UlliB hat geschrieben:Depolymerisationsreaktionen von Gerbstoff-Präkursoren (...) vielleicht kann Ollie dazu noch etwas sagen.
Nein, kann er nicht (aber er fuehlt sich geehrt, in die naehere Auwahl gekommen zu sein).
Von mir noch ergaenzend:
Man kann "Phenole" mit den Truebstoffen besonders gut dann aus dem Most entfernen, je oxidativer der Most gehandhabt wird: schon beim Pressen "phenolreduzierend" arbeiten, also langsame, sanfte Pressung mit viel Luftkontakt des Mosts (vgl. die Vergoetterung der Korbpresse) nach moeglichst keiner Maischestandzeit (vgl. Direktpressung bei Sektgrundwein).
Allerdings muessen die Trubstoffe auch tatsaechlich aus dem Most entfernt werden. Daher weisen mit Sauerstoff flotierte Moste besonders geringe Phenolgehalte auf; kombiniert mit reduktiver Weinbehandlung und speziell dem langen Verbleiben auf der Hefe ("Hefeschoenung") koennen so sehr phenolarme und daher langlebige* Wein erzeugt werden. Der lange Ausbau auf der Vollhefe ist nicht umsonst traditionell eine burgundische, keine moselanische Geschichte (vom erleichterten BSA und dem Einfangen der Holz"tannine" mal ganz abgesehen) (und soviel zum "Terroir", das PJK natuerlich
immer herausgearbeitet hat, na klar...).
Verbleiben die Trubstoffe ganz oder teilweise im Most, sorgen die reduktiven Zustaende waehrend der Gaerung (besonders bei Mostschwefelung) dafuer, dass die Phenole in den Wein uebergehen, wie Ulli das beschrieben hat. Daher geht bei harsch behandelten oder ungeklaerten Mosten nur bedingt: Bis in die fruehen 90er wurden in Chablis manche Moste ungeklaert vergoren, weil die spaete Lese und die geringen Erntemengen kleine Gebinde bei kuehlen Temperaturen bedingten. Folglich steht Chablis traditionell nicht fuer Frucht, sondern fuer eine kraeuterige Mineralik - genauso wie z.B. die alten (2005 bis 2008) Kuehns. Soviel zur von Ulli auch angesprochenen Wahrnehmung von "Fehlern".
Cheers,
Ollie
*Nicht jede Sorte "Phenol" hat die selbe Wirkung. Flavanoide sind offenbar die grossen Boesewichte, die die Oxidation von Weisswein stark beschleunigen (daher waren sie mal im Gespraech als Ausloeser fuer PreMox); bei Rotweinen sorgen sie fuer unangenehme Bitterkeit. Sie kommen hauptsaechlich in den Kernen vor, und es bestehen wohl starke Unterschiede zwischen einzelnen Rebsorten: Riesling wenig, Grauburgunder viel. Das erklaert auch, warum klassische Moselrieslinge, die traditionell (d.h., phenolarm) bereitet werden, extrem langlebig sind (die Sterilfiltration samt Schwefelung der Weine hilft natuerlich auch), neumodisch-agressiv vinifizierte GGs aber manchmal recht schnell zusammenklappen. Moderne Rotaryfermenter (in denen ein Ruehrwerk die Maische umwaelzt) haben schon seit Jahren die Vorrichtung, auf den Boden gesunkene Kerne zu entfernen.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard, copropriétaire de Château Smith Haut Lafitte)