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Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald

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Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

BeitragDo 27. Dez 2018, 19:41

Aus dem "Burgund 2003" - Thread hierher verschoben ...

Hallo,

ich bin ja der Meinung, daß die Handschrift des Winzers einen größeren Einfluß hat. Aber eben die sollte man hier ja ausschließen können.


ohne die konkreten Weine zu kennen, würde ich dem doch im Allgemeinen widersprechen. Ich habe schon öfters den Eindruck gehabt (teilweise auch vom Winzer bestätigt), dass unterschiedliche Lagen desselben Weinguts absichtlich unterschiedlich ausgebaut werden. Einerseits, damit nicht alle Lagenweine fast gleich schmecken (das würde ja das Konzept konterkarieren). Andererseits, da viele Winzer offenbar eine Vorstellung "im Kopf" haben, wie ihre Lagen schmecken sollten und das auch im Keller berücksichtigen. Ein nicht unbekannter deutscher Winzer hat das doch einmal so ähnlich ausgedrückt wie "Terroir ist die Interpretation einer Lage durch den Winzer" (finde das genaue Zitat leider nicht mehr) ...

Grüße,
Gerald
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amateur des vins

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Re: Burgund 2003

BeitragDo 27. Dez 2018, 20:42

Hallo Gerald,
Gerald hat geschrieben:
ich bin ja der Meinung, daß die Handschrift des Winzers einen größeren Einfluß hat. Aber eben die sollte man hier ja ausschließen können.
ohne die konkreten Weine zu kennen, würde ich dem doch im Allgemeinen widersprechen.
Hmm, ich wollte gerade schon Deinem Widerspruch widersprechen. Aber wenn Du Dich auf meinen "Ausschluß" beziehst, und nicht auf den "größeren Einfluß", ergibt das Sinn.

Hmm, weiß ich nicht. Da müßte man wohl direkt die Verantwortlichen fragen. Ich gebe zu, daß ich das jetzt einfach so hereininterpretiert habe. Grundsätzlich erschien mir die Machart nämlich durchaus sehr vergleichbar.

Gerald hat geschrieben:Ich habe schon öfters den Eindruck gehabt (teilweise auch vom Winzer bestätigt), dass unterschiedliche Lagen desselben Weinguts absichtlich unterschiedlich ausgebaut werden. Einerseits, damit nicht alle Lagenweine fast gleich schmecken (das würde ja das Konzept konterkarieren). Andererseits, da viele Winzer offenbar eine Vorstellung "im Kopf" haben, wie ihre Lagen schmecken sollten und das auch im Keller berücksichtigen.
Echt? Das höre ich so zum erstenmal, und meiner Meinung nach würde gerade dadurch das Lagenkonzept konterkariert. Aufgefallen ist mir bisher das genaue Gegenteil: Winzer, die betonen, daß sie Lagen grundsätzlich identisch behandeln (und Unterschiede zwischen den Weinen daher den Lagen zuzuschreiben sind). Mir ist bewußt, das sich das in völliger Stringenz wohl nicht durchziehen läßt.

Davon unbenommen ist natürlich (lagenunabhängige) unterschiedliche Winzerstilistik.

Aber vielleicht ist das Lagenkonzept ja nur eine Illusion... :?:
Besten Gruß, Karsten
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Gerald

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Re: Burgund 2003

BeitragFr 28. Dez 2018, 09:59

Hallo Karsten,

Aufgefallen ist mir bisher das genaue Gegenteil: Winzer, die betonen, daß sie Lagen grundsätzlich identisch behandeln (und Unterschiede zwischen den Weinen daher den Lagen zuzuschreiben sind).


ich glaube, das ist einfach der Unterschied zwischen "Werbebotschaft" und Realität. Natürlich klingt es für den Kunden toll, wenn die geschmacklichen Unterschiede ausschließlich von der Lage kommen. Wenn das aber zur Folge hat (und das wird meiner Ansicht nach sehr oft der Fall sein), dass dann alle Weine sehr ähnlich schmecken, wird das den Kunden wiederum nicht so begeistern oder zumindest nicht animieren, von jeder Sorte eine Kiste zu kaufen. Verhält sich vielleicht so ähnlich wie das öfters genannte Problem - besonders, aber nicht nur - in Deutschland, wo die Weinkäufer am liebsten einen trockenen Wein kaufen, nur soll er aber nicht trocken schmecken. :D

Beweisen kann ich es natürlich nicht, aber nachdem die meisten Winzer ja vom Verkauf ihrer Weine leben müssen (von ein paar Promi-Garagenwinzer vielleicht abgesehen), muss man das tun, was der Markt verlangt - auch wenn es vielleicht den eigenen Prinzipien oder sogar der offiziellen Werbebotschaft widerspricht. Jedenfalls habe ich von Winzern im Gespräch schon mehrmals so etwas gehört, allerdings nur "nebenbei". Wenn man dann später das Thema konkret angesprochen habe, gab es meist eine ausweichende Antwort. ;) Bezieht sich im Übrigen auf österreichische Weine, von Burgund habe ich leider nicht so viel Ahnung ...

Grüße,
Gerald
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Der Wein-Schwede

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Re: Burgund 2003

BeitragFr 28. Dez 2018, 11:39

Hallo Gerald und Karsten,

Ja, was soll man jetzt dazu sagen?
Je mehr man lernt, je mehr erfährt man wie wenig man versteht. :!: :?

Dass die Handschrift des Winzers (wie Karsten schreibt) einen sehr grossen Einfluss hat, war ja immer klar. Aber, wenn diese "Handschrift" mit der Weinlage geändert wird, steht als Gegenaussage zu was die meisten Winzer erzählen, die wollen den Wein vom Boden zur Flasche bringen mit so wenig Einfluss wie möglich. Ist das nur "Marketing-Talk"?

Dazu gibt es noch weiteres:
Wenn man z.B. glaubt dass man Pinot Noir Charakter contra Terroir begonnen zu verstehen hat, ja dann wird man plötzlich erwischt mit dem noch grösseren Einfluss von der Art der Rebklone. Mehr und mehr deutsche Winzern pflanzen PN-Klone "Frank 777" (die klassische Burgunderklone), und diese Weine schmecken deutlich anders als die alten deutsche Spätburgunderklonen.

Aber zurück zum Thema Terroir bez. Riesling:
Über verschiedenen "Rieslingklonen" habe ich niemals etwas gehört, und diese Rebsorte soll ja die "Terroir-Traube" Nr 1 sein.
Und nach meiner Erfahrung schmecken Rieslingweine von Kalksteinböden immer ganz anders als Rieslinweine von Rotschiefer/Rotliegendes. Die Kalkrieslinge sind zitrusartig, mineralisch und ziemlich neutral, weil die die Rotschieferrieslinge mehr Grapefruit und Bitternoten haben. Dazu bekommen die Weine vom Rotschiefer nach einigen Jahren einen deutlichen Petroliumton. Petrolium findet man nie in Kalkrieslinge - oder?

Wäre schön wenn etwas logisch wäre.... :)

Entschuldigung dass ich vom Ursprungsthema (Burgund 2003) ziemlich weit weg gerutscht habe - aber ich höre gerne Eure Meinungen dazu.

Gruss
Rolf
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robertz

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Re: Burgund 2003

BeitragFr 28. Dez 2018, 12:22

Hallo Gerald,
anbei weiter etwas O.T

Ich kenne diverse Winzer( im In- und Ausland), die ihre Lagen unterschiedlich ausbauen, dies aber auch offen kommunizieren (z.B. mehr oder weniger Holz, Barrique oder 500l Faß oder großes Holzfaß, …. ).

Andererseits gibt es genug Winzer, die ihre unterschiedlichen Lagen eher uniform ausbauen und somit deren Lagenunterschiede sehr wohl den Lagen geschuldet sind. Glaubst du vielleicht, dass die von dir so gut bekannte Domäne Wachau ihre unterschiedlichen Lagen-Federspiele und –Smaragde groß unterschiedlich ausbauen, damit Unterschiede zu schmecken sind. Ein schönes Beispiel von zwei deutlich unterschiedlichen Lagen sehr nahe beieinander gelegen sind doch Riedl Klaus und Achleiten. Wobei natürlich zu den Lagen auch die unterschiedlichen gering abgeänderten Einflüsse berücksichtigt werden müssen. Eine etwas andere Sonneneinstrahlung kann z.B. auch etwas andere Lesezeitpunkte fordern.

Oder im Südburgenland der Eisenberg, wo diverse Winzer ihre unterschiedlichen Lagen sehr ähnlich ausbauen. Wobei natürlich bei Rotweinen das Fass einen deutlichen Einfluss hat. Thom Wachter benutzt z.B. nur 500l Fässer, wobei diese von unterschiedlichen Fassproduzenten kommen und unterschiedlich (eher wenig) getoastet wurden. Bei Fassweinverkostungen kommen diese anfangs unterschiedlichen Einflüsse deutlich zu Tage, insbesondere wenn man zwei Fässer vom gleichen Lagenwein probieren kann.

LG, Robert
Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte. ;)
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Gerald

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Re: Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

BeitragSo 30. Dez 2018, 17:29

Hallo Robert,

zu den beiden genannten Weingütern: die Domäne Wachau baut die Lagenweine - zumindest die Smaragde - unterschiedlich aus, das wurde mehrmals schon bestätigt (wenn das auch schon ein paar Jahre her ist). Das fällt besonders bei den Achleiten-Smaragden auf, die vor ein paar Jahren ihre Stilistik stark verändert haben - früher eher "klingend" mit vegetabilen Noten, inzwischen eher "dunkel" mit rauchigen bzw. an Trockenfrüchten erinnernden Noten, so zumindest mein Eindruck. Da scheint wohl schon ein Einfluss des Weinguts mitzuspielen, wie diese Lage am besten zum Ausdruck gebracht wird. Dabei hätte es die DW ja aufgrund der großen Fläche und Lagen mit unterschiedlichsten Bodenverhältnissen (Granit/Gneis, Löss, Schotter etc.) ohnehin leicht, diese Lagen würden sich wohl auch bei völlig identischer Behandlung deutlich abheben. Bei kleinen Weingütern ohne große Bodenunterschiede zwischen den Lagen sieht es aber schon ganz anders aus.

Und bei Thomas Wachter fällt mit der Szapary 2015 ein, der sich komplett vom "Alten Garten" unterscheidet, welcher ja wiederum nur ein Parzelle im Szapary ist. Der Szapary war nach meinen Notizen relativ leicht, frisch, herb und kantig, der "Alte Garten" wieder eher körperreicher, weich am Gaumen. Das wird wohl nicht nur von den Bodenverhältnissen kommen, vermute ich einmal.

Wie bei jedem anderen Betrieb ist auch bei einem Weingut der wirtschaftliche Erfolg entscheidend (vielleicht von ein paar Garagenweingütern abgesehen, die von Prominenten aus reinem Spaß betrieben werden). Und für den Verkauf ist es wohl günstiger, wenn die unterschiedlichen Lagenweine auch deutliche Unterschiede zeigen als wenn alle fast gleich schmecken würden.

Ganz allgemein habe ich den Eindruck, dass die Lagenthematik zur Zeit überhaupt ein bisschen überhöht wird, wenn man an die Weinpräsentationen mit beeindruckend fotografierten Postern von den Lagen und mitgebrachten Kisten mit Erde oder Gestein denkt. Die Idee der Herkunft aus der Einzellage bringen gewissermaßen etwas "Romantisches", vielleicht sogar Metaphysisches (ich will nicht sagen "Feinstoffliches" ;) ) in den Wein, was über den tatsächlichen Geschmack hinausgeht. Vielleicht so ähnlich wie die oft genannte Vorstellung, dass man die Persönlichkeit des Winzers auch in seinem Wein wiederfinden kann. ;)

Soweit ich weiß - bitte um Korrektur, falls ich mich da irre - waren "gute Lagen" ja früher vor allem solche, die regelmäßigen Ertrag auch in schwierigen Jahrgängen geliefert haben. Also mit mehr oder weniger ausgeprägter Hanglage (gegen Spätfröste), guter Sonnenexposition (damit die Trauben auch in kühlen Jahren ausreifen) und einem Boden, der den Reben sowohl bei verregneten als auch bei trockenen Jahren gute Wachstumsbedingungen liefert. Und genau diese Lagen gelten jetzt als Garant für besonders hochwertige Weine. Man kann hier eigentlich auch die Henne-Ei-Frage stellen. Also ob die Lagen von sich aus besonders gute Weine hervorbringen oder ob der berühmte Lagenname einfach höhere Preise erzielbar macht und der Winzer daher die Möglichkeit hat, ohne allzu großen Kostendruck besonders sorgfältig zu arbeiten.

Grüße,
Gerald

Gast1

Re: Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

BeitragSo 30. Dez 2018, 18:39

M. E. kann der Winzer da in gewisser Weise Einfluss nehmen - aber da unterschiedliche Lagen (meist) auch unterschiedliche Böden haben, kommt da wohl doch mehr der Einfluss der Natur heraus.


Habe mal von Bernard Pawis Rieslinge vom Schiefer, vom Feuerstein und vom Kalkstein parallel verkostet. Die Unterschiede waren deutlich zu schmecken und ich glaube nicht, dass die Weine vom Winzer unterschiedlich behandelt/ausgebaut wurden.
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Philst

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Re: Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

BeitragSo 30. Dez 2018, 20:04

Gast1 hat geschrieben:M. E. kann der Winzer da in gewisser Weise Einfluss nehmen - aber da unterschiedliche Lagen (meist) auch unterschiedliche Böden haben, kommt da wohl doch mehr der Einfluss der Natur heraus.


Habe mal von Bernard Pawis Rieslinge vom Schiefer, vom Feuerstein und vom Kalkstein parallel verkostet. Die Unterschiede waren deutlich zu schmecken und ich glaube nicht, dass die Weine vom Winzer unterschiedlich behandelt/ausgebaut wurden.



Hast du denn diesen Vergleich zufällig bei mehreren Jahrgängen gemacht und wenn ja, konntest du da über die Jahre Gemeinsamkeiten oder Unterschiede feststellen?

Gast1

Re: Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

BeitragSo 30. Dez 2018, 20:34

Jein, wir waren zufällig vor Ort, habe die drei Weine (des selben Jahrgangs) in der Preisliste entdeckt und habe aus Neugier probiert.

Drei Jahre später waren wir wieder da, wieder die Weine (eines anderen selben Jahrgangs) probiert, und wieder deutliche Unterschiede, die m. E. eindeutig dem Terroir zuzuordnen sind.
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robertz

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Re: Lagenunterschiede - Werk der Natur oder des Winzers?

BeitragSo 30. Dez 2018, 21:36

Hallo Gerald

BF Szapary von Thom kommt zumeist von zwei Fässern, der BF Königsberg kommt von anderer Lage mit deutlichem Kalkanteil im Boden (auch 2 Fässer) und der Alte Garten kommt von speziellen alten Rebstöcken. Mit Jahrgang 2016 gibt es auch einen BF Saybritz, der BF Königssberg ist wegen dem Hagel ausgefallen. Der BF Fasszwölf kommt von diversen Lagen und jüngeren Reben.

Thom verarbeitet viele Trauben diverser kleiner Weingartenbesitzer, der Eisenberg ist zum Teil noch immer sehr zerstückelt.

Aber ich erspare mir eine Diskussion mit dir ;) .

LG Robert
Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte. ;)
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