Ulli, natürlich gibt es gewisse Modewellen - aber darüber hinaus gibt (und gab es auch immer) sehr individuelle und mehr oder minder austauschbare Weine.Ansonsten: Weingeschmack unterliegt Moden, und wie das mit Moden eben so ist - was gestern noch angesagt war, ist heute bäh (und kommt vielleicht trotzdem irgendwann mal wieder). Als ich anfing, mich mit Wein zu beschäftigen, war die Süßwelle in Deutschland noch in vollem Schwang, dann kam die saure Trockenwelle, dann die milde Trockenwelle, dann die fruchtige Trockenwelle, jetzt halt die mineralische Trockenwelle, vielleicht mit einem kleinen Touch von "Orange Wine" dazu (wobei "trocken" in Deutschland über alle Wellen hinweg durchaus auch ein bisschen süß sein durfte und darf).
Die Kühnschen Rieslinge aus den (späten) 90ern kenne ich zugegebenermaßen nicht extrem gut, aber ich kenne sie immerhin. Der Winzer pflegte damals einen - um es positiv zu sagen - sehr klaren, reinzüchtigten Stil. Und er befand sich innerhalb dieser Stilistik fraglos auf einem hohen Niveau. Ich habe die Weine seinerzeit nicht von der Tischkante gestoßen, und ich würde sie auch heute mit einigem Genuss trinken, aber sie wirkten halt relativ beliebig. Und Beliebigkeit/Austauschbarkeit ist für mich von allen Moden ganz abgesehen nichts Positives. Insofern finde ich es sehr erfreulich und sympathisch, dass Kühn nach der Jahrtausendwende mit sehr viel Mut und Risikofreude andere, individuellere Wege gesucht und gefunden hat. Ihm ging es offenbar um mehr Charakter und Ausdruck - und alles in allem scheint er mir sein Ziel (mit einigen Irrungen?) mittlerweile auch gut erreicht zu haben.
Die "fruchtbetonten" Weine, die Kühn in den 90ern gemacht hat, machen heute im Rheingau (und anderswo) viele Betriebe. Nicht alle machen sie so gut wie Kühn seinerzeit, aber es gibt mittlerweile genug Erzeuger, die die Technik entsprechend beherrschen und einsetzen....
Viele Grüße
Bernd