) findet man recht wenige Informationen, der Weinführer Bettane&Desseauve schreibt im Text zur Domaine de Petra Bianca:
Les vins blancs et rosés présentés par ce domaine peu connu [Petra Bianca] ont égalé les meilleurs du sud de la Corse avec autant de charactére que ceux de micro producteurs comme Daniel Canarelli ou le clos Sarcone, dont nous respectons la tranquilitité et le peu de disponibilité.
Ich übersetze das frei ungefähr so: Wir hätten lieber die Weine von Clos de Sarcone und Daniel Canarelli vorgestellt, die konnten wir aber leider nicht erreichen und sie hatten kein Bestreben, mit uns in Kontakt zu treten.
Mein Elan, die Winzer zu besuchen, war nach der Verkostung neuerlich geweckt, Telefonterror war auch dieses Mal erfolglos. Da aber Figari eh nur 30 Minuten mit dem Auto vom Urlaubsort entfernt liegt, bin ich einfach mal hingefahren. Clos de Sarcone hat keinen eigenen Keller, Jean Ferracci macht seine Weine wohl in dem Keller eines befreundeten Winzers (Domaine Andriella?), zumindest vermute ich die Weinberge, in der Gemeinde Poggiale, beim Rumfahren gefunden zu haben (keine Garantie für Richtigkeit). Den Winzer konnte ich jedoch nicht finden. Bei Costa Rossa weiß ich, wo die Domaine ist, wie immer stand ich aber vor verschlossenen Türen. Ein Handwerker konnte mir sagen, dass Daniel Canarelli mit dem Auto unterwegs ist. Auch als ich bei der Domaine de Tanella war habe ich gefragt, wie die beiden wohl zu erreichen sind, die Antwort: Schwierig
Ich kann zumindest mit einer Verkostungsnotiz dienen. Costa Rossa - Daniel Canarelli - Corse Figari blanc 2014:
Ein spannender Wein. Vom Charakter herb und ernsthaft, direkt und straff. Das hat etwas von einer Standpauke. Unheimlich dicht und intensiv, ich vermute mit rigoroser Ertragsreduzierung, denn überextrahiert wirkt das nicht; die Gerbstoffe von schöner Qualität. Wegen der Intensität aber auch etwas anstrengend solo zu trinken. Ich bin gespannt, wie der Wein sich entwickelt, es sind zwar schon Reifearomen vorhanden und die Frucht ist nur sehr hintergründig, aber insgesamt ist die Aromenkonzentration sehr hoch, so dass ich davon ausgehe, dass der Wein mit etwas abgeschmolzenen Gerbstoffen noch ausreichend Frucht besitzt und noch besser dasteht.
Anfangs hatte ich den Wein blind gemeinsam mit einem Wein vom Clos Canarelli verkostet. Das war aber nicht wirklich möglich, der Wein von Costa Rossa war so dicht und intensiv, dass es unmöglich war, einen normalen Weißwein parallel zu verkosten. Ich habe die Weine dann getrennt, in Ruhe verkostet; dieser war der zweite:
Clos Canarelli - Corse Figari blanc 2016:
Das ist ein guter Wein, die RVF bewertet ihn mit 16/20 Punkten, das finde ich gerechtfertigt. Für mich hinter dem von Costa Rossa und deutlich hinter dem jahrgansgleichen Weißwein von Clos de Sarcone. Ich finde, für die auf der Insel aufgerufenen 24€, ist mir der Wein zu schematisch. Reduktiver Ausbau, mineralisch, klar und schlank ist halt mittlerweile ein ziemlicher Standard. Da kann ich auch einen Village-Burgunder oder deutschen Chardonnay/Weißburgunder für weniger Geld nehmen. Von Weinen in der Preisklasse erwarte ich mir was besonderes, mehr Charakter, auch mehr Dichte. Die Händlerpreise in D und USA finde ich vollkommen überambitioniert.
Clos Canarelli habe ich im Mai 2018 besucht. Es gab leider keinen Wein zum Verkauf, ab Hof ausverkauft. Er war wohl vom Spätfrost in 2017 ziemlich hart getroffen und die Menge entsprechend recht klein. Ich fand Yves Canarelli recht sympatisch, er hat sich trotzdem Zeit genommen, um ein wenig zu plauschen. Clos Canarelli ist recht stark auf den Export ausgerichtet, es gibt eine Vielzahl von Verkostungen auf Cellartracker aus den USA. Auf der Insel hingegen sind eigentlich in jedem Weinhandel alle Weine in großer Jahrgangstiefe erhältlich. Weine aus 2017 sind teilweise ohne Jahrgangsangabe in den Handel gekommen. Ich vermute, es wurde mit älteren Jahrgängen verschnitten, um ausreichend Menge zu liefern. Vielleicht ist das aber auch Quatsch.
Neben den Einstiegsweinen, in rot, weiß und rose, gibt es noch Amphorenweine und Spezial-Cuveé (Alta Rocca, Costa Nera) und noch Weine aus der Region Bonifacio (Tarra d'Orasi, Tarra di Sognu). Für Tarra d'Orasi wird dann auch ein Preis von 75€ aufgerufen. Mir ist diese Art der Vermarktung, mit immer exklusiveren Super-Cuveé, nicht so richtig sympatisch, da mag ich es doch bei Costa Rossa und Sarcone mit einem Rotwein und einem Weißwein lieber.
Vielleicht bin ich nicht ganz objektiv, unbekannte Winzer, die sich dem Marketing entziehen und gleichzeitig tolle Weine machen, finde ich extrem spannend. Ich möchte ihnen am liebsten meine älteste Tochter andienen . Bei Weinen, die großflächig von Händlern besungen werden, bin ich dann andersrum schnell negativ voreingenommen.
Für die, die meinen Aufsatz bis hierhin gelesen haben, habe ich dann noch einen Winzer aus Figari: Ich war Feuer und Flamme, als ich im Fachhandel einen Wein von Domaine Nicolai - Corse Figari gesehen habe. War mir bislang kein Begriff, aber auf der Flasche steht: Mis en bouteille chez Daniel Canarelli.
Ein Garagen-Winzer, der bei einem Garagen-Winzer abfüllt? Muss ich natürlich haben, von wegen Mega schwer zu kriegen, wirklich schwer zu kriegen - Da musst du richtig lange suchen für - Richtig lange recherchieren. Dieser Wein hat dann auch entsprechend Eindruck bei mir hinterlassen.
Domaine Nicolai - Corse Figari blanc 2018:
Ganz schrecklich, ich konnte das leere Glas (nein, nicht getrunken sondern ausgegossen) nicht in der Küche stehen lassen, so unangenehm war der verströmende Geruch. Der Wein war nicht fehlerhaft, einfach nur so einer der schlimmsten Weine ,die ich im Glas hatte. Selten und schwer zu kriegen ist wohl in den meisten Fällen kein Kriterium für Qualität.
Grüße, Josef