Di 11. Jun 2013, 15:56
octopussy hat geschrieben:Im Fazit werde ich mir aber trotzdem keine Sammlung Elsässer Pinot Gris zulegen. Der Einsatzbereich ist mir einfach zu limitiert.
Tja, nach einigen Probeschlücken weiterer Elsässer Pinot Gris muss ich diese Aussage vielleicht revidieren. In der Küche kann ich mir die Pinot Gris, die Stuart Pigott "fette Ruländerschnecken" nennt und die wohl so out sind, wie es nur geht, gut vorstellen: zu gratinierten Jakobsmuscheln, zu Hummer mit Mayonaise, zu allen möglichen Gerichten mit Rahmsößle (Pilze, Fisch, Huhn).
Der
2008 Pinot Gris Grand Cru Hengst von
Albert Mann ist fast so gut wie die 2010er Version, in manchen Belangen sogar besser. 43 g/l Restzucker sind spürbar, aber sie dominieren den Wein nicht. Die aromatische Intensität und Spannung schien mir beim 2010er noch etwas größer, dafür ist der 2008er geringfügig schlanker und frischer. In jedem Fall ein toller Wein, aber ob der aus einem eher fetten Jahr wie 2007 oder 2009 auch gut ist, erscheint mir zweifelhaft.
Ein ganz anderer Entwurf ist der
2012 Pinot Gris "Tradition" von
Albert Mann, der eher dem badischen oder Pfälzer Grauburgunder-Bild (in der Variante ohne Holz) entspricht: trocken, seine Aromatik nicht versteckend, eher schlank. Was fehlt (und mir gut gefällt), ist die in Deutschland häufig anzutreffende Kohlensäure.
Wo wir schon beim Vergleich deutscher und Elsässer Grauburgunder sind, finde ich es interessant, wie unterschiedlich die Herangehensweisen an die Traube sind. In Deutschland erscheint mir Grauburgunder in der Basis-Variante meist als aromatische Variante des "Sommerweins": leichtes CO2, knackig, eher reduktiv ausgebaut, trocken mit ganz leichtem Schmelz. Die Elsässer Variante weicht davon nur geringfügig ab, wobei vielleicht etwas weniger Fokus auf knackig und trocken und etwas mehr Fokus auf das Grauburgunderaroma gelegt wird. Geht es in den Premium-Bereich, ist in Deutschland der Fall relativ klar: es bleibt trocken, das Vorbild heißt am ehesten Burgund, d.h. der Wein kommt ins Barrique oder in ein Gebinde unter 1.000 l und durchläuft den BSA. Die Ergebnisse gefallen mir häufig sehr gut. Im Elsass hingegen bauen nur ein paar Winzer ihre Pinot Gris trocken im Barrique aus: André Ostertag zum Beispiel. Zumeist findet man Pinot Gris ohne Holzeinfluss und mit spürbarer Restsüße. Offensichtlich scheinen sich diese "fetten Ruländerschnecken" auch noch halbwegs passabel zu verkaufen, sonst wären sie wohl schon längst aus der Produktion geflogen.
Äußerst gut hat mir der
2011 Pinot Gris Cuvée St. Cathérine der
Domaine Weinbach gefallen, der aus Trauben im Clos des Capucins erzeugt wird. Die Restsüße ist hier kaum spürbar, scheint mir aber zusammen mit einem kleinen Botrytis-Anteil der Schlüssel zur Freisetzung des vollen Aromas zu sein.
Ein echt heftiger Pinot Gris ist der
2006 Pinot Gris Clos Jebsal VT von
Zind-Humbrecht mit mächtig viel Botrytis und Restzucker, aber einer herrlichen und sehr individuellen Note von gegrillter Melone. Für Weine wie diesen wurden aber halbe Flaschen erfunden.
Etwas einfacher zu trinken, weniger extrem, ausgewogener und auch für die Küche, sogar außerhalb der Dessertbegleitung, geeignet ist der
2002 Pinot Gris Clos Windsbuhl VT von
Zind-Humbrecht, der seine >100 g/l Rz gut versteckt. Nicht dass der Wein wirklich trocken schmeckt, aber die Restsüße fällt nicht so auf, wenn man sich auf das Grauburgunderaroma konzentriert. Auch diesen Wein würde ich eher in halben Flaschen haben wollen, aber das ist schon ganz große Klasse.