Slow Wine Guida

Auch wenn es ihn nur auf italienisch gibt und ich mit 7 Jahren Schullatein, 21 von 30 Lektionen der Kassette "Italiano in trenti giorni" und ein paar Urlaubspläuschchen nicht so weit komme, musste ich mir als begeistertes und überzeugtes Slow Food Mitglied natürlich den Slow Wine Guida 2011 kaufen.

Hier noch mal der Hintergrund: Bis einschließlich 2010 hatte Slow Food mit dem Gambero Rosso kooperiert. Dann entschied man sich, sich von punkt-/glas-basierten Einschätzungen zu entfernen und die Kooperation mit dem Gambero Rosso aufzulösen. Mit einem immensen Aufwand haben dann ca. 200 "Tester" insgesamt ca. 1.850 Weinbaubetriebe besucht, sich mit den Winzern unterhalten, die Weinberge und Keller angesehen und anschließend entschieden, welche Betriebe in den Guida aufgenommen werden. Der Fokus liegt weniger auf einzelnen Weine, sondern mehr auf den Produzenten an sich, ihrer Philosophie, ihrer Weinbergs- und in geringerem Umfang der Kellerarbeit. Laut eigenen Angaben stoßen sich die Herausgeber Giancarlo Cariglio und Fabio Giavedoni an dem Trend zur Verlagerung der Hauptarbeit vom Weinberg in den Keller und wollten aus diesem Grund dem Terroir größere Aufmerksamkeit widmen.

Eine gute Beschreibung des Slow Wine Guida findet sich in einem Artikel von Walter Speller auf http://www.jancisrobinson.com, jedoch nur Abonnenten zugänglich. Deshalb fasse ich hier noch einmal die "Formalia" zusammen:

Punkte, Gläser, o.ä. werden nicht vergeben. Jedoch gibt es Auszeichnungen für bestimmte Betriebe und Weine. Bei den Betrieben sind die Auszeichnungen:

* Schnecke: wird an Betriebe vergeben, die den Slow Food Prinzipien entgegenkommen (naturnaher Anbau, terroir-bezogen, umweltfreundlich, identitätswahrend (auf italienisch organolettici, territoriali, ambientali e indentitatri, ich hoffe, ich habe es halbwegs richtig übersetzt )

* Flasche: wird an Betriebe vergeben, die über die gesamte Kollektion hinweg ein überzeugendes Bild abgegeben haben

* Euro-Zeichen: wird an Betriebe vergeben, die über die gesamte Kollektion hinweg ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis bieten

Einzelne Weine erhalten auch Auszeichnungen. Diese sind die folgenden:

* Vino Slow: ein Wein, der sich über eine exzellente und wahrnehmbare Qualität hinaus bemüht, möglichst viel Charakter über das Terroir, eine Geschichte und die Gesamtaura zu konzentrieren (puh, meine Übersetzungskünste stoßen an harte Grenzen )

* rot markierter Wein: "Grande Vino", d.h. die besten unter den besten

* grün markierter Wein: ein Wein, der im Laden (in Italien) max. 10 Euro kostet und dafür ein exzellentes Preis-/Leistungsverhältnis bietet.

Sodann sind nach Regionen und Unter-Regionen (im Piemont z.B. Nord-Piemont, Langhe und Roero und Monferrato) die einzelnen Betriebe aufgeführt, und zwar letztlich mit nahezu allen Informationen, die man als Weinkonsument braucht. Das geht bei den Kontaktdaten, der Angabe, ob ab Hof verkauft wird, der Größe in ha und den pro Jahr produzierten Flaschen los. Dann folgt ein kurzer Abriss der Betriebsgeschichte und eine Beschreibung der Lagen und Anbaumethoden (Böden, Höhe der Lage über dem Meeresspiegel, Ausrichtung der Lagen, etc.). Schließlich werden noch ein paar ausgewählte Weine beschrieben, einschließlich der jeweiligen Anzahl der Flaschen und des exakten Preises.

Schließlich, und das finde ich besonders bemerkenswert, werden noch ein paar wichtige Eckdaten aufgeführt, nämlich:

* Düngung (z.B. Kompost, biodynamische Präparate, Mineraldünger (natürlich oder chemisch), Natürdünger, etc.)
* Pflanzenschutzmittel (z.B. Chemie, Kupfer, Schwefel)
* Unkrautvernichtung (manuell oder chemisch)
* Hefen (weinberg-/kellereigen oder Reinzucht)
* Trauben (Anteil der zugekauften Trauben)

Ich kriege mich ehrlich gesagt vor lauter Begeisterung kaum ein. Das ist die Art von Weinratgeber, die ich mir schon immer gewünscht habe. Genau diese Art von Informationen brauche ich. In einem Anflug kurzzeitiger Euphorie bin ich fast geneigt, auch noch die letzten nove giorni meines Kassetten-Italienisch-Kurses durchzugehen, einfach um mehr zu verstehen.

Ich schrecke normalerweise vor plumpen Kaufappellen zurück. Aber in diesem Fall kann ich nur sagen: Wer italienisch kann oder jedenfalls französisch, spanisch oder rumänisch oder Schullatein und sich für italienischen Wein interessiert, kaufe bitte den Slow Wine Guida. Hier ist nach meinem Empfinden ausnahmsweise mal eine ausreichend große Nachfrage notwendig, um dem Guida überhaupt das Überleben und auch die nächste Ausgabe zu sichern.

Es wäre übrigens aus meiner Sicht grandios, wenn es einen solchen Guide auch in Deutschland geben würde. Ich habe mich neulich kurz mit dem Journalisten unterhalten, der für den Gault Millau die Slow Food empfohlenen Weine aussucht. Er sagte, dass für Deutschland leider im Moment noch keine konkreten Pläne zur Umsetzung existieren. U.U. ändert sich das natürlich, wenn nur genügend Interesse der potenziellen Kunden geäußert wird. Besteht aus Eurer Sicht ein Markt und ein Bedürfnis nach einem Weinguide dieser Art für Deutschland? Wärt Ihr bereit, dafür nicht wenig Geld auszugeben (der Slow Wine Guida Italia kostet 40 Euro, jedoch bei Amazon schon runtergesetzt auf 29 Euro)?

Ich habe fertig .

Hallo Stephan,

das klingt sehr interessant. Nur dass ich bestimmt kein Italienisch lerne wegen einem Weinführer. Entweder die sprechen meine Sprache oder Englisch oder es ist ein Satz mit x. Englisch ist das mindeste was der Verleger anbieten sollte, will er über die Grenzen Italiens und Rumäniens hinaus.

Hallo Wolfgang,

das ist natürlich richtig. Ich frage vielleicht einfach mal nach, ob eine englische oder sogar deutsche Übersetzung geplant ist.

Hallo Wolfgang!

Ich kann Deine Einstellung natürlich verstehen. Ich erinnere mich an den Guide Hachette der im Jahre 2003 letztmalig in Deutsch erschienen ist - mit gehöriger Verspätung natürlich, die der Übersetzung geschuldet ist. Im Jahre 2004 erschien er dann nur noch in Englisch und ab dem Jahre 2005 kann man ihn nur noch in französischer Sprache kaufen. Warum das so ist, weiß ich leider nicht, kann mir aber denken, dass es daran liegt, dass der Guide ein Nischenprodukt darstellt, dass in deutscher oder englischer Sprache nur sehr wenige Menschen kaufen und deshalb rentiert sich die Übersetzung und Verlegung einfach nicht. Ein weiterer Aspekt wäre die Aktualität des übersetzten Guide. Wenn bei einigen, raren Weinen die Bewertungen durch die Decke schießen, sind diese Weine längst ab Hof ausverkauft, wenn ich den Guide einige Monate später in übersetzter Form in den Händen halte.

Dieser Umstand hat mich jedoch nicht davon abgehalten die Guide Hachette in französischer Sprache weiterhin zu kaufen und intensiv zu studieren. Das hat natürlich auch meine zuvor eher rudimentären Kenntnisse in französischer Sprache erheblich verbessert.

Hätte ich auf den weiteren Kauf des Guide verzichtet, wären mir viele, tolle Weinerlebnisse sozusagen durch die Lappen gegangen. Zudem möchte ich anmerken, dass ich keine Alternative zu den französischsprachigen Guide's wie Hachette, Gault Millau, RDVF und den Guide von Michel Bettane und Thierry Desseauve kenne. Was will ich also machen, wenn ich mich umfassend über französischen Wein informieren möchte

Analog ist m.E. die Sache mit dem Slow Wine Guida. Wir waren jahrelang verwöhnt mit dem Gambero Rosso in deutscher Sprache und wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann bin ich wahrscheinlich nicht der einzige, der diese ganzen "drei - Gläser - Orgien" bei Weinen der Preisklasse 10 bis 20 Euro aus "neuen" und "aufstrebenden" Anbaugebieten, die zumindest bei mir nicht unbedingt im Fokus standen, nicht mehr nachvollziehen kann.

Das was Carlo Petrini mit seiner Slow Food Organisation leistet finde ich einzigartig und unbedingt unterstützungswürdig. Der Gedankenansatz dieses Slow Wine Guida entspricht genau meiner Vorstellung von einem Weinführer, soweit ich das aus dem Posting von octopussy entnehmen kann.

P.S.: Ich kann auch kein Italienisch...

Der etwas andere Weinführer mit interessanten Denkansätzen. Bereits seit November sind die Wein-Schnäppchen des Slow Wine 2011, die Weingüter mit der Schnecke und alle ausgezeichneten Weine (Region für Region) auf meinem Blog abrufbar...
http://michael-liebert.de/weintipps/slow-wine-der-neue-weinfuehrer-von-slow-food/

Der etwas andere Weinführer mit interessanten Denkansätzen. Bereits seit November sind die Wein-Schnäppchen des Slow Wine 2011, die Weingüter mit der Schnecke und alle ausgezeichneten Weine (Region für Region) auf meinem Blog abrufbar...
http://michael-liebert.de/weintipps/slow-wine-der-neue-weinfuehrer-von-slow-food/

Ups, da hätte ich mir ja ungefähr die Hälfte des Textes über den Slow Wine Guida zugunsten eines Links sparen können. Naja. Michael, wie findest du den Guida? Ist er aus deiner Sicht eine echte Alternative zu Gambero Rosso & co?

Ups, da hätte ich mir ja ungefähr die Hälfte des Textes über den Slow Wine Guida zugunsten eines Links sparen können. Naja. Michael, wie findest du den Guida? Ist er aus deiner Sicht eine echte Alternative zu Gambero Rosso & co?

Schön, dass es den Slow Wine 2011 gibt! Aber warum konzentriert man sich nicht darauf, was man am besten kann? Warum nicht wirklich einen kompetenten Weinguide zu den langsamen Weinen? Die 3 unterschiedlichen Kategorien, mit "grosse Weine", "langsame Weine" und dann noch "günstige Weine" macht das ganze unübersichtlich und auch ein wenig unglaubwürdig.

Die Nachhaltigkeit, wie sie für die Schnecke definiert wurde, sollte die grundlegende Voraussetzung für die Aufnahme in den Führer. Und diese Weingüter und/oder Weine werden dann nach ihrer Qualität bewertet. Mein Vorschlag...

Schön, dass es den Slow Wine 2011 gibt! Aber warum konzentriert man sich nicht darauf, was man am besten kann? Warum nicht wirklich einen kompetenten Weinguide zu den langsamen Weinen? Die 3 unterschiedlichen Kategorien, mit "grosse Weine", "langsame Weine" und dann noch "günstige Weine" macht das ganze unübersichtlich und auch ein wenig unglaubwürdig.

Die Nachhaltigkeit, wie sie für die Schnecke definiert wurde, sollte die grundlegende Voraussetzung für die Aufnahme in den Führer. Und diese Weingüter und/oder Weine werden dann nach ihrer Qualität bewertet. Mein Vorschlag...

Das wäre natürlich das allerbeste. Aber ich fürchte, dann wäre der Slow Wine 2011 mal abgesehen von Südtirol, Friaul/Julisch Venetien und dem Piemont ziemlich dünn geworden. Mir fällt schon auf, wie wenig Güter die Schnecken-Kriterien erfüllen, und allzu knauserig schien mit die Slow Food Redaktion damit nicht gewesen zu sein.