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Weingut Ziereisen

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Bernd Schulz

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragMo 27. Sep 2021, 21:21

Im Glas befindet sich gerade der Heugumber 2019:

Bild

Ich finde es überaus erfreulich, dass ein Spitzenerzeuger wie Ziereisen überhaupt einen Wein für 6,50 anbietet. Und noch erfreulicher ist, dass es sich keineswegs um eine langweilige Angelegenheit handelt - man schmeckt vielmehr, dass sich der Winzer auch mit diesem Basisprodukt einige Mühe gegeben hat. Und wenn ich mir dann noch die lediglich 11 Umdrehungen im Kontext eines knochentrockenen Geschmacksbilds vor Augen führe, kann ich nur meinen Hut ziehen. Und zwar richtig tief! Hier weiß jemand ganz genau, was er tut, wenn er auch mit dem Ausbau seiner kleinsten Weine ungewöhnliche Wege (laut Rückenetikett 19 Monate Lagerung auf der Hefe!) beschreitet.

Herzliche Grüße

Bernd
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Georg R.

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragMi 29. Sep 2021, 21:27

Ziereisen und Gutedel ist ja schon eine ziemlich einzigartige Geschichte.

Zu Anfang hat man noch recht konventionell gearbeitet, er hat das mal kurz und treffend beschrieben: "Reinzuchthefe, Stahltank - fertig"
Er wollte die Gutedelreben schon durch Spätburgunder ersetzen, doch auf drängen seiner Frau lies man sie stehen.
"Also gut, aber wenn..dann machen wir es richtig"
Man hat dann in alten Schriften gestöbert und war erstaunt, welch hohen Stellenwert der Gutedel früher hatte.
Auf dem Weinmarkt1872 in Müllheim/Markgräflerland war ein Gutedel aus 1802 der teuerste Wein.
Kein Schreibfehler, ein 70-jähriger Gutedel.

Und so kam wohl die Sache ins Rollen.

Nebenbei macht man noch einen Amphorenwein - die Amphore ist direkt im Weinberg vergraben.
Die Trauben werden mit den Füssen gestampft und dann der ganze Brei für ein ein Jahr verschlossen.
Kurz vor der neuen Ernte wird sie entleert und mit neuen Trauben gefüllt.
Anschliessend bekommt dieser Naturwein noch etwas Ruhe im Holzfass.

Aber, das mit Abstand Beeindruckendste für mich ist folgende Geschichte:
Jedes Jahr wird ein Fass mit Gutedel abgefüllt, welches dann erst in 50 Jahren geöffnet werden darf. (back to the roots)
Wie "verrückt" muss man sein, ein Experiment zu starten, dessen Ausgang man vielleicht selbst nicht mehr erlebt.

Vor diesem Pioniergeist ziehe ich gaaanz tief meinen Hut.

Gruss
Georg
Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich.
Mark Twain
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Bernd Schulz

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragMo 25. Okt 2021, 20:46

Georg R. hat geschrieben:Man hat dann in alten Schriften gestöbert und war erstaunt, welch hohen Stellenwert der Gutedel früher hatte.
Auf dem Weinmarkt1872 in Müllheim/Markgräflerland war ein Gutedel aus 1802 der teuerste Wein.
Kein Schreibfehler, ein 70-jähriger Gutedel.


Sehr interessant! Ich habe Gutedel gemäß dem in der Weinszene verbreiteten Kalauer "Der Gutedel heißt Gutedel, obwohl er weder gut noch edel ist" bislang für eine belanglose Sorte gehalten. Aber nicht nur die alten Schriften sagen etwas anderes, sondern auch der gerade schon wieder fällige Heugumber 2019 belehrt mich eines Besseren:

Bild

Was für ein ausdrucksstarker Basiswein! Ich sollte mich eigentlich dringend um Nachschub davon kümmern....

Herzliche Grüße

Bernd
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Ralf Gundlach

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragMo 25. Okt 2021, 21:39

Bernd Schulz hat geschrieben:
Georg R. hat geschrieben:Man hat dann in alten Schriften gestöbert und war erstaunt, welch hohen Stellenwert der Gutedel früher hatte.
Auf dem Weinmarkt1872 in Müllheim/Markgräflerland war ein Gutedel aus 1802 der teuerste Wein.
Kein Schreibfehler, ein 70-jähriger Gutedel.


Sehr interessant! Ich habe Gutedel gemäß dem in der Weinszene verbreiteten Kalauer "Der Gutedel heißt Gutedel, obwohl er weder gut noch edel ist" bislang für eine belanglose Sorte gehalten. Aber nicht nur die alten Schriften sagen etwas anderes, sondern auch der gerade schon wieder fällige Heugumber 2019 belehrt mich eines Besseren:

Bild

Was für ein ausdrucksstarker Basiswein! Ich sollte mich eigentlich dringend um Nachschub davon kümmern....

Herzliche Grüße

Bernd


Hallo Bernd,

vor einer Stunde ging ich in den Keller, hatte zuerst eine Pulle Hahnmühle Riesling in der Hand. Und dann sah ich den Heugumber und dachte: der passt immer. Und so ist es auch. Toller Weißwein für unglaublich wenig Geld.

Gruß

Ralf
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Lars Dragl

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragDi 26. Okt 2021, 09:09

Hallo!

Den 19er Heugumber hatte ich noch nicht, aber neulich einen 18er, der mich etwas verunsichert zurück ließ. Der Grund dafür war die Nase, die ziemlich in Richtung angegammeltes Gemüse ging. Die Flasche hatte beim Öffnen ziemlichen Unterdruck und ging nur schwer auf. Nach ein paar Tagen im Kühlschrank war der unangenehme Gammelton dann verflogen und der Wein wusste zu überzeugen, vor allem, weil er auch etwas an Gewicht zugelegt zu haben schien. 6 Fl. sind noch da. Wenn die auch stinken sollten, dann schreibe ich nochmal was dazu. Ist vielleicht eine schwierige Phase.

Grüße

Lars
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Re: Weingut Ziereisen

BeitragDi 26. Okt 2021, 09:24

Lars Dragl hat geschrieben:Die Flasche hatte beim Öffnen ziemlichen Unterdruck und ging nur schwer auf. Nach ein paar Tagen im Kühlschrank war der unangenehme Gammelton dann verflogen und der Wein wusste zu überzeugen, vor allem, weil er auch etwas an Gewicht zugelegt zu haben schien.
...ist doch mit Schrauber, oder? Der Wein verlangte wohl einfach nach zusätzlichem Sauerstoff, nachdem er das bißchen im Flaschenhals schon begierig aufgesaugt hat...
Viele Grüße
Erich

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Lars Dragl

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragDi 26. Okt 2021, 10:43

Hallo Erich,

ja das ist so bzw. sieht ganz so aus. Faszinierend finde ich dennoch, dass Weine unter einem Schraubverschluss auch nicht immer alle gleich sind. Zumindest lassen sich immer mal wieder Flaschen schwer aufdrehen und zeigen sich dann etwas anders als die eigentlich baugleichen Geschwister. Das finde ich schon bemerkenswert.

Grüße

Lars
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Re: Weingut Ziereisen

BeitragDi 26. Okt 2021, 14:58

Lars Dragl hat geschrieben:Faszinierend finde ich dennoch, dass Weine unter einem Schraubverschluss auch nicht immer alle gleich sind. Zumindest lassen sich immer mal wieder Flaschen schwer aufdrehen und zeigen sich dann etwas anders als die eigentlich baugleichen Geschwister. Das finde ich schon bemerkenswert.
...eine 100 %-ig plausible Erklärung habe ich dafür zwar nicht, aber Weine, die direkt aus einem Tank, Faß etc. abgefüllt werden -womöglich noch ohne Filtration-, weisen im Behältnis höchstwahrscheinlich eine gewisse Schichtung auf. Wenn man die beim Abfüllen vermeiden will, müßte man erst in einen Füllbehälter ablassen bzw. umpumpen, dann nochmal umrühren und anschließend erst füllen. Wo da wer wie was genau macht, weiß ich natürlich nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, daß sowas einen deutlichen Einfluß auf Flaschenvarianzen haben kann...
Viele Grüße
Erich

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stefane

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragFr 26. Nov 2021, 22:21

Gestern im Glas:

Hanspeter Ziereisen, Efringen-Kirchen
Blauer Spätburgunder Talrain 2016
12,5%
€ 16

Von einer nahezu 500m hoch gelegenen Lage, der höchstgelegenen Lage von Ziereisen. Kalkboden mit Lehmauflage.
Ein kleiner Teil aus Ganztraubengärung mit den Rappen, was dem Wein spürbare Gerbstoffe verleiht. Dann für 24 Monate in gebrauchten Barriques aus heimischer Eiche ausgebaut.
Ein schöner, aber insgesamt zurückhaltender Kirschduft, auch Schlehe und Hagebutte vermeine ich zu riechen, begleitet von einer leicht pfeffrigen Note.
Im Mund dann mineralisch, frisch und klar, mit leicht kräutrigen Noten, insgesamt auf der schlank-fokussierten Seite. Würzige, deutlich präsente, fest zupackende Tannine.
Der Wein hat genau das richtige Maß an Ruppigkeit, ohne aber im Geringsten schroff zu wirken.
Sehr gut.
16/20
Herzliche Grüße
Stefan
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Lars Dragl

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Re: Weingut Ziereisen

BeitragSa 22. Jan 2022, 16:48

EThC hat geschrieben:
Lars Dragl hat geschrieben:Faszinierend finde ich dennoch, dass Weine unter einem Schraubverschluss auch nicht immer alle gleich sind. Zumindest lassen sich immer mal wieder Flaschen schwer aufdrehen und zeigen sich dann etwas anders als die eigentlich baugleichen Geschwister. Das finde ich schon bemerkenswert.
...eine 100 %-ig plausible Erklärung habe ich dafür zwar nicht, aber Weine, die direkt aus einem Tank, Faß etc. abgefüllt werden -womöglich noch ohne Filtration-, weisen im Behältnis höchstwahrscheinlich eine gewisse Schichtung auf. Wenn man die beim Abfüllen vermeiden will, müßte man erst in einen Füllbehälter ablassen bzw. umpumpen, dann nochmal umrühren und anschließend erst füllen. Wo da wer wie was genau macht, weiß ich natürlich nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, daß sowas einen deutlichen Einfluß auf Flaschenvarianzen haben kann...


Hallo!

Erich, danke für deine ausführliche Antwort und deine Beiträge insgesamt. Du schreibst viel und gut, hast Ahnung und trägst dazu bei, dass es hier nicht langweilig wird.

Den Heugumber 2018 hatte ich inzwischen schon wieder zwei mal, ohne dass die Flaschen Unterdruck hatten und auch ein Böckser, wie oben beschrieben, ist mir nicht aufgefallen. Ich denke hier war die Flasche nur fester zugedreht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass bei 18 Fl. ausgerechnet eine aus einer anderen Charge sein soll. Eigentlich hatte ich das Phänomen schon öfters, aber die Auswirkungen davon sind beim Heugumber 2018 aufgrund des Ausbaus wohl krasser gewesen. Wie auch immer, ich mag Schraubverschlüsse und habe auch schon beim Zudrehen zugesehen. Da kann eigentlich nicht immer zu 100% das selbe Ergebnis rauskommen bzw. die selbe Kraftübertragung stattfinden!?

Grüße

Lars
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