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"Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Frankie Wilberforce

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragSo 3. Jul 2011, 19:35

austria_traveller hat geschrieben:Servus,
Ich bin ja nun wirklich kein Bordeaux Experte, aber mein Hausverstand stellt mir eine simple Frage: Warum ?


Weil BDX sich dadurch von seinem weltbekanntem ursprünglichen Sitl verabschiedet, und sich immer mehr den New World Style anpasst. Das, was Bordeaux so einzigaratig machte, ist schon gelegentlich von verschiedenen Forumsteilnehmern so trefflich formuliert worden. Durch die hohe Konzentrationan Alkohol von 14+%, hat er deutlich Ähnlichkeiten mit australischen, südamerikanischen und kalifornischen Weinen angenommen.
Mir persönlich gefällt das nicht. Das ist aber meine ganz persönliche Meinung darüber, und ich muß nicht Recht haben.

austria_traveller hat geschrieben:Warum sollten sie das abstellen - ich meine, die Weine lassen sich doch toll verkaufen. "Never change a winning team"
Für mich ist Bdx übrigens nur max. 13%; das nur so am Rande.


Diese Entwicklung ist mehr und mehr dem sich spürbar veränderndem Klima zu verdanken. Die Bordelaiser diskutieren schon über alternative Maßnahmen. :idea: Merlot ganz aus der Cuvee verbannen, evtl. ersetzen durch Carmenere oder Malbec (alte Bordeauxrebsorten, die Ende des 19 Jahrhunderts fast gänzlich aus Bordeaux verschwunden sind). Weitere technische Machbarkeit ist die Entalkoholisierung etc.
Das die Weine sich toll verkaufen, behauptest Du. Ist aber nicht belegt. Nur das heutzutage exorbitante Preise von den "gierigen Chateauxbesitzern und Negociants" von den Weinhändlern abverlangen, damit diese die Weine irgendwie an die traditionellen Kunden in der EU, Schweiz und Nordamerika weiterverkaufen, ist kein Beweis für Deine Behauptung. In diesem Sinne ist Bordeaux in der EU/CH und USA/Canada meilenweit "Von einem Winning Team" entfernt. Meiner Ansicht nach, wird hier wird aktuell großer Kollateralschaden angerichtet. :!:
Schau Dir einfach mal den Thread "Bordeaux 2010 aktuelles zur Primeurkanmpagne" an.
13, 5% ist eine Grenzmarke, bis zu diesem Wert ich einen Bordeaux noch gerade so als einen klassischen Bordeaux bezeichnen würde. :|
cachai?
Grüße Armin

Sie fragen mich nach den besten Wein, den ich getrunken habe? Der ist wahrscheinlich im nächsten Glas ...
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octopussy

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragSo 3. Jul 2011, 23:48

Frankie Wilberforce hat geschrieben:Diese Entwicklung ist mehr und mehr dem sich spürbar veränderndem Klima zu verdanken. Die Bordelaiser diskutieren schon über alternative Maßnahmen. :idea: Merlot ganz aus der Cuvee verbannen, evtl. ersetzen durch Carmenere oder Malbec (alte Bordeauxrebsorten, die Ende des 19 Jahrhunderts fast gänzlich aus Bordeaux verschwunden sind). Weitere technische Machbarkeit ist die Entalkoholisierung etc.

Hallo Frankie,

der höhere Alkohol mag teilweise dem sich verändernden Klima geschuldet sein. Diese Studie hier http://www.wine-economics.org/workingpa ... E_WP82.pdf behauptet aber etwas anderes, m.E. fundiert begründet.

Ich habe mit Bordeaux nach 2002 sehr wenig Erfahrungen. Als die 2008er kamen habe ich aber teilweise zweimal hinschauen müssen. Unter 13,5 Volumenprozent Alkohol lag kaum ein Wein und 14 Volumenprozent waren keine Seltenheit. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass in den letzten Jahren Spitzen-Bordeaux mit 12,5 oder 13,0 Volumenprozent Alkohol nicht mehr möglich waren. Ich glaube eher, dass sie nicht mehr gewollt waren - im Vergleich zu hunderten anderen Geschmacksbomben würden sie vielleicht einfach untergehen. Ich weiß, das ist eine unfundierte, ins Blaue hinein gemachte Aussage. Und ich habe selber die Tastings nicht mitgemacht, kann es deshalb nicht beurteilen. Ich würde mir einfach wünschen, man hätte noch mehr die Wahl, ob man einen Bordeaux mit viel Geschmack aus hochreifen Trauben und mit hohem Alkohol will oder ob man auf etwas vordergründigen Geschmack zugunsten einer etwas leichteren Stilistik verzichten möchte. Ich bin jedenfalls mal gespannt, was die jüngeren Weine so können oder auch nicht.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 10:06

innauen hat geschrieben:Ohne Fan von Scheuermann zu sein, muss darf man darauf hinweisen, dass im Klimawandel Probleme für die Weinbereitung insbesondere bei hohem Merlotanteil schlummern.

Das ist sicher richtig. Was mich dann aber wundert, ist Folgendes: Steigende Temperaturen und größere Trockenheit sind ja keine ganz neuen Phänomene im Bordelais. Allerspätestens mit dem Jahrgang 2003 müsste den Bordelaisern doch eigentlich klar gewesen sein, dass eher kühle Jahre mit ordentlich Regen wohl die Ausnahme und nicht die Norm sein dürften. Auch dürfte den Bordelaisern nicht entgangen sein, dass Merlot einen höheren potenziellen Alkoholgehalt hat als Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Trotzdem ist m.W. in sehr vielen Weinen der Merlot-Anteil in den letzten Jahren hoch gegangen. Das spricht aus meiner Sicht dafür, dass ein niedriger Alkoholgehalt letztlich nicht wirklich Priorität hat.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 10:24

innauen hat geschrieben:Aber Giganten im Glas trinke ich doch lieber solo. Und damit zurück zur Ausgangsfrage. Was trinke ich vorher zum Essen?

weinfex hat geschrieben:ganz einfache Antwort, keinen "interessanten" Bordeaux...

Auch bei diesem Thema "entziehe" ich mich der "landläufigen" Meinung, dass man zu jedem Wein auch etwas Essen sollte... ;)

Hallo Weinfex,

ich stimme zu, dass man nicht zu jedem Wein etwas essen muss/sollte. Aber wenn sich ein sehr großes Gebiet wie Bordeaux, dessen Weine traditionell grandiose Diners begleitet haben, letztlich in der Kategorie "interessant" (wie du es nennst) als Essensbegleiter disqualifiziert, finde ich persönlich das sehr problematisch.

Ich habe ja nichts gegen "Event-Weine", die solo genossen mehr überzeugen als zum Essen. Aber wenn jeder im Bordelais meint, er müsste 95+ Parker-Punkte Weine machen oder "interessante" Weine (wie du es nennst), die letztlich nicht mehr zum Essen geeignet sind, dann geht einfach eine schöne Eigenschaft, die Bordelaiser Weine jahrhundertelang hatten, mehr und mehr verloren.
Beste Grüße, Stephan
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weinfex

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 11:10

Hallo octopussy,

was die "Essensverträglichkeit" von Bordeaux angeht,
hast Du mich falsch verstanden, bzw. interpretiert.

Ich für meinen Teil trinke Bordeaux am liebsten solo,
um keine "störenden Nebengeräusche'" zu haben. Grosse
Weine sind für mich in sich so komplex, dass ich mich
mit ihnen alleine beschäftige und auseinandersetze.

Wenn Essen ins Spiel kommt, sind komplett andere Attribute
bei Weinen gefragt, wie schiere Grösse...

Um es auf einen pauschalen Punkt zu bringen, 3 Sterne Küche und grosser
Bordeaux ist vom Ansatz her kompletter nonsens, ganz egal ob vor
20 Jahren oder heute...
Grüsse weinfex
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octopussy

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 16:57

Hallo weinfex,

weinfex hat geschrieben:Ich für meinen Teil trinke Bordeaux am liebsten solo, um keine "störenden Nebengeräusche'" zu haben. Grosse Weine sind für mich in sich so komplex, dass ich mich mit ihnen alleine beschäftige und auseinandersetze.

das sehe ich ähnlich bezüglich der ganz besonderen Bordeaux. Allenfalls könnte man etwas dazu servieren, was jedenfalls nicht stört und im besten Fall gut harmoniert. So wie Hugh Johnson zu den aus seiner Sicht besten Weinen Essen emfiehlt anstatt umgekehrt Wein zum Essen.

weinfex hat geschrieben:Um es auf einen pauschalen Punkt zu bringen, 3 Sterne Küche und grosser Bordeaux ist vom Ansatz her kompletter nonsens, ganz egal ob vor 20 Jahren oder heute...

Das halte ich in dieser Pauschalität wiederum für kompletten Nonsens ;). Denn 3 Sterne Küche ist nicht gleich 3 Sterne Küche, so wie Bordeaux eigentlich nicht gleich Bordeaux sein sollte.

Bei der eher modernen, auf viele verschiedene Aromen, kleine Gänge und auch Kontraste ausgerichteten Küche wie z.B. der von Wissler oder Jean-Georges Klein lässt sich roter Bordeaux sicherlich nur punktuell gewinnbringend einsetzen. Bei der eher auf eine klassische Harmonie und einzelne Produkte ausgerichteten Hochküche (Beispiele: Thieltges, Winkler) jedoch sehe ich das anders: Wenn dort als Höhepunkt eines Menus ein großes Grundprodukt in perfekter Zubereitung serviert wird, ist es m.E. durchaus gewinnbringend, dieses auch durch einen entsprechenden Wein zu adeln. Der darf dann auch ruhig komplex sein, wenn auch vielleicht nicht avantgardistisch, sondern ebenso klassisch wie das Essen.
Zuletzt geändert von octopussy am Mo 4. Jul 2011, 17:20, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüße, Stephan
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Frankie Wilberforce

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 17:13

Hallo zusammen,
der Klimawandel allein ist natürlich nicht der einzige Grund warum in den letzten Jahren immer höhere Alkoholgrade erreicht wurden.
Der Winzer und sein Önologe (z.Bsp. Michel Rolland und andere) haben natürlich auch ihre Einflußmöglichkeiten.
So ist der früher reifende Merlot eine sichere Größe in der Cuvee. Sicher auch deshalb, dass einzelne einflußreichere internationale Verkoster eine nicht zu verleugnende Vorliebe für diese Rebsorte haben. Dies bringt mitunter höhere Punktebewertungen mit sich und führt zu einem höheren Releasepreis bei der Subskription. Der Winzer hat seinen direkten monetären Nutzen daraus.
Ebenso mögen vor allem US-amerikanische Verkoster einen höheren Alkoholgrad im Wein, und honorieren dies ebenso mit einer besseren Punktbewertung.
Die Ursprungsfrage lautete allerdings ob sich beim oder nach dem Essen noch ein Bordeaux eignet oder nicht.
Ich würde sagen, daß kommt ganz auf das Essen und den Wein an. :roll:
Und da sind die Geschmäcker verschieden. :idea: Ich persönlich probiere gerne ein bißchen aus, auch wenn ich mal daneben liege, ist doch egal, dann hab ich halt wieder etwas dazugelernt. :|
Grüße Armin

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innauen

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 17:35

Hallo Andreas,

die Aussage ist mir auch zu pauschal. Wir lieben Wein solo, aber meist geniessen wir ihn zum Essen. Einen Premier Cru trinke ich schon wegen der Andacht an meine Geldbörse lieber allein. Aber nach meiner unmaßgeblichen Erfahrung wird ein alter Pomerol zu Wildgeflügel nochmal besser :D

Auf Tour Figeac haben sich übrigens die ersten Merlottrauben rot gefärbt. Zuletzt war das 2003 der Fall. Und trocken ist es auch wie damals.

Grüsse,

Wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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weinfex

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 17:58

Hallo octopussy,

ohne das wirklich zu weit zu vertiefen, selbst beim
"klassischen Ansatz" von Thieltges und der ohne
Frage handwerklichen Perfektion hast Du, bei solchen
Hauptgängen:

Brust von der Challans-Blutente
mit orientalischer Gewürzhaut, gebratener Entenstopfleber
glacierten Nektarinen und Haselnusscrème

Carrée und Rücken vom Pré-Salé-Lamm
mit Artischocken-Gemüse „Nicoise“
auf Sariettejus

Kross gebratenes Kalbsbries mit Makkaroni-Chartreuse
auf Petersilienwurzelmus und Pfifferlingen

Eifeler Rehrücken mit Macadamia-Nusskruste
und glasierten Honig-Portweinkirschen
auf Rouenaiser-Sauce mit grünem Pfeffer

Suprême von der Etouffé Taube
mit Karotten, Sellerie und confierten Schalotten
auf Sauce Perigourdine

...nicht den Hauch einer "vernünftigen" Chance (okay vielleicht
bei einem), selbstverständlich
darf man aber auch immer mal "unvernünftig" sein... ;)
Grüsse weinfex
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weinfex

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Re: "Und nach dem Essen gab es noch einen Bordeaux..."

BeitragMo 4. Jul 2011, 18:01

Hallo Wolf,

natürlich ist es zu pauschal, dass ist überhaupt
keine Frage, mir geht es eigentlich nur um
meinen "grundsätzlichen Ansatz" und das ich
deshalb weder mit den stilistischen Gegebenheiten
von heute, noch von "damals" im Bordeaux irgendein
Problem diesbezüglich hätte. Nicht mehr und
nicht weniger... ;)
Grüsse weinfex
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