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Koehler-Ruprecht

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Bernd Schulz

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragSa 10. Jul 2021, 22:06

stollinger hat geschrieben:Der Kühlschrank hat angeblich 8°C, ich lasse den Wein dann halt im Glas wärmer werden. Manchmal nehme ich auch eine Kühlmanschette, dann ist er noch kälter.


Josef, ich will dich keinesfalls missionieren, aber ich sehe es wie Michl:

Michl hat geschrieben:Ich würde behaupten, dass gerade Weine von K-R eine gewisse Temperatur brauchen (mehr noch aber Luft und Zeit), um ihre Nuancen zu zeigen.


Solche im Holzfass ausgebauten Langstreckenläufer wie die Saumagen-Rieslinge von Koehler-Ruprecht setze ich in puncto Trinktemperatur eher (komplexeren :!: ) Rotweinen gleich. Und auch junge, leichtgewichtige Weißweine genieße ich höchstens im Hochsommer bei mehr als 30 Grad im Außenbereich - da geht es dann um einen gewissen Erfrischungsfaktor - richtig kalt. Vielleicht hast Du ja Lust, mal auszuprobieren, wie ein anspruchsvoller Weißwein wirkt, wenn du deutlich wärmer (so um die 14 Grad) mit ihm anfängst? Einfach nur mal so als Experiment.....

Ich trinke ja auch gerne immer wieder ein (wenigstens einigermaßen) handwerklich gebrautes Bier. Selbst beim Gerstensaft schmecke ich mittlerweile weit mehr Aromen, wenn die Temperatur 10 Grad nicht unterschreitet. Ein Industriepils mit standardisiertem Erscheinungbild bezieht seine erfrischenden Eigenschaften natürlich neben der Kohlensäure und einer gewissen Herbheit natürlich aus einer niedrigen Temperatur; wenn ich damit meinen Durst lösche (was selten, aber ab und an doch noch vorkommt :oops: ), mag ich es sehr gerne richtig kalt. Aber jedes Bier mit einem gewissen Anspruch kann ich besser würdigen, wenn es nicht zu stark heruntergekühlt wurde..... --

Auf jeden Fall möchte ich mich noch einmal sehr bei Michl als Initiator unserer kleinen Jahrgangsvertikale bedanken! Für mich war das gestrige Verkosten der vier trockenen Saumagen-Spätlesen ein besonderes Erlebnis! :) :!: :)

Herzliche Grüße

Bernd
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Kle

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragMo 6. Sep 2021, 13:38

2019er Kallstadter Saumagen Riesling Auslese trocken: Im Auge hellgelbgold, in der Nase ein Gelbfruchtcocktail. Im Mund ebenso Apfel, Pfirsich, Birne, aber sofort auch ein mineralischer Kontrapunkt mit Aromen, die sich auf nichts Organisches zurückführen lassen. Sie bremsen und binden hier das opulente Obst, so dass keine Gefahr der Übersättigung besteht. Wobei die Frucht trotz ihrer Intensität fein und strukturiert schmeckt. Der Wein verändert sich rasant im Glas und bald zeigt sich eine wunderbar zarte, den Wein akzentuierende Holznote. Beeindruckend auch, dass die Gelbfrüchte bald schwerer auseinanderzuhalten sind und gemeinsam mit anderen Aromen sich zusammenschmiegen zu einer feinen Grand Cru-Limonade. Frische ist nicht nur zu schmecken, sondern sorgt für ein erfrischendes Erlebnis.
Praktisch mit jedem Schluck ergeben sich neue Aspekte (Süße, plötzlich Blaufrüchte, dabei immer mehr steinige Anmutungen, Leckeres gleichzeitig auf mehreren Bühnen und dies sehr lang), denen sich kaum hinterherschreiben lässt. Nichts gegen länger gereifte Weine, aber bei einem solchen Erlebnis scheint das Beste nah zu sein.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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Kle

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragMi 29. Sep 2021, 18:58

Als Gast durfte ich einige gerühmte Koehler-Ruprecht-Weine probieren, wobei die Begeisterung der Tischnachbarn nie richtig auf mich übersprang. Die Saumägen erschienen mir zu still und ich nicht feinsinnig genug für sie. Erst in letzter Zeit fasziniert mich das Gut und nach den tollen Erfahrungen mit der Auslese 19 wagte ich es, die Spätlese 16 trocken zu öffnen. Im Fruchterlebnis fühlte ich mich schon wie Zuhause und zusätzlich entfaltete sich ein frischer, ätherischer Kräuterteppich. Aha, dachte ich: Eine Charakterfrucht (einnehmend, gut wiedererkennbar, individuell) gepaart mit einem feinstofflichen, zartsäurigen Elixier ist das Geheimnis der Weine, zu denen ich endlich Zugang gefunden habe! Problem war dann, dass die Frucht nach einiger Zeit abhanden kam und nur das Elixier blieb. Ich konnte tun, was ich wollte, Gekühltes nachschenken etc. Aus dem Teppich mit Früchtekorb wurde ein schmales Hemd und das war zu wenig. Am nächsten Tag war die Frucht zum Glück wieder da und ebenso ihr fein animierendes Umfeld, das ich nun über lange Zeit beobachtete. Diese Art von Wein gefällt mir gerade im Kontrast zu Rieslingen, die cremig-straffer und für mich zu imponierend auftreten. Beim Saumagen Spätlese 2016 trocken mochte ich die durchscheinenden Verhältnisse sehr. Und doch erschien der Wein limitiert. Die Eindrücke wiederholten sich, der Spielraum schien begrenzt.
EThC hat geschrieben:Im Keller hab ich ein Vierergespann von 2015 bis 2018 für so eine Vertikale zurückgelegt, bin mir noch unsicher, wie lange ich da noch warten soll / muß / kann...

Warten finde ich beim 16er nicht zwingend, bzw. bin neugierig, wie andere ihn finden!

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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Michl

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragMi 29. Sep 2021, 20:03

Lieber Kle,

vielen Dank für deine Eindrücke. Ich schätze deine Art, Wein zu beschreiben, ungemein, da wird wirklich spürbar, was du wahrgeommen hast. Den 16er kenne ich noch nicht, aber ich meine etwas bestätigen zu können, was mir ein gemeinsames Moment so vieler Weine des Weinguts zu sein scheint, nämlich:

Kle hat geschrieben:Und doch erschien der Wein limitiert


Dennoch glaube ich, dass dieser Eindruck trügen kann. Ich kam zu Beginn der 90er Jahre mit K-R zum Riesling. Mit die bewegendsten Erlebnisse hatte ich mit den trockenen Weinen aus dem Saumagen, aber IMMER waren die Weine erst nach mehreren Jahren wirklich so weit, ihr Geheimnis zu offenbaren. Mittlerweile trinke ich sie allenfalls ausnahmsweise vor dem 7. Jahr. Sie reifen langsam, sind oftmals über viele Jahre "limitiert", ja seltsam einfach, und verändern sich dann in kaum zu erwartender Weise. Vor allem brauchen sie alle immens viel Luft, aber die hast du ja dem Wein gegeben. Auch unter Dominik Sona hat sich das nach meinen bisherigen Erfahrungen bis 2014 nicht wirklich verändert. Vielleicht magst du noch etwas weglegen. Es könnte sich sehr lohnen. Ich bin mir sicher, dass ältere bis alte K-R-Weine genau die richtigen Weine für jemanden sind, der wie du über Wein spricht und denkt.
Viele Grüße

Michl
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Kle

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragMi 29. Sep 2021, 22:40

Lieber Michl,

Deine KR-Kommentare beeinflussen mich schon lange und ich kommentiere sie indirekt ("wagte ich es…"). Auf den 2016er schien mir deine Empfehlung, man müsse nur abwarten, nicht zu passen. Schön, dass du so darauf beharrst. Es macht mich sehr neugierig auf die Zukunft und ich werde mich weiter um richtig alte Flaschen bemühen.

Gruß, Kle
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EThC

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragDo 30. Sep 2021, 07:08

Kle hat geschrieben:ich werde mich weiter um richtig alte Flaschen bemühen
...2010 war zuletzt sehr sehr schön... :D
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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Michl

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragSo 10. Okt 2021, 10:06

Die letzten Tage hatte ich die trockene Auslese RR aus 2007 im Glas. Was für ein Erlebnis...!

Als ich auf cellartracker gelesen hatte, dass dem Wein in der letzten VKN 99 P gegeben wurde, dachte ich mir, dass er mittlerweile so weit sein könnte, und ja, der Trinkzeitpunkt ist perfekt, obwohl der Wein sicherlich noch einige Jahre vor sich hat.

Kurz zusammengefasst: Das ist nach der 98 er Auslese R der wahrscheilich beste Riesling, den ich je im Glas hatte. Ich bin noch immer ganz ergriffen, von der Wirkung, die dieses Elixier erzeugte. Der Wein entrückt einen aus der Welt. Anderen könnte er vielleicht nicht kräftig genug für einen perfekten Wein sein. Für mich war diese völlig uneitle, stille Erhabenheit jedoch schlichtweg kaum zu fassen und der Genuss ein meditatives Erlebnis

Bild

Mir fehlen Referenzwerte, um hier genaue Punkte angeben zu können. Aber unzweifelhaft ist dieser Wein eindeutig groß (also mehr als 95 P). Man könnte zwar Defizite konstruieren, wenn man den Wein in Einzelkomponenten zerlegt, aber letztlich macht dies angesichts dieser völlig ergreifenden Weinpersönlichkeit keinen Sinn. Ich gebe 97 P, kann aber auch die 99 P auf cellartracker völlig nachvollziehen.

Wenn Carsten die 16er Spätlese als limitiert wahrgenommen hat, dann kann ich auch im Kontext dieses Weines mit dem Begriff etwas anfangen, denn er ist eben nicht reichhaltig oder besonders vielschichtig, auch der im Zuge mit K-R früher oft kolportierte Begriff der barocken Opulenz ist hier völlig fehl am Platz (abgesehen vom Schmelz, der sehr wohl so wahrgenommen werden kann), dafür ist er aber in ganz selbstverständlicher und völlig bescheidener vorgetragener Weise tief und erhaben. Er zeigt exemplarisch, dass weniger mehr sein kann. Dennoch hat mir Carstens Assoziation einen neuen Blick auf die Weine des Weinguts ermöglicht.

Ganz großartig hat einmal mehr marzemino den Wein beschrieben. Ich erlaube mir einfach, seine VKN hier auch einzustellen:

Bild
Viele Grüße

Michl
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Kle

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragSo 10. Okt 2021, 18:40

Herzlichen Dank, lieber Michl, dass auch ich in den Genuss dieses großartigen Weines kam. Mich verblüffte, wie voll er sofort nach etwas mürben, vitalen Gelbrüchten duftete. Auf rasanter Nasenfahrt, ehe ich sozusagen diese Frucht richtig auf mich wirken lassen konnte, kamen andere Duftnoten hinzu und überlagerten einander. So Citrus, etwas Vanille, Nüsse und Honig, Sahne und Holzkiste derart präsent, dass ich dachte, mein Kopf stecke in einer solchen. Diese Geruchseindrücke allein waren phänomenal, als hätte ich den Einstieg in eine mir bisher unbekannte Dimension gefunden. Da mir das unheimlich wurde, begann ich zu trinken: Neben gereiftem Apfel schmeckte ich hier auch ganz frischen (Granny Smith), dazu Tee, Sahnebonbon und einen enormen, von Säure befeuerten und von Karamell geprägten Nachhall. Überhaupt ist die von Säure durchwirkte „Creme“ dieses Weines wunderbar. Er wirkt sehr harmonisch und nobel gebaut mit gut sichtbaren Details. Vergleichbar einem komplexen Mosaik, das man als Ganzes sowie in seinen Feinheiten zu erfassen und vor allem zu spüren scheint.
Das Wort „limitiert“ stimmt für mich hier aber nicht. Dazu glitzern und kribbeln zu viele kleinen Phänomene am Rand des Geschmacksfeldes. Besäße man die unendliche Geschmacksfähigkeit würden hier viele weitere Geschichten beginnen. Plötzlich herrscht dann Ruhe. Der Wein verstummt, ohne dass die Spannung nachlässt. John Cage hätte seine Freude daran und ich auch, es ist nur Geduld nötig, bis der Nachhall eines Schluckes abklingt.
Trotz seiner Frische habe ich Reifetöne geschmeckt, sowie am Rand leicht chemische ("Möbelpolitur") und wie lasierte Noten. Dies aber sublim als gute Würzung und immer wieder durch „sahnige“ Anmutungen abgelöscht.
Es war ein einmaliges, eigentlich nicht zu vergleichendes Erlebnis und trotzdem fiel mir die „einfache“ Auslese 2019 ein. Um ehrlich zu sein, erwarte ich von ihr nach ähnlicher Reifung noch mehr… Und: Während im Beaujolais-thread erprobt wurde, wie gut die Weine reifen können, wurde ich jetzt nicht in meinem Verdacht erschüttert, dass sich Saumägen auch jung trinken lassen. Zumindest ab der Auslese. :mrgreen:

Gruß,Kle
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Tristram Shandy
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Michl

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragSo 10. Okt 2021, 19:08

Lieber Carsten, vielen Dank für deine Eindrücke.

Kle hat geschrieben:Es war ein einmaliges, eigentlich nicht zu vergleichendes Erlebnis und trotzdem fiel mir die „einfache“ Auslese 2019 ein. Um ehrlich zu sein, erwarte ich von ihr nach ähnlicher Reifung noch mehr… Und: Während im Beaujolais-thread erprobt wurde, wie gut die Weine reifen können, wurde ich jetzt nicht in meinem Verdacht erschüttert, dass sich Saumägen auch jung trinken lassen. Zumindest ab der Auslese.


Dann werde ich wohl meine Vorurteile über Bord werfen müssen und auch einmal jüngere Jahrgänge öffnen. Tatsächlich kenne ich ab 2015 noch nichts. Die 19er Auslese wird für mich dann auch ein Pflichtkauf sein...
Viele Grüße

Michl
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nahebub

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Re: Koehler-Ruprecht

BeitragDo 17. Feb 2022, 22:07

Gerade im Glas die KR Saumagen Spätlese 2009 "Edition PdP". Meine letzte Flasche. Wollte ich schon länger mal öffnen und heute war es dann endlich soweit. Was soll ich sagen? Ich bin begeistert. Sehr gut gereift und noch lange nicht drüber. Am Anfang vom Geruch irgendwie arzneiig - wie ein Pflaster. Zum Glück schnell verflogen. Gelbes Steinobst, würzig-kräutrige Aromen. Nicht so hohe Säure, aber alles perfekt am richtigen Platz. Guter Grip mit mittlerem Abgang. Gefällt mir sehr gut.
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