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2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

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thdeck

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2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragMo 20. Dez 2010, 01:05

Seit einiger Zeit mache ich keine Baden-Burgund-Vergleiche mehr. Provokante Begründung: „Ich weiß schon alles.“ Ok, die Unterschiede sind in der Tat fast immer die gleichen. Baden: weicher, jünger trinkreif, mehr Holz, altert schneller. Burgund: härter, mehr Säure, mehr Gerbstoff, Frucht hält länger; dadurch aber auch mehr Risiko: Wenn er dann endlich trinkreif ist, schmeckt er dann noch?

Aber: Offene Fragen gibt es immer noch viele, insbesondere diese: Kann man badische Pinot Noirs im „Burgund-Stil“ machen, so dass sie auch wirklich alle Burgund-Eigenschaften haben? Manche Winzer sagen ja, aber der deutsche Kunde würde die Weine nicht kaufen, er wolle sofort trinkbare haben. Andere sagen: Nein, geht nicht, andere Lagen, anderes Klima. In Burgund habe ich schon gelesen: Granit-Böden seien für Pinot Noir ungeeignet, deshalb würde man im Beaujolais stattdessen Gamay anbauen.

Das Problem bei solchen Aussagen ist die Gewichtung der Einzelparameter. Selbstverständlich hat der Boden einen Einfluss. Aber er entscheidet nicht über „geht“ und „geht nicht“.

Ich wählte einen Jahrgang, den ich einerseits bzgl. Burgund als trinkreif in Erinnerung habe, und bei dem andererseits bzgl. Baden noch keine Reifetöne zu erwarten sind:

2005 Spätburgunder „S“, Weingut Kopp, Sinzheim (Ortenau)
13,5 % Alk., 22,50 Euro (Gault Millau: 87 Punkte, bis 2010; wein-plus: 84 Punkte, bis 2010)

2005 Volnay AOC, Michel Lafarge, Volnay (Côte de Beaune)
13 % Alk., 18 Euro

Kurznotiz zum Spätburgunder:
Kräftiges Rubinrot; aromatische Nase, Röstaromen; im Mund dicht, Schuhcreme/Leder; Holz, schokoladig; sehr dicht, viel Substanz; Kopp-Stil (nicht badisch/Walderdbeere); Potenzial für 90 Punkte, aber echt zu viel Holz; Kirsche, Mon Chérie; hält sich gut, aber zu viel Holz; 87 Punkte.

Kurznotiz zum Volnay:
Dezente Nase (Himbeere); im Mund fruchtig, Himbeere/Kirsche; sehr jung, etwas schroff, viel Gerbstoff; phasenweise auch „Mini-Brett“ (eher Steinstaub); Potenzial für 90 Punkte; 2. Tag reintönig+schroff; 3. Tag immer noch fruchtig, Himbeere/Sauerkirsche; Kirschkerne; ist zu jung; 88 Punkte.


Fazit:
Die Weine waren mal wieder sehr unterschiedlich, wobei der Volnay überdurchschnittlich schroff war, ich hatte schon wesentlich trinkreifere 2005er Burgunder. Kopps wiedererkennbarer Stil liegt vermutlich auch an dessen überdurchschnittlicher Zuverlässigkeit, wie ich soeben aus meinen älteren Notizen entnehme. Böse Zungen könnten sagen: Er geht mittels „viel hilft viel“ auf Nummer sicher. Jedenfalls sind die Weine in der Regel ziemlich konzentriert, aber wenn das so einfach wäre, könnten es ja alle so machen. Das Holz stört mich dennoch, „lecker“ hin oder her. Ich würde gerne die Ortenau oder gar die Lage wiedererkennen, das erscheint mir mit dem Holz schwierig. Manche sagen auch, Weine von Granit-Böden steckten das Holz nicht so gut weg oder sie würden ohne die Gerbstoffe aus dem Holz zu dünn schmecken. Wie auch immer: Kopp bewirtschaftet seit kurzem die Top-Lage „Feigenwäldchen“. Einen 2009er Riesling von der Lage gibt es schon, ein Spätburgunder wird vermutlich folgen. Diese Lage ist sowohl vom Klima als auch vom Boden her anders als die Lage, von welcher der „S“ kommt. Es wird hochinteressant sein, die Weine zu vergleichen.

Zur wein-plus-Wertung (84 Punkte):
Das Problem ist nicht die Wertung, zumal sie von einem Österreicher kommt, der selbstverständlich seine eigenen Bezugspunkte hat. Und genau das ist das Bedauerliche: Man erfährt sie nicht. Wie gern würde ich von einem Fachmann, der von außen kommt, erfahren, wie ein „Granit-Spätburgunder“ idealerweise beschaffen sein kann. Auf diese Art entstehen nämlich Terroirs: Eine Lage oder eine Zone wird zum Terroir, wenn daraus als gut und typisch angesehene(!) Weine kommen. Die „Mitglieder“ des Terroirs entscheiden gemeinschaftlich, wie das Terroir optimal repräsentiert wird. Allen voran natürlich die Erzeuger selbst, aber in dem durchaus langwierigen Prozess wirken auch Händler, Gastronomen, Journalisten, Politiker bis hin zum Endverbraucher mit. Und von manchen kommt da einfach zu wenig...


Thomas Deck
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Charlie

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Re: 2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragMo 20. Dez 2010, 11:06

Hallo Thomas,
2 Fragen:
- beim Holz kommt es nicht nur auf die Menge sondern auch auf die Güte an (habe ich sensorisch sehr spät erfahren). Wie ist in dieser Hinsicht das Holz beim Spätburgunder?
- ist das Feigenwäldchen identisch mit der Lage Sinzheimer Klostergut Fremersberger Feige http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=1985 ? Wenn ja, was stimmt, Feige oder Feigenwäldchen?

Wie gern würde ich von einem Fachmann, der von außen kommt, erfahren, wie ein „Granit-Spätburgunder“ idealerweise beschaffen sein kann.
Berechtigterweise! Aber dafür sind Weinführer nicht da.
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thdeck

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Re: 2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragDi 21. Dez 2010, 02:11

Hallo Charlie,

die Lage heißt korrekt: Klostergut Fremersberger Feigenwäldchen

Sie liegt auf Sinzheimer Gemarkung, theoretisch müsste sie also heißen:
Sinzheimer Klostergut Fremersberger Feigenwäldchen

Auf den Etiketten erscheint aber der Name Sinzheim wenn überhaupt, dann in einer neuen Zeile.

Auf deiner Web-Seite ist die Lage richtig markiert. Sie liegt im Wald, und es wachsen dort tatsächlich auch Feigen.


Mit dem Holz ist es in der Tat eine Wissenschaft für sich (auch die Röstung). Übrigens neigen manche Weine eher zu "Röstaromen" als andere (in Burgund z.B. Morey-St-Denis). Dabei ist nicht immer klar, ob diese Noten von der Traube oder vom Holz kommen, der Übergang scheint da fließend zu sein.


Thomas
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argentum

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Re: 2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragMi 22. Dez 2010, 20:36

Spannend. Ich bin erst seit kürzerer Zeit auf die Weinregion Baden gestossen, was auch damit zu tun hat, dass ich im Markgräflerland eine schöne junge Dame kennengelernt habe. Nun ja, mittlerweilen ist es so, dass ich dank meinem Schwiegervater in Spe, der mich geduldig an die Badener Spätburgunder herangeführt hat, feststellen musste, dass wirklich wunderbares an roten Kreszenzen in Deutschland produziert wird. Und das Beste: sie sind noch erschwinglich... (Ich spreche nicht von Huber und Co.). Nun mein "Arroganz-Verlust" (ich dachte wirklich in Deutschland gibt es nur guten Weisswein) führt dahin, dass ich mich etwas mehr mit der Region um Baden auseinander setzte und schlussendlich bei Jürgen von der Mark gelandet bin. Ich finde seinen Pinot Noir vom Tuniberg wirklich einen ganz geilen Saft, der eben nicht typisch deutscher Spätburgunder ist, da er angefangen hat die alten Spätburgunderbestände durch echte ertragsarme Burgunder Klone zu ersetzen. Als ich anfangs Dezember noch das Vergnügen hatte persönlich bei ihm im Keller zur Fassprobe eingeladen zu sein blieb mir die Spucke weg (klar er als Person ist auch sehr eindrücklich und hat mit seiner Art der Weinphilosophie natürlich auch etwas meinen Nerv getroffen...). Was da ab Fass ins Glas kam, war für mich einfach geiler Stoff. Es war noch nicht die Cuvee, sondern die einzelnen Lagen seines 3 ha-Betriebes, aber für meine (bescheidenen) Kenntnisse ein Traum. Vielleicht mal einen Versuch wert, wenn du ihn noch nicht kennen solltest? Ich werd mir auf jeden Fall nochmals von der 2009er Cuvee Probenflaschen zulegen und mit grösster Wahrscheinlichkeit auch noch etwas in den Keller legen... VKN getraue ich mich jetzt keine rein zu machen, da muss ich erst mal ne Flasche vom 08er aufmachen die im Keller liegt, da das Erlebnis doch schon etwas zurück liegt.
Gruss
Philipp

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thdeck

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Re: 2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragSa 25. Dez 2010, 14:44

argentum hat geschrieben:Nun mein "Arroganz-Verlust" (ich dachte wirklich in Deutschland gibt es nur guten Weisswein) führt dahin, dass ich mich etwas mehr mit der Region um Baden auseinander setzte und schlussendlich bei Jürgen von der Mark gelandet bin. Ich finde seinen Pinot Noir vom Tuniberg wirklich einen ganz geilen Saft, der eben nicht typisch deutscher Spätburgunder ist, da er angefangen hat die alten Spätburgunderbestände durch echte ertragsarme Burgunder Klone zu ersetzen.

Hallo Philipp, danke für den Tipp. Ich habe zwar prinzipiell keine "Kapazität" für neue Weingüter (hab in den letzten 10 Jahren einfach zu viel gekauft), aber andererseits muss man am Ball bleiben. Wie oben geschrieben: Eine Lage oder eine Region wird dadurch zum Terroir, dass sich insbesondere die Erzeuger damit auseinandersetzen und ihre Vision umsetzen. Als Konsument muss man sich seine Meinung bilden, aber das geht nur, wenn man die neuen Entwicklungen auch zur Kenntnis nimmt. Ich werde mir also - Kaufstopp hin oder her - ein paar Flaschen von Jürgen von der Mark besorgen. Das gibt dann irgenwann einen Vergleich "Löss vs. Vulkan"... :mrgreen:


Thomas
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argentum

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Re: 2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragMo 27. Dez 2010, 09:40

Hi Thomas

Löss vs. Vulkan klingt recht geologisch und irgendwie scheine ich mich zu entsinnen, dass da vor Jahren doch was war... Ah genau, irgendwie durfte ich noch Geologieunterricht geniessen, aber leider ist nciht viel hängen geblieben. Sag mal, sind wir bei dir in diesen Dingen an einen Experten geraten? Wenn ja, dann würde es mich freuen noch mehr darüber zu erfahren, wie das Badenerland in diesen Belangen zu sehen ist... Ich hab leider zu vieles vergessen und bin ehrlich gesagt auch zu faul mir alles wieder zusammen zu suchen, um mir einen Überblick zu verschaffen, aber interessieren täts mich schon, ist der Boden in denen die Reben treiben und wachsen doch der Grundstoff dafür, was später ins Glas kommt...

Gruss
Philipp
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thdeck

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Löss, Vulkan, etc.

BeitragMo 27. Dez 2010, 14:22

argentum hat geschrieben:Löss vs. Vulkan klingt recht geologisch und irgendwie scheine ich mich zu entsinnen, dass da vor Jahren doch was war... Ah genau, irgendwie durfte ich noch Geologieunterricht geniessen, aber leider ist nciht viel hängen geblieben. Sag mal, sind wir bei dir in diesen Dingen an einen Experten geraten? Wenn ja, dann würde es mich freuen noch mehr darüber zu erfahren, wie das Badenerland in diesen Belangen zu sehen ist... Ich hab leider zu vieles vergessen und bin ehrlich gesagt auch zu faul mir alles wieder zusammen zu suchen, um mir einen Überblick zu verschaffen, aber interessieren täts mich schon, ist der Boden in denen die Reben treiben und wachsen doch der Grundstoff dafür, was später ins Glas kommt...

Hallo Philipp, ein Experte bin ich leider nicht. Ein paar grobe Einteilungen habe ich aus diversen Büchern, Webseiten und Gesprächen mit Winzern.

Bei Granit vs. Vulkan ist es relativ klar:
Granit: saure Böden, milde Weine
Vulkan: basische Böden, strukturierte Weine

Kalk und Kalkmergel geht eher in Richtung Vulkan, ich kann aber nicht sagen, wie man "Kalk" konkret von "Vulkan" abgrenzt. Außer gewissen chemischen Unterschieden scheint auch die Bodenstruktur unterschiedlich zu sein.

Löss:
Der scheint chemisch dem Kalkboden nahe zu stehen. Gleichzeitig bezeichnen die Kaiserstuhlwinzer den Löss-Wein eher als "blumig" und weniger strukturiert als den Vulkan-Wein. Das liegt vermutlich an der Kornzusammensetzung (extrem fein) des Löss und seiner Fruchtbarkeit.

Dann ist da natürlich noch das Problem mit dem Winzerstil. Winzer, die Löss und Vulkan gleichzeitig haben, sagen, dass der Vulkan die tieferen, maskulineren, lagerfähigeren, "besseren" Spätburgunder ergibt. Das lässt sich auch bei deren Weinen nachvollziehen. Ein Winzer aber, der nur Lössböden hat, sieht das natürlich anders und geht die Sache entsprechend anders an.

Es hilft also nix, man muss die Sache selbst in die Hand nehmen:
(1) Löss-Vulkan-Vergleiche beim gleichen Winzer machen. Z.B. Schneider (Endingen) oder Salwey (Oberrotweil). Da ist der Vulkan-Wein praktisch immer der "maskulinere". Dichter ist er nicht unbedingt.
(2) Top-Lösswein mit Top-Vulkanwein von unterschiedlichen Winzern vergleichen. Das ist schwieriger, da vom Winzerstil überlagert. Man muss das über mehrere Jahre, mit unterschiedlichen Jahrgängen und unterschiedlich reifen Weinen machen.


Thomas
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argentum

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Re: 2005 Pinot Noir: Ortenau vs. Volnay

BeitragDo 30. Dez 2010, 20:35

Hallo Thomas

Ich möcht mich einfach schon mal bedanken für diesen erhellenden Beitrag. Irgendwie stachelst du mich grade an, doch noch zu recherchieren und das etwas auszuprobieren ;-)

Gib mit etwas Zeit, vielelicht kann ich dann zum gegebenen Zeitpunkt noch etwas dazu beitragen... Auf jedenfall spannend, diese Terroirdiskussion. Irgendwie müsste sich hier mal ein Vergleich anbieten :mrgreen:
Gruss
Philipp

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