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Wie natürlich sind Priorat-Weine?

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Chris

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 17:17

Ich hatte letztes Jahr die Gelegenheit Joan Ramon vom Celler Escoda Sanahuja, DO Conca de Barbera, einen, wenn nicht den Pionier der Katalanischen Biodyn Szene kennenzulernen.

Hier im Bild bei einem Workshop 2009 wie er einigen Winzern aus dem Priorat und Montsant zeigt wie Kuhhörner gefüllt und vergraben werden.

La_1_banya.jpg
Grüße, Chris
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thvins

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 17:23

Hallo Chris,

schon klar, das ist ja auch die Zeit der Großinvestoren gewesen. Wenn ich mir anschaue, was da rings um Cal Grau, Torres, Buil I Gine, Mas Perinet, Marco Abella oder auch Ferrer I Bobet, um mal nur einige zu nennen - an großflächiger "Landschaftsumgestaltung" passiert ist, dann hat man halt auch jenes Bild der Terrassengroßbaustellen vor dem Auge. Wenn ich mir die Entwicklung einzelner "Massenweine" anschaue, die ja durchaus vom Erfolg mitgetragen wurde (mal nur Les Terasses oder Embruix hergenommen), von denen über die Entwicklung der Jahre immer riesigere Mengen produziert worden sind, dann klar,müssen die Trauben auch dafür von irgendwo kommen, zumal ja viele jetzt neue Kleinerzeuger als Traubenlieferanten für jene Weine wegfielen.

Nur wenn du mal schaust, wie viele ha. früher unter Reben waren (vor Franco bzw. sogar vor der Reblaus) - da wollen viele heute nicht wieder hin. Zumindest von den Alteingesessenen und deren Familien wohl nicht.

Klar habe ich auch Weine von Jungen Reben bzw. nicht nur alten Costershängen. Ferral oder La Guinardera z.B. - aber in den Fällen stehen eher alteingesessene Familien und nicht Großinvestoren dahinter. Wobei ich´s daran allein auch nicht festmachen würde... Die Weine von Ferrer I Bobet z.B. sind ja gar nicht mal so schlecht oder auch der Clos Abella. Und auch dort versucht man durch entsprechend vernünftige Leute vor Ort eine der Natur wieder gerechter werdende Philosophie umzusetzen, auch um den einstigen Imageschaden zu begrenzen. Und grad Ferrer I Bobet hatten ja anfänglich ihre Federn lassen müssen.
Beste Grüße

Torsten

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Chris

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 17:31

Hallo Torsten,

ja sehe ich genau so. Den Raubbau haben sicher vor allem die Großinvestoren betrieben, wobei es nicht gut ist alles zu verteufeln.

Das Bewusstsein für die Natur und Umwelt ist bei den spanischen Winzern generell die letzten Jahre stark gestiegen. Meines Erachtens auch ein Ergebnis dessen, weil die Verbraucher immer stärker auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit etc. achten.
Grüße, Chris
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pivu

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 17:37

Priorat, wie es heute wahrgenommen wird, sind eben nicht traditionelle kleinbäuerliche Betriebe sondern zunehmend moderne und gar nicht so billige Weine einiger Großinvestoren, die maßeblich mit dazu beitrugen, die einzigartige Landschaft (jawohl, ich war 2000 dort) zu verschandeln. Dass es dort (wie überall woanders auch) auch vorbildhafte Weine gibt, steht außer Frage, aber die Tendenz im Sinne erzeugter Flaschen geht in die genau andere Richtung.

Ciao
Peter
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thvins

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 17:54

Hallo Chris,

wobei ich auch finde, dass grade die Jugend dort unten auch deutlich politischer und verantwortungsbewußter geworden ist. Ich erinnere mich noch bestens an die Zeit, als Bush Jr. seine Kriege angezettelt hat und Spanien umgehend mit marschierte - wieviele in den Dörfern erklärten dort mit Antikriegssymolen, dass sie nicht der Meinung waren wie ihre Regierung.

Oder auch der Fira Stand um Sara Pérez und Co. mit den dargestellten Thesen zu Umwelt und Anti-Globalisierung. Wenn man sich da mit vielen unterhält, so wissen sie, dass es wichtig ist, sich für dieses und jenes einzusetzen. Man sagte ja grade den Leuten aus Porrera schon immer einen gewissen Hang zu Rebellionen nach, aber heute sind die sich für "Environment" und Respekt für die Umwelt einsetzenden eigentlich schon recht weit überall verbreitet. Und einer Sara Pérez, einer Silvia Puig oder einer Ester Nin glaubt man ihr Engagement genau wie vielen anderen, die einfach ehrlich engagiert rüberkommen.
Beste Grüße

Torsten

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thvins

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 18:10

Hallo Peter,

2000 ist lange her - und natürlich hast du Recht mit dem, was du als "verschandeln" bezeichnest - nur gibt es seit mindestens 5 Jahren einen starken Gegentrend. Und den machen sehr viele mit. Den Leuten ist es eben auch bewußt geworden, was passiert, wenn sie ihr Land an die Großinvestoren verkaufen... Und dann begannen halt einige, die sie umgebenden Wälder zu kaufen, damit es Wälder bleiben. Ich denke, noch kann man den vernünftigen Mix zwischen Natur und Kulturlandschaft herstellen. In anderen Weinbauregionen oder Agrarregionen sieht es weit schlimmer aus. Ich will damit aber nicht die Fehler entschuldigen, die der erste Prioratboom nach sich gezogen hat.

Wenn du nach Anzahl produzierter Flaschen gehst, hast du sicher auch Recht, gehst du aber nach Anzahl verschiedener Weine oder inzwischen auch Erzeuger, dann ergibt sich ein klar anderes Bild, als das, welches du hast - also fahr ruhig mal wieder runter. Paar Tipps, wen du diesbezüglich besuchen solltest, kann ich dir gern geben.
Beste Grüße

Torsten

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Chris

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSa 29. Jan 2011, 22:21

Das einzig Dumme ist, das die momentane Krise eventuell die Winzer zwingt auf das Ergebnis und weniger auf Umweltverträglichkeit zu achten.

Ich kenne in Frankreich einen Winzer, der 2008 die Ernte in einem Weinberg auf Grund eines Befalls der Reben verloren hat. Obwohl ich deutlich mehr spanische Winzer kenne, ist mir keiner mit einem ähnlichen Problem bekannt. In der momentanen Situation wird sich ein finanzschwacher Betrieb dies auch nicht leisten können. Da sorgt im Zweifelsfalle der Druck der Bank dafür. :cry:
Grüße, Chris
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Pedro

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSo 30. Jan 2011, 03:10

Hola

Ich habe bereits vor längerer Zeit auf die Eigenheiten von "GROSSEN" und "kleinen" Prdouzenten hingewiesen. Obwohl sicher viele neue Anbauflächen "kreiert" wurden, habe ich den Eindruck, dass sich gerade bei den sogenannten Eindringlingen viel Positives getan hat. Die Anpassung verlief meiner Meinung nach von oben nach unten d.h. auch die Grossen haben bemerkt, dass im Priorat die Uhren halt etwas anders ticken.
Zudem gibt es mittlerweile bestimmt mehr als eine Hand voll Bodegas, die noch lange darauf warten müssen positive Geschäftszahlen zu erreichen. Aber wer sich eine Bodega als Hobby halten kann, soll dies doch tun. Wenn ich, um beim Beispiel von Torsten zu bleiben, die bei Ferrer Bobet wild wuchernden Terrassen sehe, stimmt mich das betreffend "natürlich" recht zuversichtlich.

LG aus Masriudoms

Pedro
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thvins

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Positive Signale beim einen oder anderen Großen.

BeitragSo 30. Jan 2011, 08:55

Hola Pedro,

ja Ferrer I Bobet sind bestimmt ein extremes Beispiel für einen, der die Lektion gelernt hat...

Wenn man das vor Jahren gesehen hat, mußte man eher skeptisch sein, ehrlich gesagt hat es mich auch nicht gewundert, dass da am Anfang schlimme Dinge passiert sind, wie dieser ominöse Anschlag. Und jetzt: Konzept überdacht, sehr fähige Leute an Bord, der Natur wieder ihren Raum lassend und vom Start an tolle Weine im Programm. Vor allem aber freut mich der jetzt freundliche Umgang miteinander, die Bodega ist akzeptiert und präsent, auch zu allen Anlässen in Porrera.

Auch Torres scheint ja bei aller Größe des Projektes sehr darauf zu achten, nicht als Sünder an der Umwelt dazustehen. Auch ihnen ist das Image wohl nicht so egal, zumal Torres sich ja schon im Penedes in den 90ern für einige Dinge eingesetzt hat, die damals in Spanien kaum ein Thema waren. Warst du eigentlich schon mal bei Torres zu Besuch?

Auch die Berufung von Ricard Rofes beim Celler d´ Scala Dei werte ich als sehr positives Zeichen, denn ich kenne Ricardo auch nicht nur als hervorragenden Önologen sondern auch als engagierten Denker und sich für die Umwelt einsetzenden Menschen.

Letztlich merkt man ja auch sehr gut, wer sich nicht so gern in die Töpfe gucken lässt. Der hat ja meist eher was zu verbergen... Und von den derart eher mauschelnden Betrieben wird Cal Grau sicher nicht der letzte sein, der am Ende aufgeben musste. Mal sehen, wie dort nun die neuen Eigentümer weiter machen...

Aber irgendwo ist die gesamte Geschichte ja auch "typisch Mensch" und hunderte Male so irgendwo passiert. Irgendwer macht eine große Entdeckung und scheucht die Eingeborenen auf, es folgen Investitionen, Infrastruktur, Boom, Goldrausch und wenn es zu viel wird, kommt die Gegenwehr der Eingeborenen - oder man arrangiert sich und es pegelt sich auf ein Mass der Vernunft ein und es wird geleistet, was leistbar ist.

Übrigens Pedro, ich hab neben etlichen anderen neuen Mustern die neuen Weine von Roca de los Dotze hier stehen... Wieder ein sich auflösendes Rätsel.
Beste Grüße

Torsten

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_AL_

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Re: Wie natürlich sind Priorat-Weine?

BeitragSo 30. Jan 2011, 09:46

Vielen Dank an Euch alle für diese dichten Informationen. Ich hatte tatsächlich die naiv-romantische Vorstellung, dass das Priorat zwar wiederentdeckt wurde, aber immer noch vollkommen verschlafen ist. Nur Maultiere und sonnengegerbte zähe Weinbauern, die in harter Arbeit kleine und elitäre Luxusweine produzieren. Ok, das war jetzt ein bisschen dick aufgetragen, aber nach Torstens erster Antwort, hatte ich zumindest den Eindruck, dass hier bewusst anders als im übrigen Spanien gearbeitet wird, allein schon wegen der schwierigen Anbaubedingungen. Und dann ging hier im Forum die Post ab!
Und nun muss ich von Großkonzernen lesen, die mit EU-Geldern Edel-Bodegas in Goldgräberstimmung in die Berge gefräst haben. Wird es hier so sein, wie in anderen von der Krise geschüttelten Weingebieten Spaniens? Hier wurden vor dem Big-Immobilien-Bang immer bessere Weine für eine zahlungskräftige Klientel produziert, die sich der normale und spontanverarmte Spanier nun nicht mehr leisten kann. Auch die gebeutelten Amerikaner nehmen nicht mehr soviel ab und in Asien und Osteuropa haben diese Weine nicht das Image, um in der Bordeaux- oder der Restsüss-Riesling-Liga mitzuspielen.
Wo geht es wohl hin mit dem Wein aus Spanien? Werden wieder mehr Billigweine produziert? Werden die Immobilienblasen-Edel-Bodegas reihenweise pleite gehen? Wird das Priorat wieder stiller werden, weil sich - wie an der Mosel und am Mittelrhein - der Aufwand einfach nicht lohnt?
Ich denke, noch werden wir als Kunden durch "Kellerräumungen der Bodegas" Mesaweine, Aldiwunder und runtergesetzte Markennamen für wenig Geld bekommen, aber wie sieht die Zukunft aus? Ist diese Qualität überhaupt noch zu halten bzw. zu bezahlen (Handselektion, edle und teure Fässer, aufwändige Gärungskontrolle usw.)

Ich weiss, die Frage geht ein bisschen über das Ursprungsthema hinaus, aber vielleicht mag der eine oder andere Experte von Euch ja trotzdem seine Prognosen hier mit einbringen!?

Beste Grüße und gespannt :geek:
Alexander
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