Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 17:19


Image Mittelrhein

  • Autor
  • Nachricht
Offline

Einzelflaschenfreund

  • Beiträge: 587
  • Bilder: 2
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 12:31

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 08:52

Moin,

da kommt sicher Einiges zusammen: Im Vergleich zu Rheinhessen fehlt es schlicht an Fläche, im Vergleich zu Mosel, Baden oder Rheingau zudem an Historie und schnellen assoziativen Zuordnungen in punkto Stilistik.
Geringe Fläche/Menge heißt, dass es schon mal schwer ist, Mittelrhein-Weine außerhalb des Anbaugebiets zu vertreiben und somit bekannt zu machen. Das gilt sowohl für Handel wie für Gastronomie. Auch mangelt es in der Region - obwohl oder gerade weil es touristisch sehr gut erschlossen ist - an Top-Gastronomie, die diese Weine entsprechend, nun ja, inszenieren könnte.
Stilistik: Der Mittelrhein sitzt da evtl. nicht nur geographisch ein bisschen zwischen den Stühlen.
Weingart und Matthias Müller sind in meinen Augen Top-Betriebe, auch im bundesweiten Vergleich. Die Weine sind herausragend günstig - und meines Wissens hat keiner dieser Winzer Absatzprobleme, eher schon wird der Wein im Laufe des Herbstes schon mal knapp. Da sind wir dann wieder beim Thema Menge.
Dass etwa der Bopparder Hamm alles mitbringt, was eine Spitzenlage ausmacht und auch ansonsten für Marketing-Aufladungen aller Art durchaus Potenzial besitzt (tollle Landschaft, ein großer Bogen mit vielen Parzelllagen), steht für mich außer Frage.

Viele Grüße
Guido
Offline
Benutzeravatar

Markus Vahlefeld

Administrator

  • Beiträge: 1689
  • Bilder: 2
  • Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 08:54

Beim Mittelrhein sehe ich als EINES der Probleme auch die schwere Erreichbarkeit. Es ist ein infrastrukturell verlorenes Tal und zieht einen Tourismus an, der mit Weinqualität, hochwertiger Gastronomie und moderner Hoteldienstleistung eher wenig zu tun hat. Der Rheingau, die Pfalz, Baden... da sieht das alles anders aus.

Dieser genussfreudige Tagestourismus ist immanent wichtig, um ein Renommee aufzubauen.

Früher gehörten die Mittelrhein-Weine zu den "Rheinweinen" (wie Teile der Nahe, des Rheingau und Rheinhessens), was sicher auch heute dem Absatz der Weine nicht schaden würde. Denn wer kann heute mit dem Begriff "Mittelrhein" überhaupt noch etwas anfangen? Und wenn, wird er gleich vom reichsdeutschen Neo-Romantizismus überlagert, der nur die wirklich alte Generation noch anspricht.
Offline
Benutzeravatar

Gaston

  • Beiträge: 1082
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:53

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 09:38

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
Früher gehörten die Mittelrhein-Weine zu den "Rheinweinen" (wie Teile der Nahe, des Rheingau und Rheinhessens), was sicher auch heute dem Absatz der Weine nicht schaden würde. Denn wer kann heute mit dem Begriff "Mittelrhein" überhaupt noch etwas anfangen? Und wenn, wird er gleich vom reichsdeutschen Neo-Romantizismus überlagert, der nur die wirklich alte Generation noch anspricht.


Interessanter Aspekt. Ich finde die Bezeichnung Mitelrhein ja auch irgendwie... unsexy. "Mittel-", da assoziert man doch gleich Durchschnitt, Mittelmaß, irgendwas dazwischen. Weinbauregion "Rhein" klänge doch wirklich viel besser :)

Was den Spießertourismus angeht - ja das stimmt teilweise. Aber ich denke, dass da auch mittlerweile daran gearbeitet wird und Dinge geboten werden, die auch eine andere Klientel anlocken können.

Und zu dieser Zwischenstellung: Die Mittelrheiner Winzer sagen ja immer gerne, dass der MR die Vorzüge der beiden Nachbarregionen Rheingau und Mosel vereint. Das ist erstmal so ein dahergesagtes Bonmot. Aber könnte eine Image-Offensive nicht in diese Richtung gehen?

BG
Gaston
Beste Grüße
Gaston
Offline

kristof

  • Beiträge: 889
  • Registriert: So 28. Nov 2010, 15:55
  • Wohnort: Berlin

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 11:34

Ralf Gundlach hat geschrieben:gerade suche ich eine Unterkunft in Bacharach und dann sehe ich diesen Thread.



Wenn Du noch keine Unterkunft hast: Rhein Hotel Bacharach. Unbedingt empfehlenswert. Sehr gutes Restaurant, sehr weinaffiner Chef, extrem nette Atmosphäre. Nicht durch die Nähe zu den Bahngleisen schrecken lassen. Die kleine, mittelrheinlastige Weinkarte ist sehr fair bepreist (vielleicht hat er noch die GGs von Mades 2001-2005 auf der Karte - probieren!)
Viele Grüße,

Christoph
Offline
Benutzeravatar

Markus Vahlefeld

Administrator

  • Beiträge: 1689
  • Bilder: 2
  • Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 11:50

Gaston hat geschrieben:Und zu dieser Zwischenstellung: Die Mittelrheiner Winzer sagen ja immer gerne, dass der MR die Vorzüge der beiden Nachbarregionen Rheingau und Mosel vereint. Das ist erstmal so ein dahergesagtes Bonmot. Aber könnte eine Image-Offensive nicht in diese Richtung gehen?


Diese "Stellung" hat sich in den letzten Jahren die Nahe erarbeitet. Ein Vergleich zwischen Nahe und Mittelrhein wäre übrigens sehr interessant. Größe und Menge dürften nicht erheblich differieren. Image und "Verlassenheit" waren noch vor 20 Jahren ähnlich. Wieso hat es die Nahe nun aber geschafft, sich zum besten und homogensten Weinanbaugebiet Deutschlands zu mausern? Ich glaube, hier liegt die Antwort auf Deine Frage: der Mittelrhein kommt zu spät und das wird vom Leben bekanntlich bestraft. Vielleicht haben sie sich zu lange auf dem "Senioren-Tourismus" ausgeruht?
Offline
Benutzeravatar

harti

  • Beiträge: 2475
  • Bilder: 11
  • Registriert: Mo 9. Aug 2010, 14:49
  • Wohnort: Deutschland

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 12:41

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
Gaston hat geschrieben:Und zu dieser Zwischenstellung: Die Mittelrheiner Winzer sagen ja immer gerne, dass der MR die Vorzüge der beiden Nachbarregionen Rheingau und Mosel vereint. Das ist erstmal so ein dahergesagtes Bonmot. Aber könnte eine Image-Offensive nicht in diese Richtung gehen?


Diese "Stellung" hat sich in den letzten Jahren die Nahe erarbeitet. Ein Vergleich zwischen Nahe und Mittelrhein wäre übrigens sehr interessant. Größe und Menge dürften nicht erheblich differieren. Image und "Verlassenheit" waren noch vor 20 Jahren ähnlich. Wieso hat es die Nahe nun aber geschafft, sich zum besten und homogensten Weinanbaugebiet Deutschlands zu mausern? Ich glaube, hier liegt die Antwort auf Deine Frage: der Mittelrhein kommt zu spät und das wird vom Leben bekanntlich bestraft. Vielleicht haben sie sich zu lange auf dem "Senioren-Tourismus" ausgeruht?

Hallo zusammen,

allein schon flächenmäßig hat er Mittelrheim nicht den Hauch einer Chance, in die gleiche Liga wie Mosel oder Rgeingau aufzusteigen. Schlappe 459 ha sind dort noch bestockt, damit ist der Mittelrhein das zweitkleinste Anbaugebiet Deutschlands (Markus: Die Nahe ist mit 4149 ha ca. 9x so groß). Zudem erstrecken sich die Rebflächen auf ca. 100 km Flusslänge (von Bingerbrück bis Königswinter). Dann noch das enge Tal mit Bundesstraßen und Bahnlinien links und rechts. Wie soll da ein Leben abseits des Nischendaseins möglich sein?

Grüße

Hartmut
Offline

kristof

  • Beiträge: 889
  • Registriert: So 28. Nov 2010, 15:55
  • Wohnort: Berlin

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 14:01

Recht neu ist ja der Versuch, eine Qualitätsstrategie über eine „Charta“ zu vermarkten. Hier zum Beispiel:

http://www.riesling-charta.com/charta.html
Viele Grüße,

Christoph
Offline
Benutzeravatar

Markus Vahlefeld

Administrator

  • Beiträge: 1689
  • Bilder: 2
  • Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 14:06

harti hat geschrieben:...damit ist der Mittelrhein das zweitkleinste Anbaugebiet Deutschlands (Markus: Die Nahe ist mit 4149 ha ca. 9x so groß). Zudem erstrecken sich die Rebflächen auf ca. 100 km Flusslänge (von Bingerbrück bis Königswinter). Dann noch das enge Tal mit Bundesstraßen und Bahnlinien links und rechts. Wie soll da ein Leben abseits des Nischendaseins möglich sein?

Danke für den Hinweis, hatte in meiner grenzenlosen Faulheit nicht recherchiert :oops:

Dass sich der Mittelrhein bis Königswinter erstreckt, war mir auch nicht geläufig, obwohl die Weinlagen am Rhein überproportional abnehmen, je näher man Bonn kommt (zumindest aus dem mir bekannten Bahnfenster heraus).
Online
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7485
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 07:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Image Mittelrhein

BeitragMo 25. Mär 2013, 14:30

Hallo Christoph,

Recht neu ist ja der Versuch, eine Qualitätsstrategie über eine „Charta“ zu vermarkten. Hier zum Beispiel:

http://www.riesling-charta.com/charta.html


dazu gibt es ja schon einen Thread, siehe viewtopic.php?f=58&t=2221

Ob man mit einer (fast) 1:1 Kopie der Wachauer "Charta" ein eigenständiges Image aufbauen kann?

Grüße,
Gerald
Offline
Benutzeravatar

Gaston

  • Beiträge: 1082
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:53

Re: Image Mittelrhein

BeitragDi 26. Mär 2013, 10:13

Hallo,

also dann fasse ich mal das bisher Gesagte kurz zusammen:

1.) Der MR ist schlicht zu klein. Mit nicht einmal 500 Hektar ist es völlig unmöglich, den renommierteren Regionen konkurrieren zu wollen.

2.) Der MR ist ein infrastrukturell verlorenes Tal und schwer erreichbar.

3.) Der MR zieht einen Tourismus an, der mit Weinqualität und gehobenem "Genusstourismus" wenig zu tun hat. Es fehlt an Top-Gastronomie. Man hat sich damit viel zu lange begnügt, und jetzt ist der Zug erstmal abgefahren.

4.) Es gibt beim MR keine schnelle assoziative Zuordnung in punkto Stilistik wie bei Mosel oder Rheingau. Die Weine sind oft nicht schlecht, aber auch nicht besonders profiliert. Es fehlt der Mut zum Risiko zu einem kompromisslosen Stil.

5.) Selbst die besten Lagen des MR gehören nicht zu den absoluten Spitzenlagen Deutschlands.

6.) Versuche wie die Einführung von "Charta-Weinen" sind eher fragwürdig und ihr Erfolg zweifelhaft.

Und jetzt gebe ich noch meinen Senf dazu 8-) :

Zu 1.) Für mich auch einer der Hauptgründe für die Situation des MR. Daran wird sich aber nichts Substanzielles ändern. Man ist ja froh, dass die Rebflächen nicht weiter zurückgehen. Partiell gibt es ja sogar Rekultivierungen. Man wird aber ein sehr kleines Anbaugebiet bleiben. Es muss also aus dem, was da ist, mehr rausgeholt werden.

Zu 2.) Dieser Punkt leuchtet mir nicht ganz ein. Schwer erreichbar. Wie man‘s nimmt. Züge aus den Richtungen Rhein/Main und Köln fahren soweit ich weiß stündlich, man muss allerdings, so war es noch im letzten Sommer, in Bingen bzw. Koblenz umsteigen. Das kann aber doch nicht das Problem sein. Das Problem liegt vielleicht eher daran, dass man als Frankfurter den Rheingau vor der Haustür hat, die Kölner kommen schneller an die Ahr, auch die Mosel ist nicht weit. Wobei wir bei Punkt 3.) wären.

Zu 3.) Sehe ich auch als Problem. Die Jahrzehnte lange Funktion als Abfüllort für Kegeltruppen und das daraus resultierende Gastronomie- und Wein-Niveau hat ihre Spuren hinterlassen. Ganz wird man sich von dieser Zielgruppe nicht abwenden wollen, sie bringt ja auch wichtiges Geld. Gleichzeitig müsste eine Qualitätsoffensive in punkto Gastronomie gestartet werden. Zwei, drei Spitzenrestaurants, die auch überregional Besucher anlocken, würden viel bringen. Veranstaltungen wie die „Mittelrhein-Momente“ sind eigentlich eine gute Sache, aber reichen nicht aus (?) oder werden zu wenig wahrgenommen. Die Mosel hat ja übrigens auch diesen „Senioren-Tourismus“, ist das dort ein Problem?

Zu 4.) Ein wichtiger und interessanter Punkt. Die Weinqualität und Stilistik. Zur Weinqualität in der Spitze: Vielleicht müssten die TOP-Winzer der Region noch einen Tacken mehr aus ihren Lagen rauskitzeln, noch ein bisschen mehr in Richtung Top-Qualität nachjustieren, damit nicht nur sehr gute, sondern regelmäßig großartige Weine entstehen. Dass der Müller oder Ratzenberger auch mal ein 95-Punkte GG raushaut und nicht nur die üblichen 89-91 Punkte. Oder geben das die Lagen dann doch nicht her (Punkt 5)?

Eine Festlegung in der Stilistik ist meiner Meinung nicht nötig, es sind die halbtrockenen/feinherben und trockenen Rieslinge, die hier relevant sind und auch gepflegt werden. Die Frage ist eher, ob und wie diese Stilistik kommuniziert werden soll.

Was den „Mut zum Risiko“ und einen „kompromisslosen Stil“ angeht: der eine oder andere Winzer, der einen solchen Weg einschlagen würde, wäre sicherlich wünschenswert. Aber da sind wir wieder bei der Größe/Menge. Da es eh nur eine Hand voll Spitzenwinzer gibt, kann man nicht erwarten, dass da jetzt viele „Nonkonformisten“ darunter sind. Man hat ja auch Stammkunden, die zu bedienen sind. Den kompromisslosen und mutigen Stil gouttieren ja in erster Linie die Nerds. Der „normale“ interessierte Weintrinker schätzt seinen Jost so wie er ist und kauft seit Jahren zufrieden dort ein. Diese Kunden sind für solche Weingüter wahrscheinlich wichtiger, als der Weinfreak, der mangelnden Mut beklagt. In Ansätzen erfüllt allerdings meiner Meinung nach Florian Weingart die Funktion des Nonkonformisten.

Insgesamt scheint mir auch der „Leidensdruck“ der MR-Spitzenwinzer nicht besonders groß zu sein. Rein ökonomisch scheinen diese Betriebe, soweit ich das beurteilen kann, gesund zu sein.
In der Breite sehe ich das problematischer. Zum größten Teil handelt es sich da um Neben- und Teilerwerbswinzer, die sich größere Investitionen in Qualitätssteigerungen nicht leisten können oder scheuen. Solange die ihr Zeug loswerden, gibt es für sie auch wenig Handlungsbedarf.

Zu 5.) Die MR-Top-Lagen sind, denke ich, sehr gute Lagen, ob’s zur absoluten Spitze reicht, mögen andere beurteilen. Denke aber, dass die Lagen nicht das Hauptproblem der Region sind.

Zu 6.) Was diese Charta angeht, bin ich auch skeptisch. Das Wesentliche dazu wurde im erwähnten Thread gesagt.

Ich denke, dass es vor allem die Punkte 3 und 4 sind, die angegangen werden müssten, um den MR sichtbarer zu machen. Wie genau da zu verfahren wäre und was mehr oder weniger Beachtung verdient, das wäre eine weitere lange Diskussion, die man ja vielleicht ein andermal führen könnte. Ich denke jedenfalls, dass man da, um Ergebnisse zu erzielen, wirklich klotzen und nicht kleckern müsste.

Beste Grüße
Gaston
Beste Grüße
Gaston
VorherigeNächste

Zurück zu Mittelrhein

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen