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- Registriert: So 19. Dez 2010, 20:51
Hier sind wir beim Politikum, im positiven Sinne. Weil: Was ein Terroir ist, bestimmt die Mehrheit. Natürlich jeder nach seinen Einflussmöglichkeiten. Meine sind begrenzt, aber egal. Zur Erinnerung die korrekte Definition:
Ein Terroir ist
(1) eine abgegrenzte geografische Einheit,
(2) in der eine menschliche Gemeinschaft
(3) im Lauf der Geschichte ein kollektives intellektuelles Produktionswissen angesammelt hat,
(4) gegründet auf dem Zusammenspiel der physikalischen und biologischen Umgebung sowie einer Gesamtheit von menschlichen Faktoren,
(5) wobei die zugehörigen sozio-technischen Errungenschaften
(6) eine Originalität offenbaren,
(7) eine Typizität verleihen
(8) und eine Reputation erzeugen
(9) für ein Produkt, welches von diesem Terroir stammt.
Wenn also ein Winzer (hier: Kühn) einen untypischen Wein erzeugt, ist das zunächst zwangsläufig *kein* Terroir-Wein. Er kann es aber werden, wenn gemäß (7) und (8) sein Wein eine entsprechende Reputation bekommt und ihm eine mit dem (potenziellen) Terroir verbundene Typiztät zugesprochen wird. Hier ist also jeder gefragt, wie in einer Demokratie, in der man von seinem Wahlrecht Gebrauch machen kann. Ich tue das, und analog der "politischen Willensbildung" vergleiche ich das "Neue" mit dem "Bestehenden". Letzteres in Form eines Vorzeigeweins aus der Ortenau. Die Preise passen zueinander. Ich machte diesen Vergleich auch schon im Jahr 2011 und bringe daher alle vier Kurznotizen:
2005 Mittelheim St. Nikolaus Riesling QbA tr., Peter Jakob Kühn, Oestrich (Rheingau)
13,5 % Alk. 17,50 Euro
wein-plus 93 Punkte (-2012)
2005 Neuweier Mauerberg Riesling Spätlese tr. "Das goldene Loch" GG, Schloss Neuweier, Neuweier (Ortenau)
13 % Alk., 17 Euro
wein-plus 88 Punkte (-2014), Gault Millau 91 Punkte (-2012)
Kurznotizen zum Kühn:
1. Fl. (28.2.11, Neuweier vs. Mittelheim): pflanzlich-medizinal; sehr dicht, fast ölig; trocken; Säure; Bitterton; überreifes Lesegut; mächtig, aber stilistisch verfehlt; ab dem 2. Tag lasch und alkoholisch; viel Körper, aber sehr untypisch; 83 Punkte
2. Fl. (24.4.13, Neuweier vs. Mittelheim): bernsteinfarben; reife Nase, ölig; im Mund sehr dicht, ölig, Kräuter; auch Säure; konzentriert, phasenweise anstrengend; interessant, aber völlig Riesling-untypisch; erinnert an René Muré; etwas alkoholisch; 2.+3. Tag unverändert; in seiner Art ziemlich stabil, aber durchgehend schwierig bis anstrengend mit gewisser Schärfe wg. Alkohol; 86 Punkte
Kurznotizen zum Schloss Neuweier:
1. Fl. (28.2.11, Neuweier vs. Mittelheim): üppig-fruchtig, Zitrus/Orange/Südfrüchte; deutlich mehr Leben als Kühn; am 2. Tag etwas weniger Biss; am 3. Tag immer noch ausgewogen; 90 Punkte
2. Fl. (24.4.13, Neuweier vs. Mittelheim): fruchtige Nase; im Mund üppig, gelbfruchtig; sehr schön, sehr dicht, reintönig; hat Restsüße; auch Säure; auch am 2. Tag perfekt balanciert (Süße, Frucht, Säure); 3. Tag unverändert; großer Wurf; 91 Punkte
Fazit:
Meine Wertung ist natürlich subjektiv. Aber so ist das nun mal in einer Demokratie. Wobei der Idee und deren Umsetzung seitens Kühn durchaus Respekt gebührt. Hinsichtlich der wein-plus-Wertung werden meine Vorurteile bestätigt: Hauptsache dicht und konzentriert. Typizität interessiert da keinen. Geht ja auch nicht, wenn nur blind verkostetet wird. Wie will ich die Typizität eines Weins würdigen, wenn ich seine Herkunft nicht kenne?
Leider war das meine letzte Flasche von Kühn. Nicht dass ich das Weingut boykottieren würde. Aber mir fehlen einfach die Kapazitäten. Baden bindet meine Kräfte. Nichtsdestotrotz würde mich interessieren, ob sich Kühn mit seinem Stil inzwischen etwas "gemäßigt" hat.
Schloss Neuweier hat mit diesem Wein unterstrichen, dass es zusammen mit Laible beim Riesling zur badischen Spitze gehört, 2005 sogar besser als Laible. Für die deutsche Spitze (d.h. 93 oder mehr Punkte) scheint es noch nicht ganz zu reichen. Man geht mit der Restsüße bis ans obere Limit im Trocken-Bereich, und damit kommt man bzgl. Komplexität und Strahlkraft an die großen Pfälzer, Rheinhessen und Rheingauer nicht ran.
Thomas
Ein Terroir ist
(1) eine abgegrenzte geografische Einheit,
(2) in der eine menschliche Gemeinschaft
(3) im Lauf der Geschichte ein kollektives intellektuelles Produktionswissen angesammelt hat,
(4) gegründet auf dem Zusammenspiel der physikalischen und biologischen Umgebung sowie einer Gesamtheit von menschlichen Faktoren,
(5) wobei die zugehörigen sozio-technischen Errungenschaften
(6) eine Originalität offenbaren,
(7) eine Typizität verleihen
(8) und eine Reputation erzeugen
(9) für ein Produkt, welches von diesem Terroir stammt.
Wenn also ein Winzer (hier: Kühn) einen untypischen Wein erzeugt, ist das zunächst zwangsläufig *kein* Terroir-Wein. Er kann es aber werden, wenn gemäß (7) und (8) sein Wein eine entsprechende Reputation bekommt und ihm eine mit dem (potenziellen) Terroir verbundene Typiztät zugesprochen wird. Hier ist also jeder gefragt, wie in einer Demokratie, in der man von seinem Wahlrecht Gebrauch machen kann. Ich tue das, und analog der "politischen Willensbildung" vergleiche ich das "Neue" mit dem "Bestehenden". Letzteres in Form eines Vorzeigeweins aus der Ortenau. Die Preise passen zueinander. Ich machte diesen Vergleich auch schon im Jahr 2011 und bringe daher alle vier Kurznotizen:
2005 Mittelheim St. Nikolaus Riesling QbA tr., Peter Jakob Kühn, Oestrich (Rheingau)
13,5 % Alk. 17,50 Euro
wein-plus 93 Punkte (-2012)
2005 Neuweier Mauerberg Riesling Spätlese tr. "Das goldene Loch" GG, Schloss Neuweier, Neuweier (Ortenau)
13 % Alk., 17 Euro
wein-plus 88 Punkte (-2014), Gault Millau 91 Punkte (-2012)
Kurznotizen zum Kühn:
1. Fl. (28.2.11, Neuweier vs. Mittelheim): pflanzlich-medizinal; sehr dicht, fast ölig; trocken; Säure; Bitterton; überreifes Lesegut; mächtig, aber stilistisch verfehlt; ab dem 2. Tag lasch und alkoholisch; viel Körper, aber sehr untypisch; 83 Punkte
2. Fl. (24.4.13, Neuweier vs. Mittelheim): bernsteinfarben; reife Nase, ölig; im Mund sehr dicht, ölig, Kräuter; auch Säure; konzentriert, phasenweise anstrengend; interessant, aber völlig Riesling-untypisch; erinnert an René Muré; etwas alkoholisch; 2.+3. Tag unverändert; in seiner Art ziemlich stabil, aber durchgehend schwierig bis anstrengend mit gewisser Schärfe wg. Alkohol; 86 Punkte
Kurznotizen zum Schloss Neuweier:
1. Fl. (28.2.11, Neuweier vs. Mittelheim): üppig-fruchtig, Zitrus/Orange/Südfrüchte; deutlich mehr Leben als Kühn; am 2. Tag etwas weniger Biss; am 3. Tag immer noch ausgewogen; 90 Punkte
2. Fl. (24.4.13, Neuweier vs. Mittelheim): fruchtige Nase; im Mund üppig, gelbfruchtig; sehr schön, sehr dicht, reintönig; hat Restsüße; auch Säure; auch am 2. Tag perfekt balanciert (Süße, Frucht, Säure); 3. Tag unverändert; großer Wurf; 91 Punkte
Fazit:
Meine Wertung ist natürlich subjektiv. Aber so ist das nun mal in einer Demokratie. Wobei der Idee und deren Umsetzung seitens Kühn durchaus Respekt gebührt. Hinsichtlich der wein-plus-Wertung werden meine Vorurteile bestätigt: Hauptsache dicht und konzentriert. Typizität interessiert da keinen. Geht ja auch nicht, wenn nur blind verkostetet wird. Wie will ich die Typizität eines Weins würdigen, wenn ich seine Herkunft nicht kenne?
Leider war das meine letzte Flasche von Kühn. Nicht dass ich das Weingut boykottieren würde. Aber mir fehlen einfach die Kapazitäten. Baden bindet meine Kräfte. Nichtsdestotrotz würde mich interessieren, ob sich Kühn mit seinem Stil inzwischen etwas "gemäßigt" hat.
Schloss Neuweier hat mit diesem Wein unterstrichen, dass es zusammen mit Laible beim Riesling zur badischen Spitze gehört, 2005 sogar besser als Laible. Für die deutsche Spitze (d.h. 93 oder mehr Punkte) scheint es noch nicht ganz zu reichen. Man geht mit der Restsüße bis ans obere Limit im Trocken-Bereich, und damit kommt man bzgl. Komplexität und Strahlkraft an die großen Pfälzer, Rheinhessen und Rheingauer nicht ran.
Thomas