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Bewässerung

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald

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Bewässerung

BeitragDo 13. Okt 2022, 07:27

Während überall immer mehr Rebflächen künstlich bewässert werden, hat sich jetzt eine Reihe von französischen Weinexperten massiv gegen diese Tendenz ausgesprochen. Die vorgebrachten Hauptargumente dagegen sind:
  • die Rebsorten und Anbaumethoden wurden über Jahrhunderte so optimiert, dass sie ohne Probleme mit Trockenheit zurecht kommen
  • bei Wasserentnahme aus dem Grundwasser versiegt dieses nach einiger Zeit und auf der Fläche kann überhaupt nichts mehr angebaut werden
  • Trockenheit fördert die Weinqualität, die besten Jahrgänge für Bordeaux aber auch Côtes du Rhône waren fast immer die mit erheblicher Trockenheit (stimmt das?)
  • Tröpfchenbewässerung "verleitet" die Rebe, ihre Wurzeln primär an der Oberfläche zu bilden statt in die Tiefe zu wachsen, was dann auch der Weinqualität abträglich ist
  • wenn Bewässerung zum Normalfall wird, sind Hanglagen stark benachteiligt, da dort viel aufwändiger - Gefahr, dass diese Lagen aufgegeben werden

Was man hingegen bisher aus D oder Ö hört, sind die Winzer mit den Bewässerungssystemen doch recht zufrieden, oder? Einmal von den Kosten natürlich abgesehen.

Hier wäre der Originalartikel (leider ohne Abo nur teilweise lesbar - wen es interessiert, bitte PM an mich).

https://www.lemonde.fr/idees/article/20 ... _3232.html

Grüße
Gerald
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EThC

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Re: Bewässerung

BeitragDo 13. Okt 2022, 07:56

Gerald hat geschrieben:Tröpfchenbewässerung "verleitet" die Rebe, ihre Wurzeln primär an der Oberfläche zu bilden statt in die Tiefe zu wachsen, was dann auch der Weinqualität abträglich ist
...zumindest wird das ja oft genug als Qualitätsmerkmal angeführt, daß tiefwurzelnde, meist "Alte Reben" mineralischere Weine ergeben. Ob das letztlich wirklich per se so ist, sei mal dahingestellt.

Was aber generell richtig zu sein scheint, ist, daß die angesprochene "Tiefwurzelei" nur aus der Not heraus geschieht. Eine ständig wasserverwöhnte Rebe wird mit Trockenheit wahrscheinlich schlechter zurechtzukommen als eine, die sich mit ihrem tieferen Wurzelwerk über die Jahre ihres Wachstums hinsichtlich der erreichbaren Wasservoräte besser aufgestellt hat.

Zumindest in 2018 habe ich bei einzelnen "Alte Reben"-Weinen schon festgestellt, daß die in diesem Jahr berüchtigten Trockenstreßsymptome weniger ausgeprägt waren.

Übrigens ist das auch der von den Winzern oft angeführte Grund, warum die Umveredelung von Reben immer interessanter wird. Statt rausreißen und komplett neu pflanzen bleibt die Unterlagsrebe mit ihren Wurzeln bestehen und nur das "Oberteil" wird quasi erneuert.
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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amateur des vins

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Re: Bewässerung

BeitragDo 13. Okt 2022, 08:55

Danke, Gerald!
Gerald hat geschrieben:
  • die Rebsorten und Anbaumethoden wurden über Jahrhunderte so optimiert, dass sie ohne Probleme mit Trockenheit zurecht kommen
  • bei Wasserentnahme aus dem Grundwasser versiegt dieses nach einiger Zeit und auf der Fläche kann überhaupt nichts mehr angebaut werden
  • Trockenheit fördert die Weinqualität, die besten Jahrgänge für Bordeaux aber auch Côtes du Rhône waren fast immer die mit erheblicher Trockenheit (stimmt das?)
  • Tröpfchenbewässerung "verleitet" die Rebe, ihre Wurzeln primär an der Oberfläche zu bilden statt in die Tiefe zu wachsen, was dann auch der Weinqualität abträglich ist
  • wenn Bewässerung zum Normalfall wird, sind Hanglagen stark benachteiligt, da dort viel aufwändiger - Gefahr, dass diese Lagen aufgegeben werden
Verstehe ich das richtig: Erst wird vierfach argumentiert, daß Bewässerung garkeinen Vorteil brächte, und dann zum Abschluß, daß fehlende oder teurere Bewässerung in Hanglagen einen Nachteil bedeutete?

Ich mag es ja, wenn konsistent argumentiert wird.
Besten Gruß, Karsten
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Gerald

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Re: Bewässerung

BeitragDo 13. Okt 2022, 09:03

Also so wie ich das verstanden habe (vielleicht habe ich im französischen Text aber nicht alle sprachlichen Feinheiten erfasst), hat die Bewässerung schon einen Vorteil, aber primär wirtschaftlicher Natur (zumindest kurzfristig). Der Weinqualität hingegen ist sie nach Ansicht der Autoren abträglich.

Grüße
Gerald
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UlliB

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Re: Bewässerung

BeitragDo 13. Okt 2022, 10:16

Gerald hat geschrieben:Also so wie ich das verstanden habe (vielleicht habe ich im französischen Text aber nicht alle sprachlichen Feinheiten erfasst), hat die Bewässerung schon einen Vorteil, aber primär wirtschaftlicher Natur (zumindest kurzfristig). Der Weinqualität hingegen ist sie nach Ansicht der Autoren abträglich.

Mein Beispiel diesbezüglich ist die Wachau: hier wurde schon vor zwanzig Jahren praktisch flächendeckend bewässert (übrigens größtenteils Steillagen), und wenn ich sehe, was man aus 2021 so in die Flaschen gebracht hat, scheint das der Qualität nur sehr wenig geschadet zu haben.

Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass die Weine noch viel besser wären, wenn man nicht bewässert hätte. Alternativ würde es sie velleicht auch gar nicht mehr geben... beides ist Fiktion.

Ich hatte zum Thema im Jahr 2019 ein Gespräch mit einem Winzer im Kremstal, der meinte, dass angesichts der zunehmenden Hitze und Trockenheit im Sommer dort der Weinbau auf schlecht wasserhaltenden Lagen (Sand und Schotter) ohne Bewässerung wirtschaftlich nicht mehr möglich wäre. Da kann man natürlich sagen, dass das dann eben so ist und die Gegend unter den heutigen Bedingungen sich eben nicht mehr zum Weinbau eignet. Ob es dann für die Winzer, in deren Familien schon seit Generationen Weinbau betrieben wird, eine Alternative ist, stempeln zu gehen oder sich irgend einen anderen Job zu suchen, ist wohl fraglich. Im Übrigen wäre es um den einen oder anderen Weinaus den "problematischen" Lagen wirklich schade.

Mir scheint die Diskussion schon manchmal sehr aus einem Elfenbeinturm geführt zu werden.

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Bewässerung

BeitragDo 13. Okt 2022, 10:25

Ja, gerade das Beispiel mit der Wachau hatte ich auch im Sinn - wo die Winzer eigentlich allesamt sehr zufrieden mit der Bewässerung sind.

Aber vielleicht ist die Situation in Frankreich (auf die sich die Autoren natürlich beziehen) nicht ganz vergleichbar. Einerseits von den Rebsorten her (Veltliner/Riesing vs. Cabernet oder Grenache), andererseits auch in Bezug auf den Markt.

Soweit ich weiß, gibt es doch gerade in den zitierten Gebieten wie Bordeaux und Languedoc massive Überproduktion, oder? Und da noch mit Bewässerung nachhelfen, den Ertrag zu steigern oder die jahrgangsbezogenen Schwankungen auszugleichen, klingt doch ein bisschen eigenartig.

Im übrigen sind die Kommentare beim zitierten Artikel auch überwiegend kritisch, so nach dem Motto "realitätsfern vom Schreibtisch aus geschrieben" ...

Grüße
Gerald
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stollinger

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Re: Bewässerung

BeitragFr 14. Okt 2022, 13:26

Gerald hat geschrieben:[*] Trockenheit fördert die Weinqualität, die besten Jahrgänge für Bordeaux aber auch Côtes du Rhône waren fast immer die mit erheblicher Trockenheit (stimmt das?)

Hi Gerald,

dazu hatte ich mal was im Forum geschrieben. Es ist wohl, nach aktueller wissenschaftlichen Lehrmeinung, ein relevanter Einflussfaktor für die Qualität.

Hier der Link: viewtopic.php?f=32&t=5728#p143225

Grüße, Josef
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Gerald

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Re: Bewässerung

BeitragFr 14. Okt 2022, 13:51

Hallo Josef,

danke für die Infos. So etwas Ähnliches habe ich auch schon früher mehrmals gelesen, aber natürlich nicht so detailliert.

Wobei eine konstant an die aktuelle Situation angepasste, vorsichtige Bewässerung ja dem nicht entgegenstehen würde, oder?

Grüße
Gerald
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stollinger

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Re: Bewässerung

BeitragFr 14. Okt 2022, 15:07

Gerald hat geschrieben:Wobei eine konstant an die aktuelle Situation angepasste, vorsichtige Bewässerung ja dem nicht entgegenstehen würde, oder?

Interessanter Schluss, ich denke, du hast Recht. Mir fällt jedenfalls kein Argument ein, warum es dem entgegenstehen sollte! Terroir sind wohl auch die Menschen, die die Bewässerungsanlage bedienen.
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Gerald

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Re: Bewässerung

BeitragFr 14. Okt 2022, 15:48

Ich glaube, so etwas im Buch "Entender de vino" von Carlos Falcó (alias Marqués de Griñón) einmal gelesen zu haben, dass er in Nordspanien so etwas schon seit langem praktiziert hat - also die Rebe immer unter leichtem Wassermangel zu halten, aber auch nicht zu stark und notfalls mit Bewässerung nachzuhelfen.

Grüße
Gerald

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