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Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

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thvins

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Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragMi 11. Mai 2022, 13:21

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

21. & 22.04.2022 – Teil 1

Am Donnerstag vor der Abreise steht ein Termin im Mittelpunkt – ich brauche einen neuen Autoschlüssel, weil der alte sich in seine Bestandteile aufzulösen begann. Zwar öffnete und schloss er das Auto noch, aber ich wollte nichts riskieren auf der langen Fahrt.

Also flugs zum Autohaus, sie hatten auch eine neue Plastikhülle da und es würde nicht all zu teuer werden und nur wenige Minuten in Anspruch nehmen. Die Batterie würden sie gleich mit tauschen, die war noch die erste von 2012.

Wie ich so im Autohaus stehe und warte, kommt jemand des Wegs gefahren und will in der Parklücke neben meinem Auto einparken und plötzlich sehe ich, wie mein Auto extrem hin und her wackelt. En Mitarbeiter vom Autohaus bekommt das auch gleich mit. Ich gehe raus, gucken und tatsächlich – der so ziemlich alte Mann hatte mein Auto gerammt, allerdings hatte er selbst den größeren Schaden. Ich aber nun auch eine Beule und ein Lackschaden...

Hätte schlimmer laufen können, aber wäre eigentlich alles auch nicht nötig gewesen, Zeit, das machen zu lassen, wird erst nach der Tour sein.

Am Freitag ruft mich gleich die Versicherung des Gegners an und erklärt die Kostenübernahme der Geschichte.

Allerdings stehe ich nun am Freitag noch mehr unter dem Stress des Packens und der Erledigung der letzten Dinge vor der Abreise. Yvonne bot sich an, Tesi bei der Fütterung der Kater zu entlasten, ich müsse ihr nur einen Schlüssel in den Briefkasten stecken. Ich beschließe, kurz in Dessau raus zu fahren und das auf dem Weg am Samstag zu erledigen.

Seit Ostern plagt mich mein Darm, wo das her kommt, weiß ich nicht, vielleicht eine Folge der OP, vielleicht was Falsches gegessen, auf jeden Fall rüste ich noch in der Reiseapotheke auf... Es ist kein klassischer Durchfall, wie man ihn kennt, aber nett ist das ganze nicht. So was vergleichbares hatte ich noch nie im Leben. Ich werde mehrmals am Tag eine Toilette brauchen müssen und ich sollte besser vermeiden, einen Furz zu lassen...

Letzte Telefonate und E-Mails beantworten, das Auto packen, so dass ich am Samstag morgen nur noch die Lebensmittel ausräumen muss und die Kater versorgen. Spät komme ich ins Bett und bin aufgeregt wie ein Schulkind vor der ersten großen Klassenfahrt.

Was wird mich unterwegs erwarten? Wird es doch irgendwelche Covid-Auflagen geben, zur Sicherheit packe ich noch die letzten unbenutzten Masken mit in die Reiseapotheke, fest entschlossen, sie nur zu nutzen, wenn ich dazu genötigt werde.

Werde ich das Tanken zahlen können oder muss ich unterwegs Konkurs anmelden, weil die „Kriegskasse“ komplett leer ist? Ich beschließe, eine der Standardstrecken zu fahren, keine Umwege, keine Extra-Kosten, denn dank Putins Krieg bestellt leider kaum noch jemand was, der klitzekleine Aufschwung zwischen November 2021 und Januar, Anfang Februar 2022 ist komplett verpufft. Stehe ich vor einer Harakiri – Tour?

Ich muss es tun, auch wenn es mich ruiniert. Zu Hause bleiben – einmal mehr - würde mich noch mehr ruinieren... Die Zeiten sind so schlecht, dass nur Hoffnung noch helfen kann, Überlebenswillen zu haben.


Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

23.04.2022 – Teil 2

Natürlich will ich noch liegen bleiben, als der Wecker klingelt, aber nach kurzem Räkeln treibe ich mich raus, frühstücken, den Rest der Sachen packen, vor allem die Lebensmittel, die nicht bis zu meiner Rückkehr warten wollen, müssen mit. Eine Kiste mit Gewürzen natürlich auch, um unterwegs vernünftig kochen zu können.

Beim Tablet, welches ich mir damals eigens für die Fira-Touren gekauft hatte, komme ich ins Grübeln, packe es dann aber doch ein, obwohl ich nicht so recht weiß, wofür eigentlich. Ich hatte es fast vier Jahre lang nicht mehr benutzt, aber nach Aufladen des Akkus festgestellt, dass es noch geht. Beim Versuch, Facebook aufzurufen, sagte es mir, dass der Browser Facebook nun nicht mehr unterstützt und bietet mir irgend so eine Notversion an, die aussieht, als wäre das wie für ein Handy. Auf die Schnelle finde ich nicht, wie ich das bedienen kann und sollte, vor allem, wenn ich was von unterwegs posten wollte oder wenn ich mit jemandem privat chatten wollte. Vielleicht fände ich ja unterwegs Zeit, mich damit zu beschäftigen... Blöder lief es dagegen beim Aufrufen meines Mailprogramms. Ich sollte mich anmelden, aber das Passwort sei falsch... Ich fand ein paar Papierschnipsel, auf denen Passwörter notiert waren, aber alle waren sie nicht aktuell... Blöd natürlich, denn ich war in den vier Jahren mehrfach zum vergeben neuer Passwörter genötigt worden und das Laptop hatte mir angeboten, sich das Passwort zu merken, was mir recht war. Aber ich fand auf die Schnelle nicht, wie mir das Laptop das vergebene aktuelle Passwort verriet... Muße zum Suchen hatte ich am Vortag nicht mehr und jetzt am Morgen noch weniger.

Entweder ich müsste erneut ein neues Passwort vergeben und die Bestätigung an Klaus-Peter schicken lassen, wenn er mir dann gegenüber sitzt. Dann könnte er mir den Code nennen und mein E-Mail Programm würde einmal mehr ein neues Passwort haben. Fänden wir Zeit und Muße für das Spielchen nicht, dann wäre ich 14 Tage abgekoppelt von der virtuellen Welt, aber hey, ich habe ja auch Jahrzehnte lang so überlebt, mehr als die Hälfte meines Lebens gab es nicht einmal eine virtuelle Welt...

Noch fix den letzten Abwasch machen, die Kater füttern und verabschieden und dann los mit Gebrüll – nein mit einer guten Musikauswahl von Art Bears bis Frank Zappa, aber auch viel Mainstream, bunt gemischt halt... Mit „Grimmer than Grimm“ von Paul Roland verließ ich Coswig...

Nur dran denken, in Dessau raus zu fahren und Yvonne den Schlüssel in den Briefkasten zu werfen...

Alles geht gut, ich leide noch nicht an Alzheimer, aber dann stehe ich vor dem Mehrfamilienhaus, in dem sie wohnt und gewinne die erste Erkenntnis der Tour: Es ist blöd, wenn die Briefkästen im Hausflur sind, du jemanden brauchst, der dir öffnet und keine der Mietparteien ist zu Hause...

Ich warte, ob zufällig jemand kommt, der mich rein lässt, gleichzeitig bedauere ich die verlorene Zeit des Wartens. Weiter warten oder den Umweg über Cösitz nehmen, mitten in der Pampa zwischen Dessau – Köthen – Bitterfeld und Halle... Dort wäre sie gerade... Ich beschließe, nicht länger zu warten, sondern mich dorthin auf den Weg zu machen...

Sie ist da und wundert sich, dass ich plötzlich vor ihr stehe, sie passt auf die Hühner auf, wenn sie nicht auf Arbeit ist, während ihr Vater am anderen Ende der Welt weilt, grade ist sie mit dem Füttern der Hühner und Wachteln beschäftigt...

Ich beschließe, nicht zurück zur A9 zu fahren, sondern den direkten Kurs auf Halle zu nehmen.
Das anfängliche Stocken des Kurses raubt mir natürlich viel Zeit, die ich entweder am Ende des Tages vermissen werde oder ich müsse an Pausen einsparen, was ich verloren habe. Ich entscheide mich für Letzteres. Wieder werde ich keinen mir unbekannten Durchfahrtsort im Westen Deutschlands anschauen können, keine Kultur, dafür Flucht raus und Festhalten am Etappenziel.

Auf der Südharz-Autobahn rollt es gut und mit wenig Verkehr, auch in Richtung Kassel auf der A7 ist es überschaubar, nur gelegentlich machen die Baustellen unterwegs mal ein langsameres Vorankommen nötig.

Beim Verlassen der Autobahn im ersten Dorf an der B3 der übliche Tankstopp zum Nachtanken, die Ecke hier ist seit Jahren gut, weil günstiger als anderswo an der Strecke – 1,949 € pro Liter E10 werden fällig, zu Hause hatte ich nachts, wenn es am günstigsten ist, zu 1,909 € vollgetankt. Preise, die jedes Nachdenken über einen Snack oder einen Kaffee an der Tanke von vornherein verbieten. Bei 30 - 40% höheren Spritkosten als vor Putins Aggressionskrieg müssen halt anderswo im Leben Abstriche gemacht werden, denn man hat ja ohnehin nicht mehr Geld in der Tasche als vorher. Unsere Politiker erzählen uns ja, man müsse den Gürtel enger schnallen, ich habe extra zwei neue Löcher in meinen Gürtel gestochen, damit die Hose nicht rutscht...

Den Darm gleich noch mal vorsichtshalber entleert, aber inzwischen habe ich auch Hunger. Ein Parkplatz zum Picknicken im Schatten aber findet sich dann doch nicht so schnell, ich mag aber auch weder selbst in der Sonne sitzen und der Butter beim Schmelzen zuschauen noch das Auto der prallen Sonne aussetzen... Bis Limburg aber finde ich keinen mir genehmen Platz und in Limburg stehen ca. 200 Biker auf dem Parkplatz und somit fahre ich weiter bis nahe Gießen.

Endlich picknicken... Neben mir Leute, die mich auf Englisch um eine Auskunft zum Weg bitten, aber ich kenne mich hier auch nicht sonderlich aus. Sie kommen aus Russland und sind augenscheinlich Touristen hier. Natürlich frage ich sie zum Krieg in der Ukraine. „Welchen Krieg? Putin befreie doch die Ukraine und das sei nötig...“ Schade, ich habe keine Lust auf ein weiteres vertiefendes Gespräch, als sie mir erklären, sie würden weder auf Zivilisten schießen noch nichtmilitärische Ziele bombardieren. Das stimme alles nicht, Putin gehe nur gezielt gegen Terroristen vor...

Hinter Koblenz muss ich noch mal eine Pause machen, ich werde etwas müde – zum Glück habe ich mir eine Thermoskanne mit Kaffee aufgebrüht, der noch gut heiß ist.

Dann erreiche ich Luxemburg und stelle fest, ich hätte weniger nachtanken brauchen, also beschließe ich, nicht in Wasserbillig, sondern erst kurz vor der französischen Grenze voll zu tanken. Allerdings würde ich mich gern in Wasserbillig noch mal vorsorglich auf´s Klo setzen wollen, aber eine Bezahlschranke verhindert neuerdings hier wie auf Deutschlands Rasthöfen das einfach mal so aufs Klo gehen, wenn es nicht wirklich dringlich ist.

Auch im Luxemburg Baustellen über Baustellen, aber ich komme irgendwann doch in Berchem an. 1,685 € für den Liter lassen mich schlucken, ich hätte eigentlich mit deutlich weniger gerechnet. Das kann ja dann wohl in Frankreich heiter werden mit dem Tanken, aber ich sollte bis an meine übliche Tanke in Clermont – Ferrand hinkommen und dank der nicht geplanten Umwege sollte das auch der einzige Tankstopp in Frankreich bleiben.

Auch hier will man plötzlich 70 Cent für den Toilettenbesuch haben – ich registriere, in Luxemburg ist das Verrichten der Notdurft kein Menschenrecht mehr, sondern auch ein profitables Geschäftsmodell geworden.

Hintern zusammenkneifen und nach Frankreich rüber retten... Zum Glück stehen die Franzosen dem Servicebegriff nach wie vor positiv gegenüber. Nun muss ich mich eilen, um noch vor dem Untergehen der Sonne mein Etappenziel Bourmont zu erreichen. Das Zelt
wird noch geradeso im Hellen aufgebaut, essen muss ich dann mit Stirnlampe.

Ich bin zu kaputt, um heute noch über Kochen nachzudenken. Brot und Belag tun es heute auch, ebenso muss ich mir heute abend keinen Wein gönnen. Zwei Flaschen mitgenommenes Bockbier aus der Heimat lassen mich runter kommen und abschalten. Müde krieche ich in den Schlafsack.

Einmal in der Nacht werde ich wach und registriere, dass es regnet... Ich drehe mich um und schlafe wieder ein. Ich lasse es regnen...



Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

24.04.2022 – Teil 3


Es ist Sonntag und es regnet auch am Morgen noch, keine Chance für ein entspanntes Frühstück auf dem Biwakplatz. In einer kurzen Regenpause räume ich die Sachen aus dem Zelt ins Auto und baue das nasse Zelt ab, lege es nicht zusammen, sondern in den Fußraum des Autos hinten. Ich brauche gar nicht überlegen, wenigstens im Stehen mir einen Kaffee zu machen, denn es beginnt wieder zu regnen.

Ohne Kaffee los fahren ist für mich Stress pur, zum Glück finde ich kurze Zeit später in einem kleinen Dorf eine Gîte, die auch als kleines Café funktioniert. Hier bekomme ich endlich meinen Morgenkaffee und ein Pain au Chocolat dazu, eine gute Toilette natürlich inklusive.

Hinter Langres hört es ein wenig auf zu regnen, aber ehe ich einen Picknickplatz gefunden habe, beginnt es erneut zu regnen.

Also weiter bis Dijon und auf die mautfreie Autobahn im Hinterland von Dijon. Als ich am Ende der mautfreien Strecke die Autobahn verlasse, bin ich endlich im Trockenen, der nächste Picknickplatz ist meiner, Trangia raus, Kaffee kochen und noch mal richtig frühstücken. Ich bin in Arnay-le-Duc gelandet und obwohl ich den kleinen alten Ort schon mal vor Jahren ausgiebig besichtigt hatte, mache ich noch mal einen kleinen Spaziergang. Heute ist Stichwahltag und in Arnay vor dem Wahllokal spielt eine uniformierte Kapelle und jeder kennt hier jeden, der hier wählen geht. Ich hoffe natürlich auf einen Sieg von Macron – auch wenn er nicht der allerbeste ist, so ist er doch klar die bessere Alternative für Le Pen. Ein bisschen Magendrücken bekomme ich schon, bedenke ich, dass die Ultrarechten mit in der Stichwahl sind...

Einkaufen muss ich noch nichts, ich habe noch genug aus Deutschland an Lebensmitteln. Die Bäcker und auch ein kleiner Supermarkt wären geöffnet, aber ich beschränke mich...

Dann sitze ich wieder im Auto und über Autun geht es nach Bourbon-Lancy. Auch hier ist schwer was los, viel Polizei und viel Volk, aber den Grund dafür erfahre ich später, als ich grade auf die parallel zur Loire entlangführende Straße komme. Mir kommt viel Polizei entgegen, ein Polizeiauto nötigt mich zum Anhalten und bittet mich das Auto komplett von der Straße runter zu fahren, auf eine einmündende Nebenstraße – es käme gleich ein Radrennen mir entgegen, ich solle ein paar Minuten warten...

Und dann sehe ich auch schon den Pulk, der die gesamte Straßenbreite ausnutzt. Ich weiß zwar nicht, um was für ein Rennen es sich hier gehandelt hat, aber ich greife zum Fotoapparat und halte drauf...

Ein paar Radler sind wenige Meter vorne weg, dann kommt ein recht großes Hauptfeld und dann ein paar leicht Abgehängte und dann der noch endlos lange Zug der Begleitfahrzeuge, die aber schön auf ihrer Straßenseite bleiben. Ich darf weiter fahren.

Aber eigentlich habe ich Lust auf´s Mittagpicknick und ich kenne wenig später einen netten Picknickplatz mit Wasserstelle und Toilette. Außerdem regnet es grade nicht. Also Pause, ehe es dann über die Loire geht.

Bei der Überfahrt über den Fluss an dieser Stelle muss ich jedesmal an das kleine Kätzchen denken, was wir damals auf der Fahrt ins Priorat mit Martin Nka gerettet hatten. Es kam maunzend auf uns zu und suchte menschlichen Anschluss – die Leute, die in den wenigen Häusern direkt an der Brücke wohnten, lehnten es ab, sich des kleinen niedlichen Geschöpfs anzunehmen. Also nahmen wir es im Auto mit ins nächste Dorf. Schließlich erbarmte sich eine Frau, die grad beim Bäcker war... Auch wenn ich durch das Dorf fahre, muss ich immer wieder dran denken, was wohl aus dem Kätzchen geworden sein mag...



Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

24.04.2022 – Teil 4


Während meiner Mittagspause überlege ich, dass es auch aufgrund des Wetters sinnvoller sei, heute nicht mehr ins Zentralmassiv hinein zu fahren, ich müsste einen Platz suchen in einer Gegend, wo ich noch nicht übernachtet hatte zuvor. Und wenn ich auf die Strecke über St. Pourcain-sur-Sioule wechseln würde, statt über Vichy zu fahren, dann könnte ich den dortigen Platz nutzen, wo ich schon öfter übernachtet hatte, wenn schlechtes Wetter war. Denn auch dort gibt es eine Toilette – eine mit Vordach, unter dass man sich bei Regen zum Kochen flüchten kann...

Gedacht – getan, ich fuhr also hinter Vaumas aus dem Besbre-Tal raus und wechselte in Richtung Varennes-sur-Allier. Der Himmel sah erneut nicht gut aus und immer wieder gab es kurze Schauer. In St. Pourcain angekommen, stellte ich das Zelt auf, welches ich zur Frühstücks- und zu Mittagspause getrocknet bekommen habe und ich warf dann alles hinein, was ich für die Nacht benötigen würde.

Da ich nun noch genug Zeit hatte, beschloss ich noch einen Rundgang durch das alte Ortszentrum zu machen. Als es erneut zu regnen begann, konnte ich mich in einen Torbogen nahe des Donjon unterstellen und mich dann in die schöne Kirche flüchten. Dann ging es auch richtig doll los mit regnen, so dass ich länger in der Kirche verweilte. Einen nächsten Schauer konnte ich „auswarten“, als ich in den einzigen am Sonntag nachmittag geöffneten Laden ging, ein Fleischer mit einem großen Bereich mit Lebensmitteln aus der Region. Eigentlich brauchte ich ja nichts. Aber das Stöbern war gut, denn es regnete wieder doller. Und ein Stück regionalen Käses musste dann doch mit.

Die nächste Regenpause nutzte ich, um wieder zum Biwakplatz zu kommen. Dann erst mal Zuflucht im Auto suchen, denn es fing erneut an... An Kochen auf dem Picknicktisch war nicht zu denken. Also die nächste Pause genutzt und alles, was ich brauchte unter das Toilettenvordach zu bringen und dann dort mein Abendbrot zuzubereiten. Allerdings gab es eine abgespeckte Version, einen kleinen Salat aus Tomaten und Paprika und ein paar gebratene Würste noch vom Coswiger Fleischer, zu denen ich aber auch noch heimisches Bäckerbrot aß. Mit dem angebrochenen Becher Bautzener Extra Scharf ging ich recht großzügig um, wollte ich doch eh meinen geliebten noch schärferen Dijon-Senf beim erstbesten Supermarktbesuch kaufen...

Dazu öffnete ich mir einen Marge 2015 vom Celler de l´ Encastell aus dem Priorat, der sich jetzt schon sehr schön trinken läßt. Ein wahrer Seelentröster bei dem immer wieder einsetzenden Regen. Nach dem Abwaschen setzte ich mich allerdings mit der angefangenen Flasche und dem Weinglas ins Auto und hörte noch etwas Musik dazu.

Dann musste ich nur noch ins Zelt krauchen und mein Nachtlager bereiten. Hoffentlich bleibt nicht die ganze Zeit so ein Mistwetter, war mein letzter Gedanke zum Tag...
Beste Grüße

Torsten

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thvins

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragDo 12. Mai 2022, 09:32

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

25.04.2022 – Teil 5


Irgendwann in der Nacht wache ich noch mal auf und höre, wie es immer noch vor sich her nieselt.

Dann wache ich auf und wundere mich, dass es nicht mehr regnet, als ich dann aufstehe, ist das Zelt zwar noch nicht trocken, aber ich kann am Picknicktisch frühstücken. Welch Luxus nach dem gestrigen Abend.

Ich beobachte einen älteren Mann, wie er sich eine Maske aufsetzt, um seine Mülltonnen aus dem Garten zur Straße vor zu bringen. Auch als er dann – völlig allein – in seinem eigenen Garten werkelt, behält er die Maske auf...

Auch in Frankreich muss man nicht mehr... - und die meisten sind wohl auch froh drüber, in den Geschäften tragen vielleicht noch 20-25% freiwillig eine Maske, aber auch auf der Straße begegnen mir immer wieder einzelne Menschen, die freiwillig mit Maske unterwegs sind. Ältere vor allem, aber auch einige Jüngere und sogar Kinder und Jugendliche...

Ich selbst bin froh, dass dieser Spuk mit dem Zwang zur Maske (vorerst?) vorbei ist. Auf der ganzen Tour wird mich niemand fragen, ob ich getestet, geimpft, geboostert bin, niemand wird mich zur Maske ermahnen oder gar dazu nötigen. Niemand wird einen Nachweis für irgendwas verlangen. Corona wird kein Thema der Gegenwart mehr sein, nur im Zusammenhang mit der Vergangenheit der letzten leidigen 2 Jahre. Und auch da meist nur im Zusammenhang mit dem Einbruch der Wirtschaft und wirtschaftlichen Konsequenzen für Einzelne, die aufgeben mussten.

Obwohl ich gestern nicht so weit gekommen bin, wie ich ursprünglich vor hatte, halte ich an meinem Plan fest, mir Gannat an zu schauen. Die kleine Stadt hat viel Ursprüngliches behalten, eine Burg, alte Gassen und Häuser und eine sehr schöne alte Kirche. Hier sind besonders die romanischen Kapitelle im Inneren interessant, eines finde ich auch außen.

Vor der Kirche sehe ich wieder mal, wie sympathisch das Thema Wahlkampf in Frankreich gelöst wird. Es gibt in jedem Ort nur einen Wahlkampfplatz, wo jede Partei ein Plakat gleicher Größe aufkleben kann, analog der Listennummern auf dem Wahlzettel. Ansonsten sind die Orte nicht durch stetige Wahlplakate verunstaltet.

Da es jetzt gestern nur noch um die Stichwahl ging, hingen nur noch die Plakate der beiden Verbliebenen... Ich würde schon ganz gern wissen, wie das ganze ausgegangen ist, ob die Franzosen das kleinere Übel oder das richtig große Übel gewählt haben. Aber einfach so irgendwen ansprechen und fragen?

Nein, das spare ich mir, denn dank meines zeitigen Stopps gestern habe ich ja jetzt noch ein zusätzliches Date vor mir. Und da würde ich dann fragen können...

Weiter geht es über Riom in Richtung Clermont-Ferrand. Kurz hinter Riom rechts runter von der vierspurigen Nationalstraße und den Berg nach Châteaugay hinauf – bis so ziemlich ganz nach oben. Auch wenn es im Ort etwas tricky ist, das Auto kennt den Weg noch...

Ich stehe vor dem Keller der Domaine Rougeyron. Ich kenne dessen Weine – Côtes de Auvergne Chateaugay – seit einer Wanderung im Cantal Mitte der 90er Jahre, habe dann jahrelang den Stand auf den Messen in Strasbourg bzw. Lille besucht und später immer wieder mal auf dem Weg ins Priorat dort angehalten. Natürlich werde ich wiedererkannt und freundschaftlich begrüßt.

Dieses Jahr fällt mir ganz besonders der Rosé auf, den ich sonst immer irgendwie übergangen habe, aber auch der Weiße und die drei Roten sind immer noch genau so klassisch gut, wie ich sie von eh und je her kenne und mag. Auffälliges Detail bei den Roten sind die neuen, moderner gestalteten Etiketten – der farbliche Unterschied macht nun die Zuordnung leichter, wenn der Kunde sagt: „Der rote hat mir gefallen, davon möchte ich nachkaufen.“ und der Winzer dann antworten musste: „Welcher, ich habe drei verschiedene...“

Die Vor-Ort-Preise bewegen sich hier nur zwischen 6 und 8 €, man hat zwar auch ein wenig angezogen, aber nach wie vor ist das ein einfach enormes Preis-Genuss-Verhältnis, wenn man die Chance hat, ab Hof zu kaufen. Dafür erhält man exzellente Weine, die Ausdruck ihrer jeweiligen Böden sind – die Roten stehen auf Vulkangestein, was man deutlich schmeckt, Rosé und weiß kommen von tiefer gelegenen Kalksandsteinböden.

Wir unterhalten uns während der Verkostung auch über alles mögliche – und ich erfahre auch das Wahlergebnis. Aufatmen, auch wenn es bedrückend ist, wie viele dann doch für Le Pen gestimmt haben.

Im Anschluss an meinem ersten Zwischenstopp bei einem Winzer geht es nach Clermont-Ferrand zum Auchan. Zunächst Einkaufen. Ich brauche Brot, Butter, etwas Fleisch für den Abend – hier wird es ein Kalbsschnitzel. Mit wollen dann auch zwei regionale Käsestücken für den sofortigen Verzehr und zwei regionale Biere, für die ich inzwischen ein Faible entwickelt habe. Tartiflette – Käse für das Essen unterwegs wird auch eingepackt – ich habe eine angebrochene Packung Crozets von zu Hause mitgenommen.

Kaffee brauche ich auch, mein Rest wird nicht mehr lange reichen – und ich brauche ja Vorrat für zu Hause. Kaffee ist zwar auch etwas teurer geworden, aber mit 1,39 € pro 250g Paket bin ich noch halbwegs gut bedient. Leider gibt es nur noch 4 Pakete.

Auch die Butter ist so teuer geworden wie bei uns. 1,97 € zahle ich – allerdings bei vergleichbar weit höherer Qualität. Da weiß ich aber noch nicht, dass man bei uns wohl noch mal mehr als 10%
drauf geschlagen hat.

Ansonsten habe ich das Gefühl, die Preise bewegen sich im normalen Rahmen. Einziger Wermutstropfen beim Einkauf: Es gibt so gut wie keinen Senf, meine extra scharfe Sorte schon mal gar nicht – egal von welchem Hersteller...

Das Tanken beim Auchan kostet 1,725 € pro Liter E10, das ist immer noch sauteuer, aber deutlich günstiger als bei uns und nur marginal teurer als in Luxemburg, wo der Unterschied früher weit deutlicher war. Ich lese an der Zapfsäule aber auch, dass der französische Staat den Preis indirekt subventioniert, in dem er auf etliches an Steuer pro Liter verzichtet. Ein Wahlkampfgeschenk Macrons oder einfach doch nur die sozialere Politik als bei uns? Ich bin geneigt, sogar Letzteres zu glauben... Vor allem diskutiert man nicht ewig lange wie bei uns und setzt auf eine Verzögerungstaktik, sondern man agiert umgehend, um die Inflation dann doch nicht wie bei uns aus dem Ruder laufen zu lassen.

Nun bin ich bereit für die mautfreie Autobahn...
Beste Grüße

Torsten

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austria_traveller

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragDo 12. Mai 2022, 11:37

Servus Torsten,
Danke für den Bericht.
Bin schon gespannt wie's weitergeht
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
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thvins

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragDo 12. Mai 2022, 12:47

Servus Gerhard,

den 3. Anreisetag habe ich inzwischen fertig...


Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

25.04.2022 – Teil 6


Die mautfreie Autobahn von Clermont-Ferrand bis ans Mittelmeer gehört, seit es sie gibt, zu den für mich schönsten Strecken durch Frankreich. Normal gibt es auf Autobahnen nicht viel für das Auge, aber hier erleben wir das gesamte Zentralmassiv in seiner außergewöhnlichen Schönheit.

Und die Strecke ist, obwohl bis auf das Viadukt von Millau mautfrei, wenig befahren, so dass es sich entspannt fahren lässt. Die Park- und Rastplätze sind vorbildlich, meist gibt es etwas zu sehen und alles ist gut gepflegt.

Nahe Massiac gibt es einen solchen schönen Rastplatz mit weiter Aussicht, u.a. auch in das Tal der Allagnac. Es gibt einen Dolmen und einige Ausgrabungen zu sehen, alles prima mit Erklärtafeln versehen. Für mich ist es hier Zeit zum Mittagspicknick.

Nach ursprünglichem Plan hätte ich hier in der Ecke am Vorabend runter fahren und nach einem Schlafplatz suchen wollen, ich bin also nun ca. einen halben Tag verspätet, aber es hetzt mich nicht. Ich beschließe, keinen Gewaltritt bis an die Pyrenäen zu machen, sondern statt dessen auf einem mir wohlbekannten Platz vor Rodez zu übernachten, welcher auch eine ordentliche Toilette und eine Wasserstelle hat. Somit habe ich auch die Zeit, mir einen weiteren Kulturstopp zu gönnen, der gerade rechtzeitig zur Nachmittagsmüdigkeit kommt.

Ich verlasse die Autobahn, um mir das alte Städtchen Marvejols anzuschauen. Eine wahre kleine Perle ist die Altstadt mit ihren drei Stadttoren, alten engen Gassen und Häusern und einer wiederum recht sehenswerten Kirche. Wie viele schöne kleine Orte doch immer wieder überall in Frankreich darauf warten, entdeckt zu werden...

Anschließend geht es noch einmal kurz auf die Autobahn, ehe ich dann in Richtung Rodez abbiege. Beizeiten erreiche ich Laissac. Zunächst genehmige ich mir eines der beiden Biere aus der Auvergne und höre etwas Musik unter Kopfhörern, genieße das endlich schöne Wetter und den Spätnachmittag.

Laissac rühmt sich, den größten „Marche aux Bestiaux“ Frankreichs zu haben, wobei sich die Bestien als Rinder entpuppen, die hier gehandelt werden. Grade ist wohl so eine Handelsperiode – der Ort ist gut besucht, immer wieder kommen Transporter mit Kühen an, andere fahren mit Kühen wieder weg. Sicher ist das nicht der glücklichste Moment im Leben dieser Tiere, aber wenn ich so überlege, dass es in fast allen Gegenden Frankreichs unzählige Kuhherden auf den weiten Wiesen gibt, die dort ein friedliches und glückliches Leben führen... Fast überall waren derzeit auch etliche Kälbchen mit zu sehen. Manchmal frage ich mich schon, ob es nicht wenige Ecken in Frankreich gäbe, wo mehr Kühe die Gegend bevölkern als Menschen...

Auch ich habe dann ein schönes Kalbsschnitzel auf der Trangia – Pfanne am Abend, dazu eine Flasche 2005er Bolero – der Spitzenwein vom Château Masburel aus Südwestfrankreich. Er macht inzwischen viel Spaß, hat aber noch immer unglaublich viele Reserven. Wäre das ein Pomerol statt ein Wein aus Bergerac (hauptsächlich Merlot, ein wenig Cabernet – Sauvignon) mit der selben Qualität, würde man dafür wohl inzwischen dreistellige Kurse aufrufen, auch wenn das absurd erscheinen mag. Klar, für einen Prioratliebhaber sind Bordeauxpreise dann doch inzwischen meist absurd...

Der Platz wird von Wohnmobilen arg frequentiert, die hier allesamt auch umsonst stehen dürfen, wie es in vielen Ecken Frankreichs Tradition ist, auch mein Auto wird abends noch von zwei Wohnmobilen „eingekesselt“, eines hat ein deutsches Kennzeichen. Dennoch schlafe ich im Zelt auf der Wiese sehr ruhig und tief.
Beste Grüße

Torsten

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragDo 12. Mai 2022, 15:21

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

26.04.2022 – Teil 7


Heute Morgen muss der Wecker ran, ich darf nicht zu lange schlafen, denn ich will ja meine „Verspätung“ raus holen, daher habe ich für heute auch keine großen Kulturstopps mehr vorgesehen. Dafür wird mich die Landschaft auf der Strecke entschädigen.

Bis hinter Rodez läuft alles im Business as usual... Aber dann bei La Primaube der Schock... Baustelle auf der neuen Autobahn Richtung Albi, ich muss runter und auf die alte Strecke der N88, die durch mehrere kleine Dörfer geht und auf der die gesamte Strecke maximal für 80 km pro Stunde zugelassen ist. Dabei fuhr sich das zuletzt doch so schön schnell weg auf der neuen Autobahn. Jetzt heißt es bis Höhe Carmaux wieder schleichend vorwärts...

Dafür ist die Dauerbaustelle Albi scheinbar fertig. Hier geht es nun zügiger als früher. Wieder mautfreie Autobahn bis Toulouse, nur für den Eintritt nach Toulouse werden wie üblich 1,60 € fällig. Auf der Toulouser Peripherie komme ich gut und flüssig voran und auch in Richtung Andorra rollt es sich gut.

Auf dem Picknickplatz am Bahnhof von Cintegabelle ist Mittagspicknick angesagt, dann geht es weiter und von Pamiers bis Tarascon-s-Ariège gibt es noch mal einen Abschnitt mautfreier Autobahn.

In Tarascon halte ich noch mal am Supermarkt für ein paar Kleinigkeiten. Auch hier wieder: Kein Senf! Dafür als Supplement zwei verschiedene Sorten richtig wohlschmeckender Erdbeeren, die ich auf französische Art mit einer leicht salzigen Art Creme Fraiche genießen werde und ein Bier aus der Ariège-Gegend.

Auch beim Kaffee werde ich noch mal fündig, aber auch hier ist nicht mehr all zu viel da vom preiswerten Arabica. An der Kasse dann aber der Schock – für den Kaffee wird deutlich mehr abgezogen, als am Regal ausgeschildert stand. Plötzlich soll ich 3,66 € je 500g zahlen. Ich reklamiere und die gute Frau vom Serviceschalter marschiert mit Kaffee und Kassenzettel kontrollieren, kommt zurück und ich bekomme 3,36 € wieder rausgegeben, das ist defacto ein Paket Kaffee. Man sollte also auch in Frankreich sich merken, was am Regal steht und den Kassenzettel umgehend prüfen. 2,54 € pro Paket und 3,66 € ist schon ein Unterschied.

Dann genießen die Augen die Fahrt durch die Pyrenäen, aus Zeitmangel verzichte ich auf ein Rausfahren in Ax-les-Thermes zum Fußbad mit Kaffee und Pain aux Raisin, dafür freue ich mich über die Fertigstellung der Umgehungsstraße. Es geht nun recht fix nach Andorra hinauf und bald schon habe ich Schnee neben der Fahrbahn und es wird deutlich kühler.

An der Grenze kein Stopp, ich darf langsam durchfahren wie alle anderen auch. Freiwillig dagegen stoppe ich wie immer auf dem Pass Port d´ Envalira auf mehr als 2.400 m Höhe. Vor der Bar am Pass sitzen drei Leute in der Sonne – Bier trinkend und den Schneeblick genießend. Danach wäre mir jetzt auch. Aber Fehlanzeige, die drei sind Personal der Bar und die Bar ist geschlossen. Ich bekomme kein Bier und darf nur so kurz in die Runde gucken.

Auf dem Parkplatz werde ich von einer jungen Familie mit zwei kleinen Kindern angesprochen, ob ich ein Foto von ihnen machen könne – augenscheinlich Osteuropäer. Wir verstehen uns mit ein wenig Englisch und ich frage, wo sie denn her kommen... Russland. St. Petersburg lautet die Antwort. Als ich auf den Krieg zu sprechen bekomme, merke ich erneut, wie hirngewaschen die Russen leider sind. Es werde kein Krieg geführt, sondern es werden nur Verbrecher und Terroristen bekämpft. Die Ukrainer als Volk wären doch ihre Freunde, kein Russe schieße auf Zivilisten, es gäbe auch keine Raketen etc auf Wohngebiete... Das seien alles Fake-News der westlichen Propagandasender... Ich habe einen Kloß im Hals und kann das alles nicht glauben, wie sehr man ein Volk verblenden kann... Eigentlich möchte ich dann wohl besser keine Russen mehr treffen.

Ich lasse mich bis Soldeu abrollen, dann gewinnt der Durst auf ein kühles Bier und der Drang nach einer Toilette die Oberhand.

Nächster Stopp in Andorra – meine Lieblingstankstelle kurz unterhalb von Canillo. Der nächste Schock: 1,595 € pro Liter Super und das bei nur 4,5% Mehrwertsteuer. Das sind fast 60 Cent mehr als beim letzten Mal Tanken hier. Aber der Tankwart erinnert sich an mich und fragt, ob ich inzwischen alle andorranische Euro-Münzen habe. Ich verneine, denn wo bekommt man denn schon andorranische Euromünzen, wenn nicht teuer beim Münzhandel... Er schaut in seiner Kasse durch und dann gehe ich mit einem kompletten Satz von 1 Cent bis 2 € 1 zu 1 getauscht wieder raus. Wenigstens in der Hinsicht hat sich das Ganze dann doch gelohnt.

Ich komme recht gut durch Andorra, obwohl recht viel Verkehr ist, aber es geht flüssig voran. Dann muss ich sehen, wie das Warenhaus kurz vor der spanischen Grenze grade komplett abgerissen wird. Als Punta Trobada war das über Jahrzehnte einfach Kult, dort einkaufen zu gehen, in den 90ern noch mehr als dann mit dem Euro. Plötzlich gab es beim Kauf von 4 Paketen Kaffee keine Flasche Baileys mehr gratis und auch das Weinangebot ließ nach. In den 90ern hatte ich hier auch häufig gesuchte Priorat-Weine raus geschleppt, auch meine Uhr mit Höhenmesser kaufte ich dort – für fast 100 € weniger als diese bei uns gekostet hätte. Und etliches an CD´s, unter anderem fast meine gesamte CD-Sammlung von Lluis Llach.

Dann, als es Leclerc wurde, begann der Niedergang. Da war es dann nichts anderes wie jeder Leclerc in Frankreich, aber gut, dennoch immer noch ein komfortabler Platz für den normalen Einkauf... und nun – alles vorbei – die Zeiten ändern sich, auch wenn sie nicht besser werden. Auch in Andorra.

Auch nach Spanien rein keine Kontrolle mehr, na gut, es lohnt ja auch nicht mehr, die Preise sind zuletzt den spanischen immer ähnlicher geworden.

Dann die Schluchten unterhalb von Seu d´ Urgel genießen und in Ponts abbiegen in Richtung Guissona, weiter über Tarrega auf Espluga de Francoli zu. Ich rechnete mir aus, dass ich aber nicht mehr im Hellen das Priorat erreichen würde. So beschloss ich, bereits in Blancafort halt zu machen und die letzte Fahrstunde ins Priorat erst am nächsten Tag zu machen.

Somit konnte ich noch im Hellen mein Zelt aufbauen und auch noch mit Kochen anfangen. Gegessen wurde dann allerdings erst im Dunkeln. Ich hatte noch einen roten 2009er Domaine Amblard von der Cotes du Duras – wie am Abend zuvor Südwestfrankreich, allerdings deutlich preiswerter als der Bolero. Und was soll ich sagen, nicht schlecht. Eines der besten Preis-Genuss-Verhältnisse, die ich aus der Ecke kenne. Die Domaine Amblard hatte ich ebenso auf dem Salon in Lille kennen gelernt – oder war es in Strasbourg? Der Winzer hatte seinerzeit die Bestellungen zwei Mal jährlich nach Deutschland ausgeliefert... Ich sollte wohl mal recherchieren, ob es die Domaine noch gibt und wie dort der Stand ist... So manchen Medoc der 20+ € Klasse habe ich schlechter in Erinnerung.

Aber morgen ist nun erst mal das Priorat angesagt. Hier wird es die nächsten Tage mehr als genug zu tun geben.
Beste Grüße

Torsten

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragFr 13. Mai 2022, 11:44

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

27.04.2022 – Teil 8


Kurz nach dem heutigen Start erreiche ich Espluga de Francoli. Als alter Fuchs weiß ich natürlich, dass man dort beim BonArea immer am günstigsten tankt für spanische Verhältnisse. Also beschließe ich, den Tank gleich noch mal richtig voll zu machen, um nicht in Falset oder Cornudella teuer tanken zu müssen. 1,677 € pro Liter Super werden mir angezeigt, inzwischen gibt es hier auch eine Rückgabekasse, wenn man seinen eingegebenen Geldschein nicht vollständig verbraucht, ich werfe also 20 € ein, das sollte reichen, denn seit Andorra habe ich ja noch nicht so viel verbraucht, zumal es ja eh die meiste Zeit bergab ging...

An der Zapfsäule dann die Überraschung – pro Liter werden nur 1,477 € pro Liter berechnet, auf der Quittung wird die Differenz dann als Bonus vermerkt werden. Ich erfahre, dass der Staat diese 20 Cent wegen der erhöhten Inflation gut schreibt. Was sich in Deutschland über Monate hin zieht, wurde also auch in Spanien einfach recht schnell gemacht und entlastet nun tatsächlich die Kasse des Tankenden! Mit 1,477 € ist es nun deutlich günstiger als in Andorra! Fast 12 Cent Unterschied! Damit tankt man derzeit in Spanien am Günstigsten, zumindest bei BonArea!!!

Ich beschließe, wenn das auf der Rückfahrt wieder so ist, dann muss ich nicht wieder über Andorra zurück, sondern kann mir aussuchen, ob ich über die Cerdagne oder über Vielha zurück fahre.

Auf nicht mal 10 Liter, die rein gepasst haben, spare ich so fast 2 €, das ist schon mal was. Aber nicht zu vergessen, dass man dennoch auch hier so noch 20 bis 30 Cent pro Liter mehr zahlt, als auf der letzten Tour hier her!

Dann geht es wenig später bergan für mich, hinauf nach Vilanova de Prades – das Montsant-Massiv grüßt und mir wird es leicht und warm ums Herz...

Wie lange habe ich diesen Blick vermisst!

Über Ulldemolins und Cornudella fahre ich dann durch bis Porrera, jede Kurve genießend... Ins Priorat fahren heißt noch immer „Schleudertrauma inklusive!“

In Porrera bekomme ich einen schattigen Parkplatz auf der Zufahrtstrasse zum Plaza Catalunya. Alles scheint ruhig. Das durch die Schneelast 2020 eingestürzte Vall Llach Warenhaus wird grade neu wiederaufgebaut bzw. scheint äußerlich schon fertig, aber man ist noch fleißig zugange. Das Gebäude, wo Raimon zuletzt seine Weine als Lagerhaus drin hatte, gehört jetzt zum neuen Vall Llach Lagerhaus mit dazu, man hat also auch dieses durch das Unglück angeschlagene Haus mit abgerissen und neu gebaut.

Bei Sangenis I Vaque ist offen, was liegt also näher, dort gleich als Erstes rein zu schauen. Nuria, Peres jüngere Tochter ist da und sofort leuchten ihre Augen und wir begrüßen uns mit einer herzlichen Umarmung. Sie ruft nach ihrer Schwester Maria und auch hier dasselbe...

Wir machen sofort für morgen Nachmittag einen Termin zur ausgiebigen Verkostung aus. Ich bin wohl doch eher nach Hause gekommen...

Vor dem Weinladen am Plaza werden grade die Tische raus gestellt und geputzt. Die Eigentümerin sieht mich und ruft laut – ihre Arme zur Begrüßung ausgebreitet: „Hombre!!!“ Ich werde auf Katalan begrüßt, aber wir verstehen uns gleich wieder.

Ich überlege, bei wem es vielleicht schwierig wird, sich wieder zu sehen in Porrera, weil er vielleicht nicht groß irgendwo präsent ist und mir fällt Dic Duran ein – von den Duran Brüdern brauche ich auf jeden Fall neue Weine, hat der Trosset de Porrera doch bei den letzten Jahrgangsblindverkostungen immer weit vorn mitgespielt: der 2009er, 2010er und der 2011er bei den 10years after...

Zuvor aber kommt noch der Winzer des Dempeus auf mich zu und freut sich, mich zu sehen. Er berichtet, dass er noch Wein macht, aber nicht mehr lange, er sei zu alt inzwischen und die Kinder wollen es nicht weiter führen... Auch das gibt es also im Priorat, wo es doch eigentlich meist umgekehrt ist und die Jungen mit Eifer das Werk der Alten fortführen.

Als ich zu Cims de Porrera komme, bereiten Marc Perez und Dic Duran grade Weine zum Verpacken vor, auch sie freuen sich außerordentlich und wir fallen uns um den Hals und drücken uns erst einmal ganz fest wie gute alte Freunde. Wenig später kommt auch Adria Perez dazu und er freut sich natürlich ebenso über das Wiedersehen seit so langer Zeit.

Wenig später lade ich die ersten Kisten mit Musterflaschen ins Auto – Weine von Cims de Porrera, den Cousins Marc & Adria und natürlich von Germans Duran. Die Duran-Brüder machen inzwischen auch einen Weißwein, es gibt vom ersten Jahrgang nur um die 230 Flaschen, die ausschließlich im Laden in Porrera verkauft werden. Eine Musterflasche davon bekomme ich aber dennoch mit, um mir einen Eindruck machen zu können. Ab dem Folgejahr könnte ich den Wein dann auch bekommen, wenn ich mag.

Der Antagonique von den Cousins ist in diesem Jahr kein Blanc de Noirs mehr, sondern ein Rosé – ich bin gespannt... Die aktuellen Jahrgänge beim Cims sind 2013 für den Clássic und 2014 für den Cims Garnatxa. Hier lässt man sich inzwischen viel Zeit, ehe die Weine in den Verkauf kommen. Außerdem gibt es nun einige der Weine von den speziellen Fässern zu kaufen, aber auch hier sind die Minimengen so rar, dass sie davon keine Musterflaschen raus geben, einen kleinen Eindruck werde ich aber zur Carignan – Nacht bekommen können, wenn einige Weine davon vorgestellt werden. Was es vor Jahren davon schon immer mal so gab, war allesamt auf dem Niveau nahe der Perfektion. Allerdings wird das auch kein all zu preiswertes Vergnügen.

Als ich die Weine im Auto verstaut habe, ist es nahezu Mittagszeit in Katalonien. Ich genehmige mir ein Glas Weißwein im Weinladen, den Weißwein vom Clos 93 aus El Lloar, der recht angenehm und aromatisch ist.

Beim Celler Castellet treffe ich leider niemanden an und auch bei Raimon ist niemand. Aber ich drehe noch eine große Runde durch das alte Dorf mit seinen engen Gassen. Ich treffe auch noch Joan Sangenis vom Celler Cal Pla mit seiner Frau vor deren Keller. Auch hier die inzwischen gewohnte Begrüßung. Joan sagt, dass er mir ein paar spezielle Muster vorbereiten werde und wir kommen auf unsere 10 und 15 Jahres-Proben zu sprechen. „I´ll give you 2007 Mas d´ en Compte Blanc and some more nice things“, er lachte über das gesamte Gesicht, wohl wissend, dass dieser Wein uns mit Sicherheit überraschen wird.

Zurück am Plaza Catalunya bemerke ich, dass die gute alte Bar am Platz so aussieht, als sei sie schon länger zu. Jemanden fragen kann ich aber nicht dazu, denn auch der Weinladen hat inzwischen Mittagspause.
Beste Grüße

Torsten

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragFr 13. Mai 2022, 18:16

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

27.04.2022 – Teil 9


Ich fahre hinüber nach Torroja und will schauen, ob ich Jordi oder Susi begegne, denn auch sie werde ich während der Fira-Zeit eher nicht treffen, sie sind nur in Torroja präsent und da habe ich kein Ticket für. Cristian F. Breton, von dem ich sonst immer eingeladen wurde in den letzten Jahren, ist selbst nicht dabei wie so viele andere kleinere Familienbetriebe aus Torroja auch. Bei Cristian weiß ich leider nicht, wo er wohnt, es wäre also Glück, ihm über den Weg zu laufen. Bei Aixalà Alcait versuche ich es im Keller und auch zu Hause, aber es ist niemand da. Ich hatte auf dem Platz am oberen Dorfende geparkt, die schöne Gaststätte ist völlig leer geräumt und es wird fleißig gebaut. Der vorige Eigentümer hat wohl die Corona-Lockdown-Zeiten nicht überlebt, aber es soll wieder was Neues dort einziehen. Am Fira-Wochenende will man zumindest draußen etwas servieren.

Auf meinem Rundgang durch das Dorf treffe ich zwei deutsche Wanderer, die von Buil I Giné aus nach La Vilella Alta gegangen sind und von dort aus nach Torroja. Sie wollen dann auf dem Wanderweg Richtung Gratallops weiter, dann aber versuchen, etwas abzukürzen, um wieder zum Auto zu kommen. Ob das gehen könnte, weiß ich auch nicht, wir sind seinerzeit den normalen Weg nach Gratallops rein gewandert.

Wir unterhalten uns noch ein wenig, in der Zeit kommen Salus Alvarez und Francesc Vernet vorbei und auch die beiden begrüßen mich freundschaftlich. Als die beiden weiter wandern, beschließe ich, gleich hier auf dem Platz mein Mittagpicknick zu machen. Einige der wilden Katzen, allesamt scheu, aber neugierig und hungrig, beobachten mich aus sicherer Entfernung, kommen aber langsam immer näher und einige lassen sich sogar anfüttern, aber sie kommen nicht zum Streicheln heran. Immer noch wird man den Eindruck nicht los, in Torroja wohnen mehr Katzen als Menschen.

Die beiden Wanderer hatten mir von einem Keller berichtet, an dem sie „mitten in der Pampa“ vorbei kamen, vor dem grade mittels LKW – Anlage Flaschen abgefüllt worden seien, eine nicht unübliche Praxis im Priorat, wo sich nicht jeder eine eigene Abfüllanlage leisten kann. Ich vermute, dass es sich um die ehemalige Mayol – Kellerei handele und beim Weiterfahren nach Gratallops soll sich meine Vermutung auch bestätigen. Aber dieser neue Erzeuger ist wohl noch nicht auf der Fira mit vertreten und es wird kaum Zeit sein, völlig neue unbekannte Projekte aufzusuchen, sollten sie keinen Stand auf der Fira haben.

In Gratallops parke ich im Dorfzentrum und registriere, dass der BonViUre-Laden noch Mittagspause hat. Ich will auch hier nun etwas durch das Dorf schlendern, um erste Sondierungen vorzunehmen, aber ich komme nicht weit. Da, wo meiner letzten Information Sao del Coster neu bauen wollte, ist jetzt ein fertiger Keller und Clos Pachem lädt zum Entdecken und Verkosten seiner Weine ein. Und tatsächlich, ich werde gleich willkommen geheißen. Ich gehe noch mal kurz zum Auto, um Stift, Papier und Fotoapparat zu holen und schon kann es doch eine erste Besichtigung zu einem neuen Projekt geben.
Beste Grüße

Torsten

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragSa 14. Mai 2022, 08:48

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

27.04.2022 – Teil 10


Ich bekomme bei Clos Pachem natürlich alles gezeigt und jede Menge Informationen zu dem neuen Projekt und darf die ersten Weine des Weingutes verkosten. Auch Musterflaschen davon bekomme ich mit. Es wird für die Interessierten einen Extra – Beitrag geben, indem ich das Projekt und seine Weine ausführlicher vorstelle.

Wieder am Auto, kommt mir auf dem Platz Jaume Balaguer entgegen. Wir begrüßen uns außerordentlich herzlich und sprechen über dieses und jenes, einen Termin zur Verkostung der aktuellen Weine machen wir auch aus, allerdings nach der eigentlichen Fira, so dass auch Klaus-Peter davon profitieren kann. Er wird – erstmals mit seinem Sohn – erst kurz vor der Carignan – Nacht Porrera erreichen.

Jaumes Vater kommt hinzu und freut sich, mich zu sehen. Er ist immer noch munter und aktiv, genießt aber doch weitgehend seinen Ruhestand. Das jahrelange kultige Restaurant Piró wird Geschichte bleiben, es gibt keinerlei Pläne, etwas zu verkaufen oder zu verpachten, damit das Restaurant wieder belebt wird.

Wir schwatzen recht lange auf dem Platz und ich merke gar nicht, wie spät es eigentlich ist. Mir fällt dann nur ein, dass ich noch ein Brot brauche und es sieht wieder nach Regen aus. Das lässt mich auf die Idee kommen, nach Cabaces hinauf zu fahren, um dort Regen sicher übernachten und essen zu können.

Als ich die Straße vor schaue, bemerke ich, dass sowohl der Bäckerlebensmittelladen als auch der Fleischerlebensmittelladen schon wieder zu haben. Als ich ins Dorf kam, hatten sie noch nicht wieder auf.

Die einzige Chance, die mir bleibt, ist La Vilella Baixa. Der dortige berühmte Fleischer ist auch bereits geschlossen, die Bar nebenan hat offen und jede Menge Tische draußen stehen, die auch voll besetzt sind. Der Lebensmittelladen ist noch offen, ich stoppe also und gehe in den Laden. Ich bekomme tatsächlich ein Brot, aber nur noch ein eingefrorenes. Gut, ich brauche es eh erst wirklich für morgen zum Frühstück. Etwas Obst und ein paar Tomaten müssen auch noch gleich mit.

Mein Biwakplatz liegt einige Kilometer oberhalb von Cabaces, wer sich dort hoch trauen will, muss sich auf eine extrem enge und steile Straße einstellen. Selbst an einem Fußgänger vorbei zu kommen, wird oft nicht einfach, es gibt nur wenige mögliche Haltebuchten, um entgegenkommende Fahrzeuge vorbei zu lassen. Es gibt einige Steilkurven und der Anstieg ist teilweise so steil, dass man im 2. Gang beherzt Gas geben muss, um nicht stehen zu bleiben. Zum Schluss geht es noch steiler bergab, nachdem man kurz den Himmel gesehen hat, will das Auto dann nach unten und wer die Strecke noch nicht kennt, hofft, es geht nicht bis hinab in die Hölle.

Dafür landet man an einem traumhaften Platz mit überdachten Picknicktischen, Wasserstellen, Grill und Toilette. Ich genieße die Ruhe – der Regen darf kommen – und er kommt... Zuvor aber habe ich sowohl mein Nachtlager bereitet als auch alles am Platz, was ich zum Kochen brauche.

Der erste Tag im Priorat ist Geschichte und alles ist gut. Erste Weine für kommende Blindverkostungen sind im Auto, erste Termine gemacht, erste Leute getroffen. Alles ist noch immer wie immer, obwohl vieles in fließender Veränderung ist.

Glücklich genieße ich die friedliche Regennacht.
Beste Grüße

Torsten

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragSa 14. Mai 2022, 10:21

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

28.04.2022 – Teil 11


Am Morgen ist es noch recht kühl hier oben, aber es ist trocken. Ich frühstücke und packe zusammen, mache eine ausgiebige Campingdusche und dann nehme ich beherzt Anlauf, um mit dem Auto das erste supersteile Stück zum höchsten Punkt der Rückfahrt hinunter ins Dorf zu meistern. Zum Glück kommt mir auch dieses Mal wieder niemand entgegen.

Wenn ich nun schon mal in Cabaces bin, will ich mich gleich um das Abwenden einer möglichen Ölkrise kümmern und fahre zur Mühle von Miro Cubells hinauf. Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich eine neue Palette mit Olivenöl und einigen Weinen auf den Weg bringen lassen müssen.

Obwohl auf dem Parkplatz mehrere Autos stehen, ist niemand in der Mühle anwesend. In der Nähe verbrennen ein paar junge Burschen abgeschnittene Zweige. Ich kenne sie aber nicht und weiß nicht, ob sie zu Miro Cubells gehören. Aber ich kenne natürlich das Wohnhaus von Fernando und Neus. Also gehe ich die paar Meter zu Fuß ins Dorf.

Der Schlüssel steckt von außen, aber auf mein Klingeln reagiert niemand. Ich will schon aufgeben und zum Auto gehen, als die jungen Burschen, die mich beobachtet hatten, mir bedeuten, ich solle mich noch einmal umdrehen. Und tatsächlich – da kommt Neus des Weges, sie war Brot holen im Dorf und kommt jetzt lachend auch mich zu. Sie spricht nur katalan, aber wir verstehen uns wie immer perfekt.

Sie sagt mir, dass sie umgehend los muss – nach Scala Dei, den Laden der Mühle öffnen. Ich entgegne, dass wir uns natürlich auch dort treffen können, um zu reden. „Perfecto“, sagt sie und nimmt mich noch einmal in die Arme... - bereits gestern hätten sie in der Familie diskutiert, ob ich denn zur Fira käme und wie es mir ginge...

Wenig später treffen wir uns beide auf dem zentralen Platz in Scala Dei, Der Platz wirkt wie ausgestorben, in ganz Scala Dei ist nicht eine der Gaststätten offen, damit wir uns dort einen Kaffee holen könnten. Das wird sich auch nicht ändern. Auch Touristen oder interessierte Kunden kamen die ganze Zeit keine, Neus klagt, dass sie meist die ganze Zeit umsonst im Laden sitze seit der Corona – Zeit, aber die Hoffnung sterbe schließlich zuletzt. Es könnte ja doch mal jemand kommen, der was kaufen würde... Ich kenne das, mir geht es auch nicht anders. Die ganzen Lockdowns und Restriktionen haben überall zum selben Ergebnis geführt. Selbst, wenn es ein paar mehr Internetbestellungen gibt, aber das Präsenzgeschäft ist in den letzten beiden Jahren weitgehend zusammen gebrochen. Du wartest oft vergeblich, dass jemand vorbei kommt, der etwas mitnehmen will. Und auch Märkte und Veranstaltungen gab es hier wie da kaum. Zusätzlich belastete Neus das Wegbrechen der Restaurantbestellungen für lange Zeit.

Aber heute sei ihr wenigstens nicht langweilig, denn ich sei ja jetzt da. Wir probieren die diversen Öle und sie packt Brot und Schafskäse aus, wenn wir schon nirgends hier einen Kaffee bekämen, so sollten wir doch ordentlich essen...

Ich gebe ihr meine neue Bestellung, über die sie sich natürlich freut. Auch wenn ich ihr sage, dass ich aufgrund der eingetretenen Situation fehlender Märkte und Veranstaltungen in 2021 erst mal keine Oliven und Tapenaden und auch kein Grand Cru Öl nachbestelle, weil ich noch auf guten Vorräten davon sitze. Wären letztes Jahr nicht wieder alle Weihnachtsmärkte für mich ausgefallen, wäre es vielleicht nicht an dem, denn die Waren gingen zu solchen Anlässen immer gut. Aber der klassische Internetbesteller denkt da nicht dran, davon etwas mit zu bestellen, hier sind eher nur die 2 l und die 5 l gefragt. Also werde ich jetzt aktuell auch nur die 2 l und die 5 l Olivenöl liefern lassen.

Als ich weiter will, fragt sie mich, was ich zum Mittag esse und ich entgegne, dass ich noch Brot habe und Käse aus Frankreich und dass ich das picknicken werde... Aber Neus will das nicht gelten lassen – frisches Brot aus Cabaces sei besser und sie gibt mir ein paar Scheiben mit Öl beträufelt, dazu von dem Schafskäse aus dem Priorat, ein Glas Oliven und eine kleine Flasche Öl, erst dann entlässt sie mich. Neus ist wie eine Mutter zu mir. Wir nehmen uns noch einmal in die Arme, sie erwartet natürlich auch meinen Besuch am Miro Cubells Stand auf der Fira.

Ich nehme die schmale abenteuerliche Straße nach Torroja hinüber und registriere, dass auch das Gebäude an dieser, welches eigentlich zu Costers del Siurana gehört hat (oder noch gehört) restauriert wird und aus der einstigen Ruine wieder etwas gemacht wird. Ich grüße hinüber zum Bessons-Weinberg und zu den Weinbergen von Jordi Aixalà.

Erneut halte ich kurz in Torroja, aber erneut treffe ich niemanden an, also weiter nach Porrera.

Ich habe genug Zeit für mein Mittagspicknick und auch einen Kaffee in der Weinbar gibt es noch, bevor ich meinen Termin bei Sangenis I Vaque habe. Beim Rundgang durch das Dorf treffe ich auf Raimons Frau, die ihm sagen wird, dass ich da bin. Aber wir treffen uns vorher, denn zufällig stehen unsere Autos nebeneinander auf dem selben Parkplatz. Er kommt gemeinsam mit Ricard Zamora und steigt in sein Auto – sie kommen von einem Termin und müssen zum nächsten. Aber auch wir können so wenigstens etwas ausmachen. Beide freuen sich, dass ich endlich wieder im Priorat bin und dass man sich bei der Vereinigung der Kellereien von Porrera freue, mich wieder auf der Carignan – Nacht dabei zu haben.

Món Porrera...
Beste Grüße

Torsten

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Re: Endlich wieder Einmal ins Priorat und zurück - Fira 2022

BeitragSa 14. Mai 2022, 17:44

Endlich wieder einmal ins Priorat und zurück – nach der Coronakrise im Frühjahr 2022

28.04.2022 – Teil 12


Mein Besuch bei Sangenis I Vaque steht an, Maria hat insgesamt acht Weine vorbereitet, beginnend mit den Lo Coster Blanc 2021 über die einfacheren Joven- und nur kurz in alten Fässern ausgebauten bis hoch zum Coranya und zum Clos Monlleo. Erneut viel Spaß macht der Weißwein, großartig ist der Vall Por, wo man inzwischen 2017 verkauft, wobei es auch noch ein paar Flaschen 2005er zum Liebhaberpreis gäbe.

Vom Coranya bekomme ich 2010 als Muster mit, 2014 verkoste ich vor Ort, die Jahrgänge dazwischen wurden wie auch 2008 und 2009 nicht produziert, weil man mit dem Charakter und der Qualität des Weines dieser Lage nicht zufrieden genug war.

Beim Clos Monlleo, dem Spitzenwein verkauft man inzwischen auch die Jahrgänge 2008 bis 2011. 2010 und 2011 bekomme ich ins Glas, von 2008 und 2009 bekomme ich eine Musterflasche mit zur ausführlichen Probe daheim. Außerdem gibt es eine Flasche vom noch nicht im Verkauf befindlichen 2012er Clos Monlleo, damit wir diesen mit in unsere diesjährige 10years after Probe bringen können.

Nachkaufbar wären auch noch 2005er bis 2007er Clos Monlleo, allerdings zu erhöhten Preisen, mit denen man die Reife und positive Entwicklung des Weines würdigt, genau so wie noch Gran Reserva 2000 und 1999 angeboten werden. Auch der süße Simfonia en Dolc – Lot 2 aus 2007 mit der leichten süßen Rancionote ist noch zu haben. Da ich auch hier nicht mehr viele Flaschen von auf Lager habe, überlege ich auch hier natürlich noch mal einen Nachkauf.

Zu kaufen ist auch inzwischen der 100%ige Carignan Selecció vom Clos Monlleo, ein Wein, der für die Ewigkeit gemacht ist...

Meine Verkostungsnotizen kommen dann gesondert, wenn ich alle Verkostungsnotizen aufarbeite.

Zwischendrin schneit auch Pere Sangenis mal kurz rein und wir freuen uns, uns beide in guter Gesundheit und unbeschadet wieder zu sehen. Er ist grade damit beschäftigt im Weinberg einen Aussichtspunkt zum Weinverkosten anzulegen – man legt inzwischen auch großen Wert darauf, den Kunden die Weinberge zu zeigen und man hat natürlich einen spektakulären Platz mit Blick auf das Dorf hinab und in die bergigen Weiten...

Nach dem Besuch mache ich mich auf nach Falset – erstes Ziel ist der dortige Supermarkt, vor allem wegen Eis zum Kühlhalten meiner Lebensmittel, aber ich brauche auch noch das Eine oder Andere für die kommenden stressigeren Tage.

Nach dem Einkauf freue ich mich aber am Meisten auf das Eis aus meiner Lieblingseisdiele. Zu Fuß geht es zunächst über den Fira – Platz, auf dem noch fleißig gewerkelt wird. Alles ist größer und umfangreicher als in den Jahren zuvor, aber am selben Platz – nur der angrenzende Parkplatz wurde verkleinert und ist nicht mehr für die Öffentlichkeit zugelassen, sondern nur noch für die Aussteller.

Auf dem Platz treffe ich Ester Nin, die ihren Sohn zum Fußballtraining bringt – beide natürlich mit einem Eis in der Hand. Auch Ester strahlt mich gleich an und sagt, dass wir uns sowohl in Porrera als auch Tags drauf beim Tast amb Dones treffen. Und dass sie bei der „Frauenverkostung“ den aktuellen Nit de Nin zeigen wird.

Dann gehe ich zur Eisdiele und werde auch dort sehr freundschaftlich begrüßt vom englisch sprechenden Junior, der sofort seinen Vater holen geht, damit auch er mich begrüßen kann – auch hier hatte man darauf spekuliert, ob ich wohl nun nach langer Zeit wieder mit am Start sei. Ich bekomme ein spezielles Getränk serviert, welches eigentlich um Valencia herum Tradition ist, aber sie hätten damit hier unlängst den ersten Preis gewonnen. Es sieht aus wie ein Milchshake, ist aber was Pflanzliches und schmeckt sehr gut – erfrischend, aber auch nicht zu süß, aus welcher Pflanze es gemacht wird, habe ich aber nicht begriffen.

Die Eispreise sind zwar auch leicht erhöht, aber immer noch zivil, den großen 500g Becher mit gemischtem Eis nach Wahl bekommt man für 5,40 €. Und mit 500g hat man gut zu tun, wobei aufgrund der herausragenden Eisqualität nach wie vor – fällt es Einem auch nicht schwer... Morgen wird er für mich auch mein geliebtes Malaga mit extra vielen Rosinen haben, aber auch das Garnatxa – Eis aus Grenache Trauben erlebt anlässlich der Fira Tage seine Neuauflage. Neu wird es ein Vermuth – Eis geben, ich werde eingeladen, es am Freitag zu probieren. Für heute wird es ein Mix aus verschiedenen Obst-Sorbet und Eissorten. Mir reicht aber der ein wenig kleinere Becher zu 4 € fürs Erste, den großen spare ich mir für morgen auf...

Der Fleischer Llorenc hat inzwischen leider geschlossen – dummerweise werde ich hier immer zur Unzeit vorbei kommen. In früherer Zeit hatte man ja einen Automaten, an dem man dennoch die guten Produkte der Fleischerei bekam, dieses Jahr aber spuckt der Automat nur Cola und Ähnliches aus – sehr schade...

Ich fahre dann rüber nach Bellmunt und installiere mich dort für die Nacht. Es ist schon recht spät geworden, aber ich kann noch geradeso im Hellen aufbauen und kochen, gegessen wird dann wieder mal im Dunkeln. Ich genieße diesen letzten ruhigen Abend aber dennoch.

Ab Morgen beginnen die diesjährigen Großkampftage...
Beste Grüße

Torsten

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