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Wagner-Stempel

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Ollie

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Re: Wagner-Stempel

BeitragSa 17. Jun 2023, 16:06

Bernd Schulz hat geschrieben:Auch aus dem Jahrgang 2022 werden sicher wieder einige Kabinette den Weg in mein Glas finden. Den Anfang des Reigens macht heute der Siefersheimer Heerkretz, der mir von einem edlen Spender zur Verfügung gestellt wurde:

Bild

Bei dem einen oder anderen Winzer habe ich zwar schon derartige Babys oder sogar Fassproben verkostet, aber insgesamt fehlt es mir an Erfahrung mit solch extremen Jungweinen, um jetzt schon eine vernünftige Bewertung abgeben zu können. Ich sehe aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das mal ein ziemlich oder auch ganz großer Kabi werden wird.


Den hatten wir gestern auch im Glas. In der Nase weiße Blüten (Zitrone, Holunder), Zitrusblatt und Zitrusfrucht. Nicht komplex, aber sehr schön. Am Gaumen wiederum sehr weißblütig und zitronenblättrig, nicht übermäßig konzentriert, aber die Süße wirkt etwas hoch (knapp 60 g/l bei immerhin 8 Vol% Alkohol) und ist auch im Abgang deutlich vernehmbar, also eher leichte Spätlese als das, was ich mir unter einem Moselkabinett vorstelle (ich dachte erst, ich hätte aus versehen die SL aufgemacht, aber dennoch Schöne Saftigkeit ohne Schwere, die Säure ist sehr reif und wirkt deshalb fast etwas zu gering mit ihren 8.9 g/l. Mir fehlt etwas die schieferinduzierte Würze, und der Edelstahlausbau macht den Wein noch mal besonders "strahlend sauber". Also kein Philosoph, aber enorm süffig mit echt krasser Verdunstungsrate. Schraubverschluss (yay!).

Großer Kabinett? Nein; das ist jetzt nichts, was etwa Max Ferd Richter nicht schon seit Jahren auf Flasche zieht (WSU usw.). Aber toll, daß es Kabinette dieser Qualität nun auch endlich von den GG-Lagen gibt und wir so aktiv an der Mengenverknappung der GGs arbeiten können. :lol:

Nicht auszudenken, was mit Fuderausbau möglich wäre.

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Ollie
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Ollie

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Re: Wagner-Stempel

BeitragMo 19. Jun 2023, 11:19

Bernd Schulz hat geschrieben:Bei mir befindet sich gerade etwas Edelsüßes von Wagner-Stempel im Glas:

Bild

Große Auslese! Mehr Worte sind überflüssig.


2021 Wagner-Stempel Siefersheimer Heerkretz Auslese
(7 Vol%, 0.5l-Flasche)
Helbgelb mit grünlichen Reflexen. In der Nase Sternfrucht, würzige Zitrusfrucht (Limette), leichte Reduktion (frisch abgebranntes Streicholz), kalter Aschenbecher, schwach Ananas, ganz schwach leicht unreife Maracuja vielleicht. Im Untergrund dunkle, tabakartige Mineralik. Am Gaumen wiederum viel Limette (Frucht, Blüte und Blatt), sehr süß, aber saftig, schöne Länge auf der Süße, etwas unterkomplex. Was auffällt, ist die extreme Sauberkeit des Weins, ganz klar wie frischer Saft, aber ohne die kristalline Art eines Eisweins; ich denke nicht, daß Botrytis im Spiel ist. Edelstahl? Der Jahrgang kommt diesem klaren Stil natürlich sehr entgegen. Sehr gut, aber vom Typ her eher eine "Superspätlese": süßer, aber ohne die Komplexität oder Raffinesse (und, ganz ehrlich, das Interesse) einer Auslese. Natürlich eine ganze Klasse über dem 2022er Kabinett. Sollte in 10 Jahren Komplexität aufgebaut (und Süßeeindruck abgebaut) haben, aber es stellt sich die Frage, wieso man sich für das Geld nicht gleich eine Zilliken-Spätlese gekauft hat, da weiß man, was man bekommt. Experimentierfreudig legen sich ein Sixpack in den Keller und schauen dem Wein beim Reifen zu; ein Vergleich mit dem GG sollte sehr interessant werden (Lagencharakter usw.), denn ich glaube, hier wurde eine Partie GG-Most abgestoppt. 92

Der Wein wurde direkt gegen eine 2022er Max Ferd. Richter WSU AL*** #42 getrunken. Uff. (Mehr dort im Strang.)

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Ollie

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Re: Wagner-Stempel

BeitragMo 26. Jun 2023, 13:40

2022 Wagner-Stempel Heerkretz Riesling Spätlese
In der Nase "Gebirgsbach durch Kräuterwiese", sehr tafeltraubig (Muskat). Am Gaumen Apfel-Rhabarber-Kompott, trotz präsenter Säure ziemlich süß, schon fast leichte (Mosel-)Auslese. Okay, aber nicht richtig überzeugend.

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Bernd Schulz

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Re: Wagner-Stempel

BeitragDi 4. Jul 2023, 21:40

Der 22er Heerkretz-Kabi zeigt mittlerweile richtig, was er kann:

Bild

Ollie hat geschrieben: Am Gaumen wiederum sehr weißblütig und zitronenblättrig, nicht übermäßig konzentriert, aber die Süße wirkt etwas hoch (knapp 60 g/l bei immerhin 8 Vol% Alkohol) und ist auch im Abgang deutlich vernehmbar, also eher leichte Spätlese


Dass die Süße etwa hoch wirkt, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Und "übermäßig konzentriert" ist der Wein natürlich nicht, denn es handelt sich ja schließlich um einen Kabi.

Ollie hat geschrieben:Großer Kabinett? Nein; das ist jetzt nichts, was etwa Max Ferd Richter nicht schon seit Jahren auf Flasche zieht (WSU usw.).


Das ist anders als das, was MFR seit Jahren auf die Flasche zieht, denn dieser Kabi kommt nun mal nicht von der Mosel! ;) :mrgreen:

Für in seiner Gewichtsklasse "groß" halte ich den Wein trotzdem.

Ollie hat geschrieben:Nicht auszudenken, was mit Fuderausbau möglich wäre.


Ich schätze den gekonnten Ausbau restsüßer Rieslinge im großen Holzfass enorm, aber dennoch sehe ich nicht, was man beim Heerkretz-Kabi dadurch verbessern könnte. So, wie er gemacht ist, befindet er sich auf seine Art verdammt nahe an der Perfektion. Mehrere Wege führen ziemlich direkt nach Rom.

Herzliche Grüße

Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am Di 4. Jul 2023, 22:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Ollie

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Re: Wagner-Stempel

BeitragDi 4. Jul 2023, 22:04

Bernd Schulz hat geschrieben:Dass die Süße etwa hoch wirkt, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Und "übermäßig konzentriert" ist der Wein natürlich nicht, denn es handelt sich ja schließlich um einen Kabi.


Der Hinweis auf die Konzentration ist im Zusammenhang zu verstehen, daß ich den Wein eben nicht für einen Kabinett, sondern für eine leichte Spätlese halte. (Ich erlaube mir mal, meine ganz persönlichen Kabinettmaßstäbe anzulegen, sonst wären ja auf einmal trockene 14.5-Vol%-Silvaner-Kabinette auch in Ordnung.)

Bernd Schulz hat geschrieben:Für in seiner Gewichtsklasse "groß" halte ich den Wein trotzdem.


Größe hat für mich nichts mit Gewichtsklasse zu tun. Ich finde viele andere Kabinette kabinettiger als diesen, z.B. den 2022er Kabinett von Schäfer-Fröhlich. Davon unabhängig finde ich auch viele andere Weine besser als diesen, z.B. den 2022er Kabinett von Schäfer-Fröhlich - und der war auch nicht "groß", sondern nur "sehr gut". (Auch wenn er stinkt wie ein Biohof. :roll:)

Aber ist doch schön, wenn dir der Wein so super gefällt und mehr für dich übrig bleibt. :lol:

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UlliB

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Re: Wagner-Stempel

BeitragFr 11. Aug 2023, 19:48

Bernd Schulz hat geschrieben:Unter den trockenen Scheureben, die ich bislang getrunken habe (und das waren einige, da ich bekanntlich eine größere Schwäche für die Sorte hege) markiert diese den vorläufigen Höhepunkt:

Bild

Die Art, in der hier die vielfältige Frucht mit einer packenden Mineralität korrespondiert, finde ich ganz außergewöhnlich. Großes Gutweinkino - bei Daniel Wagner, der keinen so lautstarken Rummel wie der eine oder andere rheinhessische VDP-Kollege :mrgreen: um sich macht/machen lässt, handelt es sich offenkundig um einen der Meister seines Fachs!

Diese Scheurebe habe ich gerade im Glas, und auch wenn ich den Wein für gut halte, bin ich jetzt nicht ganz so begeistert.

Glücklicherweise ist hier die Frucht nicht ganz so laut und aufdringlich wie bei dem im Parallelthread erwähnten 22er Scheurebe Ortswein von Weltner, den ich am Ende kaum noch trinken konnte. Hier ist alles schon wesentlich stimmiger und etwas leiser, aber die zum Ordinären tendierende knallfruchtige Sortenstilistik bleibt doch dominierend.

Wahrscheinlich soll und muss eine Scheurebe in der Basiskategorie so sein, aber ich denke, dass die Sorte ähnlich wie der aromatisch nahe verwandte Sauvignon blanc zu ganz anderen Leistungen in der Lage ist, wenn man sich entsprechend darum kümmert. Ich kann mich gut an wirlich grandiose Scheureben von Müller-Catoir aus der Zeit kurz vor der Jahrtausendwende erinnern, denen das Laute und Ordinäre völlig abging.

Gruß
Ulli
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EThC

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Re: Wagner-Stempel

BeitragFr 11. Aug 2023, 20:19

UlliB hat geschrieben:Wahrscheinlich soll und muss eine Scheurebe in der Basiskategorie so sein, aber ich denke, dass die Sorte ähnlich wie der aromatisch nahe verwandte Sauvignon blanc zu ganz anderen Leistungen in der Lage ist, wenn man sich entsprechend darum kümmert.
...da hilft zum einen auch bei Basisqualitäten im Einzelfall schon mal ein bißchen Geduld, was die höherqualitativen Scheus angeht, sind gemäß meiner Erfahrung die Franken ganz vorne mit dabei: Weingut am Stein, Stahl, Wirsching, Schmitt's Kinder, aber auch Weltner, z.B. der 14er aus der Schwanleite...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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tomwine

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Re: Wagner-Stempel

BeitragFr 11. Aug 2023, 23:41

UlliB hat geschrieben:Glücklicherweise ist hier die Frucht nicht ganz so laut und aufdringlich wie bei dem im Parallelthread erwähnten 22er Scheurebe Ortswein von Weltner, den ich am Ende kaum noch trinken konnte. Hier ist alles schon wesentlich stimmiger und etwas leiser, aber die zum Ordinären tendierende knallfruchtige Sortenstilistik bleibt doch dominierend.

Wahrscheinlich soll und muss eine Scheurebe in der Basiskategorie so sein, aber ich denke, dass die Sorte ähnlich wie der aromatisch nahe verwandte Sauvignon blanc zu ganz anderen Leistungen in der Lage ist, wenn man sich entsprechend darum kümmert. Ich kann mich gut an wirlich grandiose Scheureben von Müller-Catoir aus der Zeit kurz vor der Jahrtausendwende erinnern, denen das Laute und Ordinäre völlig abging.

Ich glaube, dass ist in der Gutsweinkategorie gar nicht der Anspruch des Weinguts. Die Weine sollen, bei einem durchaus ernsthaftem Kern, auch immer einen gewissen Fun-Faktor haben.
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Bernd Schulz

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Re: Wagner-Stempel

BeitragSa 12. Aug 2023, 20:37

UlliB hat geschrieben:Diese Scheurebe habe ich gerade im Glas, und auch wenn ich den Wein für gut halte, bin ich jetzt nicht ganz so begeistert.

Glücklicherweise ist hier die Frucht nicht ganz so laut und aufdringlich wie bei dem im Parallelthread erwähnten 22er Scheurebe Ortswein von Weltner, den ich am Ende kaum noch trinken konnte. Hier ist alles schon wesentlich stimmiger und etwas leiser, aber die zum Ordinären tendierende knallfruchtige Sortenstilistik bleibt doch dominierend.


Ulli, danke für deinen Eindruck, obwohl wir den Wein mal wieder unterschiedlich wahrgenommen haben!

Irgendeine Tendenz zum Ordinären konnte ich bei der Wagner-Stempel-Scheurebe nicht feststellen; wie geschrieben standen für mich bei diesem Wein die ausgeprägte Frucht und die prägnante Mineralität in einem perfekten Verhältnis zueinander. Um subtilste Kammermusik handelt es sich freilich nicht; diese Scheurebe ist nicht unbedingt besonders leise.

UlliB hat geschrieben:Wahrscheinlich soll und muss eine Scheurebe in der Basiskategorie so sein, aber ich denke, dass die Sorte ähnlich wie der aromatisch nahe verwandte Sauvignon blanc zu ganz anderen Leistungen in der Lage ist, wenn man sich entsprechend darum kümmert. Ich kann mich gut an wirlich grandiose Scheureben von Müller-Catoir aus der Zeit kurz vor der Jahrtausendwende erinnern, denen das Laute und Ordinäre völlig abging.


An die Scheureben von Hans Günter Schwarz kann ich mich auch noch ganz gut erinnern; ich habe seinerzeit einige von ihnen gekauft und selbstverständlich auch getrunken. Aber ob sie wirklich viel subtiler waren als die 22er Scheurebe von Wagner-Stempel, vermag ich jetzt nicht mehr zu sagen. Ich weiß nur, dass ich sie damals sehr gut fand - und das vielleicht auf eine andere Art als das jetzt in Frage stehende Exemplar aus Siefersheim. Aber in mehr als zwei Jahrzehnten ist auch meine Wahrnehmung von Wein generell eine etwas andere geworden....

Herzliche Grüße

Bernd
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UlliB

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Re: Wagner-Stempel

BeitragDi 15. Aug 2023, 19:34

Bernd Schulz hat geschrieben:Bild

Es handelt sich um den wohl besten deutschen Rosé, den ich bislang im Glas hatte. Und man kann ihn im Fachhandel zu einen noch knapp einstelligen Kurs erwerben....

Gerade im Glas... es handelt sich sicher um den besten deutschen Rosé aus dem Jahrgang 2022, den ich bislang im Glas hatte.

Was allerdings auch daran liegen könnte, dass das erst der dritte deutsche 22er Rosé ist, den ich im Glas hatte, und die beiden anderen waren leider belanglos :lol:

Aber ich kann in der Notiz alles bis auf die "mineralische Substanz" nachempfinden, und die Bewertung ist auch ok, ich wäre allerdings zwei oder auch drei Punkte niedriger unterwegs, aber für einen Gutswein ist das wirklich sehr gut.

Der beste Rosé, den ich dieses Jahr im Glas hatte, war ausgerechnet einer aus Primitivo aus Süditalien, "Marisa" von Leone de Castris. Im deutschen Handel kaum zu finden, und wo er angeboten wird, liegt er bei Mitte / Ende zwanzig Euro, also schon eine ganz andere Hausnummer. Aber für einen Rosé hat der bemerkenswerten Tiefgang und Komplexität, etwas, was ich bei der Farbe eher nicht vermute.

Gruß
Ulli
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