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Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 12:54
von OsCor
Außerordentlich ärgerlich, dass dieses Video auf der Fake-News-Schleuder-Plattform Russia Today verbreitet wird. Das macht es zwar nicht weniger bedrückend, aber ich frage mich: Wieso dort?

Gruß
Oswald

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 13:41
von Gerald
Mal eine Frage an alle, die von Limnologie und Geographie mehr Ahnung als ich haben: wäre die Mosel nicht ebenso gefährdet, wenn die höchsten Regenfälle in ihrem Einzugsgebiet auftreten? Oder sind die Strukturen da doch so viel breiter, dass große Wassermengen besser abgeleitet werden können?

Wird wohl leider nicht das letzte Hochwasser gewesen sein, wenn man sich die Häufung der Extremwetterlagen der letzten Zeit ansieht ...

Grüße
Gerald

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 14:08
von UlliB
OsCor hat geschrieben:Das macht es zwar nicht weniger bedrückend, aber ich frage mich: Wieso dort?

Das könntest Du allenfalls den betroffenen Weinhändler fragen, aber der hat wohl gerade andere Probleme. In diesem Fall kann ich jedenfalls keinen Fake erkennen.

Was ich als Steuerzahler viel ärgerlicher finde: auch nach mehr als einer Woche nach der Katastrophe ist in den kleineren Orten entlang der Ahr wie Rech oder Dernau, in denen noch kein Politiker medienwirksam herumgestiefelt ist, von übergeordneter Organisation oder Koordination der Hilfsmaßnahmen durch staatliche Behörden nichts zu merken - das dürfen die Betroffenen und die zum Teil mit schwerem Gerät angereisten Helfer auch noch in Eigenregie übernehmen. Und nein, das ist kein RT-Fake, das kann man auch in seriösen Medien wie der lokalen Presse nachlesen.

Ich bin wirklich sehr, sehr vorsichtig, den populistisch besetzten Begriff "Staatsversagen" zu benutzen. Hier passt er aber einmal wirklich.

Gruß
Ulli

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 14:23
von OsCor
Zunächst eine kleine Korrektur: Limnologie ist die Wissenschaft vom Leben in Binnengewässern. Der Berufszweig, der bei der Hochwasserkatastrophe nicht ein einziges Mal - zumindest nach meinem Gehör - genannt wurde und der eigentlich für die Erklärung, wie Hochwasser entsteht, die höchste Kompetenz besitzt, ist die Hydrologie.
Was die Frage nach der Mosel angeht: Gefährdet sind steile, tief eingeschnittene Täler von kleinen Flüssen - nach meinem Dafürhalten von z.B. Nebenflüssen der Mosel. Je steiler, desto schneller erfolgt die Konzentration des abfließenden Wassers und desto höher ist auch die Fließgeschwindigkeit und damit die Zerstörungskraft durch das fließende Wasser selber. Natürlich gibt es auch zusätzlich Schäden durch langsam fließendes oder gar stehendes Wasser; Trier ist ja schon öfters betroffen gewesen - wäre wohl stärker betroffen gewesen, wenn Starkniederschläge auch im Einzugsgebiet der Saar aufgetreten wären; ein anderes Beispiel wäre Passau.
Also: Das Moseltal direkt halte ich durch ein solches schnell fließendes Hochwasser für weniger gefährdet.

Gruß
Oswald

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 14:51
von Moselaner
OsCor hat geschrieben:Zunächst eine kleine Korrektur: Limnologie ist die Wissenschaft vom Leben in Binnengewässern. Der Berufszweig, der bei der Hochwasserkatastrophe nicht ein einziges Mal - zumindest nach meinem Gehör - genannt wurde und der eigentlich für die Erklärung, wie Hochwasser entsteht, die höchste Kompetenz besitzt, ist die Hydrologie.
Was die Frage nach der Mosel angeht: Gefährdet sind steile, tief eingeschnittene Täler von kleinen Flüssen - nach meinem Dafürhalten von z.B. Nebenflüssen der Mosel. Je steiler, desto schneller erfolgt die Konzentration des abfließenden Wassers und desto höher ist auch die Fließgeschwindigkeit und damit die Zerstörungskraft durch das fließende Wasser selber. Natürlich gibt es auch zusätzlich Schäden durch langsam fließendes oder gar stehendes Wasser; Trier ist ja schon öfters betroffen gewesen; ein anderes Beispiel wäre Passau.
Also: Das Moseltal direkt halte ich durch ein solches schnell fließendes Hochwasser für weniger gefährdet.

Gruß
Oswald


Hallo Oswald und Gerald,

was Oswald hier ausführt stimmt grundsätzlich.

Da ich an der Mosel lebe, möchte ich ergänzen:
Die langjährige Erfahrung mit Hochwasser hat zu besseren Grundvoraussetzungen gesorgt und entsprechendes Material als auch Erfahrung ist auch in gefährdeten Privathaushalten grundsätzlich vorhanden (Pumpen, Sandsäcke etc.).
Neu war dieses Mal, dass selbst lebens- und hochwassererfahrene Menschen von der Geschwindigkeit des Pegelanstiegs überrascht wurden. Und wäre der Anstieg in dieser Geschwindigkeit noch einige Stunden weiter gegangen, dann wären auch hier (Mittelmosel zwischen Brauneberg und Traben Trarbach) mehr Häuser im Wasser gestanden und Schäden unvermeidlichen gewesen. Ich kenne nicht wenige Menschen, die ziemlich überstürzt noch geräumt haben und Pumpen installierten.

Die Katastrophe an der Ahr hat natürlich ein ganz anderes Ausmaß und ist eine Tragödie.

Ich stimme Ulli nicht nur dahingehend zu, dass die jetzige Rolle der Staates bezüglich der Unterstützung als Versagen bezeichnet werden kann, auch vorab gab es einige Versäumnisse wie der fehlgeschlagene Katastrophenprobealarm im letzen Jahr. Der neue Versuch wurde von 2021 auf 2022 verschoben.

Auch wurde vorab von dem EFAS (European Flood Awareness System) eine konkrete Warnung an die Bundesregierung ausgesprochen. Ich habe davon aber dann vorab nichts mehr in den Nachrichten oder im Radio gehört. Da waren noch einige Tage Zeit bis zur tatsächlichen Katastrophe.

Auch im Nachgang gibt die Regierung eine unfassbare Figur hab, zu den angesprochenen Themen ein Ausschnitt aus der Bundespressekonferenz:
https://youtu.be/l2F0-9f-83c

Ich finde das skandalös.

Viele Grüße
Patrick

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 15:14
von Gerald
Hallo Oswald und Patrick,

danke für die Informationen. Meiner Ansicht nach aber sollte man sich jetzt nicht nur auf die Versäumnisse der öffentlichen Stellen bei den Warnungen konzentrieren, wenn auch hier sicher vieles im Argen liegt. Aber vielmehr müsste man nachdenken, wie man in Zukunft Ähnliches oder Schlimmeres vermeiden kann. Denn weitere Extremwetterereignisse werden wohl nicht ausbleiben.

Vor ein paar Monaten habe ich mir einmal von der Website der ZAMG (offizieller Wetterdienst in Österreich) die Jahresmittelwerte über ganz Österreich von 1980 bis 2020 geholt und mir eine Excel-Grafik gebastelt, das hat mich schon erschüttert. Wo man über 1,5 oder 2,0 °C bis zum Jahr 2100 diskutiert, ist die Entwicklung bei uns offenbar in den letzten 40 Jahren schon viel weiter fortgeschritten - ich denke, das ist in DE ähnlich. Falls die Steigung sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Mitteleuropa so fortsetzt - ich glaube, das möchte ich mir gar nicht vorstellen ...

Bild

Grüße
Gerald

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 15:18
von la-vita
Der Berufszweig, der bei der Hochwasserkatastrophe nicht ein einziges Mal - zumindest nach meinem Gehör - genannt wurde und der eigentlich für die Erklärung, wie Hochwasser entsteht, die höchste Kompetenz besitzt, ist die Hydrologie.


Hier für Interessierte nochmal eine meterologische Analyse des Geschehens:

https://wetterkanal.kachelmannwetter.com/meteorologische-chronologie-der-flutkatastrophe-im-westen-deutschlands-im-juli-2021/

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 16:08
von OsCor
Danke für diesen hervorragenden Link. Auch die Kommentare darin sind sehr lesenswert.
Was Ulli geschrieben hat, wird darin in bedrückender Weise bestätigt.

Gruß
Oswald

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 16:59
von amateur des vins
OsCor hat geschrieben:Danke für diesen hervorragenden Link. Auch die Kommentare darin sind sehr lesenswert.
Was Ulli geschrieben hat, wird darin in bedrückender Weise bestätigt.
In der Tat, interessanter Link.

Ich habe daraus jedoch einen etwas anderen Tenor gelesen:
Die Warnungen waren vergleichsweise moderat formuliert. "Vereinzelt können Keller volllaufen und sind Rekordpegelstände möglich" ist eben nichts, das auch nur annähernd die Situation erwarten ließ, oder entsprechend ernstgenommen würde. Der Bürgermeister von Schuld wird erwähnt mit der Aussage, auf Wasser wie beim vorherigen Rekordpegel seien sie vorbereitet gewesen.

Letztlich entscheidend war das sich kurzfristig entwickelnde Randtief, das in der durch starken Dauerregen vorbelasteten Region nochmals extremen Starkregen brachte. Ohne jenes wäre es wohl noch vergleichsweise glimpflich abgelaufen. Und sowas kannst Du nicht mit signifikantem Vorlauf vorhersagen und deshalb auch keine adäquaten Maßnahmen ergreifen.

Hinterher sind alle schlauer, potentiell jedenfalls. Pegel, die um das Zweieinhalbfache über dem bisherigen Rekord lagen, waren eben im Sinne des Wortes unvorstellbar, und zwar auf allen Seiten. Das Bashing ist mir zu wohlfeil.

Re: Hochwasserkatastrophe an der Ahr

BeitragVerfasst: Sa 24. Jul 2021, 17:13
von amateur des vins