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Gläservielfalt

Von Korken, Kapseln, Kellermessern
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OsCor

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Gläservielfalt

BeitragDi 26. Aug 2014, 22:48

Es ist noch nicht allzu lange her, als ich in einer Weinhandlung am Ort ein (kleines) Geschenk suchte und mit der Inhaberin ins Gespräch kam. Ich erzählte ihr von meiner Vorliebe für Weine mit kräftiger Säure und sie empfahl mir einen badischen Auxerrois eines benachbarten Weingutes (heute weiß ich nicht mal mehr, von wem der war :oops: ). Auxerrois kannte ich damals als gebürtiger Markgräfler überhaupt noch nicht.
Dann kamen wir auf die individuellen Geschmäcker zu sprechen und sie berichtete mir von einer kürzlich stattgefundenen speziellen Weinprobe, die für Weinhändler veranstaltet wurde. Dabei wären jedem Teilnehmer nach und nach 10 Gläser vorgesetzt worden, die sie beurteilen und bestimmen sollten.
Naja, jeder hatte so sein Ergebnis. Aber die Auflösung sei ein echter Knaller gewesen: Es sei in allen 10 Gläsern immer derselbe Wein gewesen, nur die Gläser hätten sich unterschieden (das hatte anscheinend keiner gemerkt :?: ).

Dieses Erlebnis kam mir beim Durchstöbern der diversen Fäden hier wieder ins Gedächtnis. Kann das denn sein?

Oswald

P.S. An diese Geschichte erinnerte ich mich kürzlich, als ich feststellte, dass mir Bier aus einer ganz bestimmten, aber ganz sicherlich nicht unbedingt für Bier vorgesehenen Glasform mit speziellem Rand wesentlich besser schmeckte als aus den im Haushalt vorhandenen Bierkrügen.
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UlliB

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 09:50

Einfach mal selber ausprobieren: nimm einen eher körperreichen Rotwein und ein paar möglichst unterschiedliche Gläser - eines mit geringem Fassungsvermögen und schmaler Öffnung, ein großvolumiges (Marke "Goldfischglas"), eines größenmäßig zwischen diesen beiden, und dann noch ein normales dickwandiges Wasserglas. Und dann probier hin und her, und das über einen längeren Zeitraum (ein paar Stunden solltens schon sein). Das Ergebnis ist wirklich verblüffend...

Die Art des Glases ist aber nur einer von mehreren Faktoren, die ein Verkostungsergebnis massiv beeinflussen können. Ein anderer wesentlicher Faktor ist die Trinktemperatur; damit kannst Du ähnliche Spielchen betreiben. Belüftungsdauer und -art sind ebenfalls wichtig.

Alleine deshalb sind publizierte Verkostungsergebnisse ohne genaue Kenntnisse der Rahmenbedingung der Verkostung immer mit gewisser Vorsicht zu betrachten.

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 09:56

Und dann gibt es natürlich noch die vielen psychologischen Einflussfaktoren, z.B. die Beleuchtung spielt offenbar ebenfalls eine große Rolle auf die Wahrnehmung eines Weines. Oder einfach die generelle Stimmung (der berühmte Effekt, dass derselbe Wein, der im Urlaub fantastisch geschmeckt hat, zuhause kaum hinunterzubringen ist ;) ).

Alleine deshalb sind publizierte Verkostungsergebnisse ohne genaue Kenntnisse der Rahmenbedingung der Verkostung immer mit gewisser Vorsicht zu betrachten.


ich fürchte, die genauen Rahmenbedingungen - wenn man eben die psychologischen Effekte miteinbezieht - sind gar nicht soweit zugänglich, dass solche Wertungen überhaupt Aussagekraft haben ...

Grüße,
Gerald
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OsCor

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 10:47

Bei einer Weinverkostung mit Publikum aus dem Weinhandel kann ich mir nicht vorstellen, dass so verschiedene Glasformen verwendet worden sind. Das hätte auffallen müssen.
Das war es, was mich so irritiert hat.
Ich bin davon ausgegangen, dass das alles Probiergläser ähnlicher Art waren, sich aber in Details unterschieden, die man nicht sofort bemerkt bzw. denen man nicht auf Anhieb zutraut, dass sie die Wahrnehmung des Weins beeinflussen können.
Leider ist die Weinhandlung inzwischen geschlossen worden und ich kann die Dame nicht mehr fragen…

Oswald
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weingeist

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 12:52

Hallo Oswald,

was glaubst Du denn dass unser österreichischer "Glaspapst" Riedel alles unternimmt, um seine unterschiedlichen Glasformen für Weine zu "pushen". Da gibt es auch genau die von Dir angesprochenen Events, bei denen ein Wein aus verschiedenen Gläsern probiert wird. In Seminaren der Weinakademie habe ich das auch schon erlebt und es war immer wieder eine interesannte Erfahrung. Wobei hier - meines Erachtens - die Form des Glasrandes eine entscheidende Rolle zu spielen scheint, da - und das glaube ich auch bzw. stelle ich bei mir selbst immer wieder fest - es für den ersten Eindruck stark darauf ankommt, welche Teile der Zunge mit dem Wein zuerst in Berührung kommen.

Jedenfalls, wie auch schon von Ulli angeführt, kannst Du diese Probe leicht selbst machen. Ein Jungweinglas, ein großbauchiges Glas, beide mit der gleichen Glasstärke und der Wein darin wird unterschiedliche Empfindungen auslösen.

Die psychlogischen Faktoren, von Gerald angesprochen, wirken sicher mit. Nur, der Wein der mir im Urlaub geschmeckt hat und zu Hause dann die herbe Enttäuschung darstellt, wird schon im Urlaub aus jedem Glas geschmeckt haben, während zu Hause gar nichts mehr hilft (außer vielleicht ein Glühweinglas aus Keramik....)

Für echte Bewertungen der Weinqualität würde ich aber sowieso immer zu einem normalen Verkostungsglas (leicht bauchige Form, eher dünnwandig, langer Stiel) entsprechend der Normen greifen.
Liebe Grüße
weingeist
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UlliB

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 12:53

Subtile Unterschiede, die einem Profi bei der Verkostung nicht auffallen, dürften auch bei der Verkostung zu keinen großen Unterschieden führen*. Ich bin schon davon ausgegangen, dass die Gläser sehr unterschiedlich waren. Das führt auch noch zu einem zusätzlichen psychologischen Effekt, nämlich der Erwartungshaltung, dass die Glasform irgend etwas mit dem Inhalt zu tun haben muss und der Händler nur versucht hat, mit unterschiedlichen Gläsern den jeweiligen Inhalt dieser Gläser optimal zu präsentieren. Für einen Portugieser mit 11,5% nimmt man halt ein anderes Glas als für einen Nebbiolo mit 14,5%... Trugschluss: was unterschiedlich präsentiert wird, muss auch unterschiedlich sein.

Gruß
Ulli

* Wobei man die degustatorischen Fähigkeiten auch von "Profis" nicht überschätzen sollte. Etliche von denen bestehen auch einen einfachen Triangeltest nicht mit statistischer Signifikanz.
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Gerald

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 14:06

Wobei man die degustatorischen Fähigkeiten auch von "Profis" nicht überschätzen sollte. Etliche von denen bestehen auch einen einfachen Triangeltest nicht mit statistischer Signifikanz.


das ist aber schon sehr vorsichtig ausgedrückt. Wenn man z.B. die hochinteressanten Blogbeiträge von Armin Kobler zum Thema nachliest, dürften mehrere Punkte Abweichungen für einen mehrfach eingestellten Wein in einer Blindprobe durch denselben Verkoster eher die Regel als die Ausnahme sein.

Siehe hier: http://www.kobler-margreid.com/blog/201 ... f-paris-1/ (5 Teile)

Schönes Resumé in Teil 5:

„Ein Ver­gleich der Ränge von 18 Weinen von gut zu schlecht zeigt unge­fähr soviel Kon­sis­tenz wie eine Kolonne von Zufalls­zahlen.“
:D

Grüße,
Gerald
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OsCor

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 21:07

Zunächst möchte ich mich bedanken für eure für mich sehr erhellenden Beiträge!

Einen ganz persönlichen Aspekt möchte ich noch erwähnen: Ich bin ein absoluter Fan von geschliffenen Kelchgläsern; ich liebe das Funkeln des Weins im Licht. Dass mir olfaktorisch dabei was fehlt, ist mir wohl bewußt. Es war für mich z.B. eine epochale Entdeckung, als mir ein ausgewiesener Kenner der Whiskywelt mal lachend ein Nosing-Glas gab (was ich noch nicht kannte) und sagte: „Entdecke die Welt neu!”
Wenn ich den diversen Beiträgen zu Gläsern folge, wäre die Benutzung eines solchen Kelchglases zwar kein Sakrileg, aber in gewissem Sinne würden bei einem guten Wein Perlen vor die Säue geworfen.

Ist das so?

Edit wegen zwischenzeitlichem Post von weingeist:
Ich glaube auch, dass es sich viele gar nicht zu sagen trauen, wenn sie der Ansicht sind, den gleichen Wein nochmals im Glas zu haben.

Da ist ganz sicher was dran. 10 Gläser mit dem gleichen Wein ist aber auch eine Frechheit :lol:

Oswald
Zuletzt geändert von OsCor am Mi 27. Aug 2014, 21:14, insgesamt 1-mal geändert.
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weingeist

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 21:08

Ich schätze mich selbst sicher nicht als Profiverkoster ein, viele meiner Bekannten oder Arbeitskollegen bestätigen mir nur immer wieder, dass sie mit meinen Beschreibungen etwas anfangen könnten.

Dass man in einer Verkostungsserie den gleichen Wein zwei- oder mehrmals vorgesetzt bekommt, erwartet man halt nicht. Nicht der Laie und nicht der Profiverkoster. Ich glaube auch, dass es sich viele gar nicht zu sagen trauen, wenn sie der Ansicht sind, den gleichen Wein nochmals im Glas zu haben.

Ich selbst darf von mir sagen, dass mir bis dato bei zwei Seminaren der selbe Wein an einem Abend eingeschenkt wurde (einmal 2x und einmal sogar 3x), und ich jedesmal (wenn auch etwas unsicher) richtig erkannte, dass wir hier den selben Wein nochmals vorgesetzt bekamen. Andere schüttelten den Kopf, bis der Seminarleiter den Wein aufgedeckt hat.
Liebe Grüße
weingeist
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weingeist

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Re: Gläservielfalt

BeitragMi 27. Aug 2014, 21:16

Hallo Oswald!
OsCor hat geschrieben:Ich bin ein absoluter Fan von geschliffenen Kelchgläsern; ich liebe das Funkeln des Weins im Licht. Dass mir olfaktorisch dabei was fehlt, ist mir wohl bewußt.

Wenn das Dein "Credo" ist, wenn Dir der Wein so schmeckt, dann ist das für Dich asolut in Ordnung. Früher haben wir Wein - ohne darüber nachzudenken - aus "Römern" getrunken. Da hat dann olfaktorisch voraussichtlich noch mehr gefehlt :lol:

Mir persönlich ist es halt lieber, wenn ich sehe, dass das brillante Funkeln, die Strahlkraft eines Weines von ihm selbst aus dem Glas kommt, und nicht durch die Lichtbrechung des geschliffenen Glases erzeugt wird.
Liebe Grüße
weingeist
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