Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

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Markus Vahlefeld
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von Markus Vahlefeld »

weinfidél hat geschrieben:Tschuldigung...:
Und die Schildknechts und Reinhardts dieser Welt haben ihren beträchtlichen Anteil daran, weil sie diese Art Weinsteil hochjazzen,
Wie kommst Du zu dieser Behauptung?
Naja, es sind zwei einflussreiche Verkoster, die einen ganz bestimmten Weinstil favorisieren. Stephan Reinhardt hält sich mit der Beschreibung seiner Vorlieben zurück, aber Schildknecht redet offen darüber. Für ihn muss ein Riesling aus Deutschland Säure haben und diese kann durchaus mit RZ abgepuffert werden. DS schreibt ganz offen, dass es in Deutschland einen Trockenwahn gibt, den er ablehnt. Ihm gehen eine lebendige Säure und aromatisch-eleganter Körper über alles. Sobald ein Wein unter eine bestimmte Säureschwelle rutscht, wertet er ihn ab. Deutscher Wein DARF nicht mild und entspannt sein, sondern muss knackig und eher resch sein.

Ich persönlich finde Rieslinge, die einen derartigen Stil aufweisen, auch oftmals klasse. Aber genauso klasse finde ich Rieslinge, die wirklich reif sind und ohne Knackigkeit auskommen. Denn oftmals kommt mir diese resche Säure eher künstlich vor und der Weinmacher verfolgt damit ein ganz bestimmtes Ziel. Nämlich das der scheinbaren Typizität. Ich persönlich halte aber Typizität, wenn sie zurechtgebogen und hingefriemelt ist, nicht mehr für typisch sondern für eine Karikatur.

Hilft das?
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Markus Vahlefeld
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ach, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Ich weiss nicht, welcher Winzer aufsäuert. ich weiss auch nicht, ob Verkoster künstlich aufgesäuerte Weine hoch bewerten. Aber was ich weiss, ist, dass von einigen Verkostern eine hohe Säure als typisch wahrgenommen wird, ergo gefordert wird. Mir ist gleich, ob es natürliche Säure ist oder künstlich zugesetzte. Nur dass selbst in 2012 - und das war mein Ausgangsposting - die Aufsäuerung erlaubt ist, zeigt mir, dass Riesling aus Deutschland und hohe Säurewerte zusammen gehen müssen. Egal wie. Und genau letzteres lehne ich ab.
weinfidél
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von weinfidél »

Markus,

DS dürfte dann eher die Sichtweise(?) von Terry Theise, USA, oder gar des gesamten angelsächsischen(?) Raums vertreten. Ehrlich gesagt, mich würde dies verwundern... (siehe auch unten)
Unabhängig davon dürfte SR diesbezüglich außen vor sein.

Was aber beide verbindet, ist doch eher, dass sie möglicherweise puristische Interpretationen bevorzugen. Und das sagt eigentlich auch schon vieles :idea: aus...

Gruß, Rico
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Markus Vahlefeld
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ja, vielleicht ist das ein angelsächsischer Stil. Aber ich würde ihn nicht darauf reduzieren, denn auch für viele deutsche Weinkritiker muss ein Riesling wie ein "trockener Mosel-Kabinett mit mehr Körper" schmecken. Das ist das Ideal. Und da ist SR gar nicht aussen vor.

Ich halte es für eine tradierte Art, deutschen Riesling wahrzunehmen. Sie spornt viele Erzeuger an, derartige Weine produzieren zu wollen. Die meisten davon sind jenseits von puristisch, sondern einfach nur künstlich. Ich plädiere dafür, dieses Ideal zu erweitern. Die Wittmannschen Weine entsprechen diesem Ideal, weil seine Lagen kühl sind. Aber es gibt eben auch weniger kühle Lagen, auf denen trotzdem grosser Riesling wächst oder wachsen kann. Vor allem der Rheingau fällt mir da ein. Solange die aber diesem "angelsächsischen" Ideal nachhecheln, bleiben die Weine dürftig.
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octopussy
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von octopussy »

Hallo Markus,

mit diesen weiteren Ausführungen kann ich deine Kritik etwas besser verstehen. Da ich bislang keine 2011er Großen Gewächse selber probiert habe, kann ich die Kritikerbenotungen nicht konkret kommentieren. Beim reinen Lesen (der Top 15 von Stephan Reinhardt laut Falstaff) kann ich allerdings nicht erkennen, dass er nur leichte Rieslinge mit rescher Säure mag. Immerhin sind zwei Forster Kirchenstücke dabei und Van Volxem (Platz 1 und 2) war jedenfalls in der Vergangenheit auch nicht gerade für stahlige Säure bekannt.
Markus Vahlefeld hat geschrieben:Nur dass selbst in 2012 - und das war mein Ausgangsposting - die Aufsäuerung erlaubt ist, zeigt mir, dass Riesling aus Deutschland und hohe Säurewerte zusammen gehen müssen. Egal wie. Und genau letzteres lehne ich ab.
Für die Basis-Wein-Klasse finde ich Aufsäuerung in Ausnahmejahren ok. Viele Kunden erwarten beim Riesling eine gewisse Säure und sind enttäuscht, wenn sie nicht da ist. Auch wenn ich persönlich lieber aus einem reifen Jahr sehr reife Rieslinge trinke als artifiziell auf eine Durchschnittsqualität getrimmte (oder in Jahren wie 2003 einfach gar nichts kaufe), denke ich doch, dass dieser Geschmack nicht unbedingt dem der Mehrheit der Kunden entspricht.

Wenn die Großen Gewächse aber wirklich mal zu Grand Crus werden sollen, müsste man m.E. in der Kategorie strenger sein. Dazu würde auch meiner Sicht auch ein generelles Verbot der Aufsäuerung gehören. Aber m.E. ist es eher der Markt (d.h. die Kunden), der "Süß-Sauer" verlangt. Die Kritiker spielen da nach meiner Wahrnehmung eher eine untergeordnete Rolle. Aber da kann meine Wahrnehmung falsch sein.
Beste Grüße, Stephan
weinfidél
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von weinfidél »

Markus:

1. Für mich gilt grundsätzlich, dass "man" gefälligst zwischen trocken, halbtrocken, süß (und allen "wunderbaren" Zwischenstufen) zu unterscheiden hat. Und wenn die einzelnen Journalisten nicht im Stande sind, dieses entsprechend zu kommunzieren, dann haben wir kein Weininterpretationsproblem, sondern schlicht ein journalistisches Problem.

2. Die meisten Erzeuger sind mit der Problematik der Wirtschaftlichkeit konfrontiert. Das ist aber nicht wirklich neu... So gesehen gab und gibt es immer einen "künstlichen" Stil (inkl. entsprechendes Marketing)!

3. Die "großen" Weine waren und sind jeweils immer ideale Repräsentanten ihrer Herkünfte. Und diese, so war gestern im Kloster Eberbach mein Eindruck, werden immer besser herausgearbeitet. Dabei ist es völlig "wurscht", ob es sich um kühle oder warme Lagen handelt.

Gruß, Rico
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pivu
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von pivu »

weinfidél hat geschrieben: 1. Für mich gilt grundsätzlich, dass "man" gefälligst zwischen trocken, halbtrocken, süß (und allen "wunderbaren" Zwischenstufen) zu unterscheiden hat. Und wenn die einzelnen Journalisten nicht im Stande sind, dieses entsprechend zu kommunzieren, dann haben wir kein Weininterpretationsproblem, sondern schlicht ein journalistisches Problem.
Vor dem Hintergrund, dass alle GG's (nicht Erste Lagen von der Mosel) legistisch trocken sind, würde ich hier präzisieren und von sensorisch trocken oder eben weniger trocken reden wollen. (Anderswo habe ich gestern "klebrig" eingeworfen, um mich gleich mit der Fäkalsprache konfrontiert zu sehen.) Und das ist eben keine ablesbare oder erfragbare Sache von soundsoviel Restzucker, sondern eine schmeckbare, die auch von Journalisten wahrgenommen und kommuniziert werden sollte,

Ciao
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Ollie
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von Ollie »

Markus,
Für [David Schildknecht] muss ein Riesling aus Deutschland Säure haben und diese kann durchaus mit RZ abgepuffert werden. DS schreibt ganz offen, dass es in Deutschland einen Trockenwahn gibt, den er ablehnt. Ihm gehen eine lebendige Säure und aromatisch-eleganter Körper über alles. Sobald ein Wein unter eine bestimmte Säureschwelle rutscht, wertet er ihn ab. Deutscher Wein DARF nicht mild und entspannt sein, sondern muss knackig und eher resch sein.
Es wuerde mich wundern, wenn DS es an der Saeure festmachen wuerde. Ich glaube, mit dem "Trockenwahn" meint er etwas anderes: Da trockene Weine harmonisch schmecken sollen, muessen sie aus sehr reifen Trauben gemacht werden. Solche Moste ergeben aber (zu) oft sehr (zu) koerperreiche Weine, die sehr (zu) fett, sehr (zu) breit und deshalb plump sind. Der hohe Alkohol verstaerkt das Problem noch, weil er Weine wuchtiger und suesser macht. Deswegen (und nicht wegen der Saeure) sind fuer Schildknecht die trockenen Spaetlesen (also "eine Nummer kleiner als GG") die besseren trockenen Weine - die er sehr wohl schaetzt.

Allerdings halt eher auf der eleganten Seite des Spektrums. Diese Meinung kann man haben, sie ist voellig legitim und weiss Gott nicht Mindermeinung, weder unter Kritikern noch unter Konsumenten, wobei jeder freilich seine eigenen Vorstellungen von "Eleganz", "Harmonie", "Gleichgewicht" und "Koerper" und "Struktur" haben wird (ich lasse die kaputte Schallplatte mit der Sozialisation mal in ihrer Huelle) und davon, welche Aspekte im Wein diese Eindruecke jeweils hervorrufen; s.a. was Peter eben schrieb. Sehr selten schneiden sich die Vorstellungen eines anderen Menschen mit den meinen, und wenn doch, dann hat der Mensch einen guten Tag gehabt. Aber dem Menschen eine Agenda ("hochjazzen", "pushen") zu unterstellen, nur weil er nach seinen Vorstellungen bewertet (und nicht nach meinen), erscheint mir ein bisschen... ueberdimensioniert. Schon weil Schildknecht (ebenso wie Theise) im Kontext des GGs so gar nicht die noetige Fallhoehe erreicht. Tut's denn Reinhardt?

Cheers,
Ollie
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Markus Vahlefeld
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ollie hat geschrieben:Schon weil Schildknecht (ebenso wie Theise) im Kontext des GGs so gar nicht die noetige Fallhoehe erreicht. Tut's denn Reinhardt?
Nein, keiner der Genannten und überhaupt kein Riesling-Kritiker erreicht diese Fallhöhe, was ja auch schon bezeichnend ist. Für jedes Land gibt es 1-2 relevante Weinkritiker, nur für Deutschland/Riesling nicht. Da gibt es Dutzende, die alle in verschiedene Richtungen laufen. Da DS bekannt gibt, in welche Richtung er läuft, ist er relativ vorhersehbar und damit wenig überraschend. Trotzdem finde ich, dass Weinkritiker nicht nach ihrem favorisierten Stil bewerten sollten, sondern nach Qualität im Glas. Dirk Würtz hatte in seinem Blog ja einen recht interessanten Beitrag zu der Frage, ob Riesling nach "Riesling" schmecken muss und kam zu dem Schluss, dass der Riesling durch viele verschiedene Gründe immer weiter in den Hintergrund tritt.

http://wuertz-wein.de/wordpress/2012/09 ... harakters/

Ich bin einer ähnlichen Meinung, auch wenn ich sie anders formulieren würde. Nur ist das bei der alt eingesessenen Weinkritik noch nicht angekommen und wird auch nicht thematisiert. Um es mal ganz unemotional zu sagen: das finde ich bedauerlich, weil sich diese Entwicklung mindestens seit 5 Jahren abzeichnet. Spätestens seit Kühn seine Weine nicht mehr durch die Gremien bekam, ist diese Diskussion im Gange. Die aufzugreifen und anzuführen, wäre ganz sicher eine hübsche Leistung eines Weinkritikers. Auch um Trends vorwegzunehmen und Entwicklungen anzuschieben. Vielleicht beantwortet dies auch die Frage, warum es für jedes Land 1-2 relevante Kritiker gibt, nur für Deutschland nicht. Da werden Trends einfach verpennt und es wird weiter Riesling gefordert, der nach "Riesling" schmecken muss ;)

Und noch ein letztes: eben genau diese Diskussion würde dem Rheingau auch in der Wahrnehmung der Ersten(Grossen Gewächse helfen und eine wirklich notwendige Entwicklung forcieren.

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Charlie
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Re: Riesling GG Orbel 2011 von St. Antony

Beitrag von Charlie »

Die Fallhoehe kann schon deshalb keiner erreichen weil das Thema GG so neu ist. Theoretisch sollte das nicht sein, weil die GGs einfach gute trockene Rieslinge sein sollen.
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