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Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

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octopussy

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 1. Aug 2013, 19:03

UlliB hat geschrieben:Ich habe aus dem Jahrgang 2009 - einem alkoholstarken Jahrgang - mittlerweile Dutzende von Weinen im Glas gehabt, darunter auch etliche Hochkaräter. Da war nach meinen Aufzeichnungen und meiner Erinnerung kei einziger dabei, der deklarierte 15% und mehr hatte. Übrigens war kein einziger der Weine wirklich alkohollastig.

Sicher, es gibt solche Weine. Aber sie sind im Bordelais nach wie vor eine Randerscheinung, mehr nicht.

Du kaufst halt die falschen Weine ;). Hier ein paar Beispiele:

2010 (Quelle: Jancis Robinson VKN 2010 in der Flasche):

Balestard La Tonnelle: 15 % Vol.
Canon: 15% Vol.
Cap de Mourlin: 15,5% Vol.
Grand Mayne: 15,5% Vol.
Troplong Mondot: 16% Vol.

2009 (gleiche Quelle):

Troplong Mondot: 15,5% Vol.
Les Ateries: 15% Vol.
Bellevue: 15% Vol.
Fombrauge: 15% Vol.
Fonpledage: 15% Vol.
Gracia: 15% Vol.
Magrez Fombrauge: 15% Vol.

Sowohl in 2009 als auch in 2010 gibt es zudem jede Menge 14,5 Prozenter. Nur ein Beispiel: In 2010 hatten von 17 Weinen, die Jancis Robinson in der Flasche aus Pessac-Leognan probiert hat und für die Alkoholwerte angegeben sind, 9 Weine (d.h. mehr als die Hälfte) 14,5% Vol. Alc. 5 Weine hatten 14% Vol. Alc. 3 Weine hatten 13,5 % Vol. Alc. Darunter ist keiner geblieben.

Natürlich sind die 15% Vol. und drüber Weine eine Ausnahme, aber es gibt sie eben. Gab es vor 2009 überhaupt einen Bordeaux Wein, der mehr als 14,5% Vol. auf dem Etikett stehen hatte?

Zu den restlichen Punkten melde ich mich nochmal gesondert.
Beste Grüße, Stephan
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UlliB

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 1. Aug 2013, 19:37

octopussy hat geschrieben:Balestard La Tonnelle: 15 % Vol.
Canon: 15% Vol.
Cap de Mourlin: 15,5% Vol.
Grand Mayne: 15,5% Vol.
Troplong Mondot: 16% Vol.

2009 (gleiche Quelle):

Troplong Mondot: 15,5% Vol.
Les Ateries: 15% Vol.
Bellevue: 15% Vol.
Fombrauge: 15% Vol.
Fonpledage: 15% Vol.
Gracia: 15% Vol.
Magrez Fombrauge: 15% Vol.



Wenn ich das richtig sehe, kommen diese Weine allesamt aus St. Emilion. Dazu ließe sich jetzt eine ganze Menge sagen - unter anderem, dass St. Emilion die AOC ist, die im Bordelais am meisten Tritt verloren hat, vergangenen Idealen nachhängt, und um die man mit ein paar Ausnahmen heute besser einen großen Bogen macht. Inwieweit Parker hier "schuld" ist, halte ich für sehr fraglich. Die unmittelbare Nachbar-AOC Pomerol zeigt, dass es auch ganz anders geht - und dennoch werden die Weine hier von Parker extrem hoch bewertet; im Durchschnitt allemal höher als in St. Emilion.

Es handelt sich übrigens jeweils um 5 bzw. 7 Weine - von etwa 500 bis 600 Nennenswerten, die es im Bordelais +/- mittlerweile gibt. Also etwa 1%. Sorry, das bleibt für mich eine Randerscheinung.

Was die 14,5% betrifft: ich habe aus 2009 auch etliche deutsche Kabinette (!) gesehen, die diese Zahl auf dem Etikett tragen. Willst Du die auch Parker in die Schuhe schieben? Oder fallen Dir bei Bedarf auch ein paar andere denkbare Ursachen dafür ein?

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 2. Aug 2013, 08:45

Hier ein sehr lesenswerter Beitrag unseres Forumsmitglieds Matze:

http://chezmatze.wordpress.com/2013/08/ ... ker-meint/

Nach Lesen diesen Beitrags kam mir auch wieder in den Sinn, was mich bei Parker stört - nicht bei ihm persönlich, sondern am "Prinzip" Parker: angetreten als Anwalt der Konsumenten ist ein Medienunternehmen daraus geworden. Und Medienunternehmen haben ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten (Auflagensteigerung, Erscheinungszwang etc.), die dem "anwaltlichen" Vorhaben IMHO entgegenstehen.

Wie aber sähe es wirklich aus, wenn Parker nicht mehr Medieninteressen, sondern wieder Kundeninteressen verfolgen würde?
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octopussy

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 2. Aug 2013, 10:59

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Hier ein sehr lesenswerter Beitrag unseres Forumsmitglieds Matze:

http://chezmatze.wordpress.com/2013/08/ ... ker-meint/

Nach Lesen diesen Beitrags kam mir auch wieder in den Sinn, was mich bei Parker stört - nicht bei ihm persönlich, sondern am "Prinzip" Parker: angetreten als Anwalt der Konsumenten ist ein Medienunternehmen daraus geworden. Und Medienunternehmen haben ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten (Auflagensteigerung, Erscheinungszwang etc.), die dem "anwaltlichen" Vorhaben IMHO entgegenstehen.

Wie aber sähe es wirklich aus, wenn Parker nicht mehr Medieninteressen, sondern wieder Kundeninteressen verfolgen würde?

Danke für den Link. Der Blogbeitrag gefällt mir. Offenbar scheint Matze wenigstens hin und wieder noch hier ins Forum reinzuschauen.

Ich denke, für Parker gibt es keinen Weg mehr zurück zu den Wurzeln. Und einen "New Wine Advocate" mit demselben Einfluss wird es vermutlich nicht noch einmal geben, insbesondere nicht in Zeiten des Internets mit einer Vielzahl von jederzeit verfügbaren Informationen. Ein aktuell gerne verwandtes Argument, an das ich nicht wirklich glaube, das aber ganz auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist: Die heutigen Weinadvokaten sind alle User, die täglich in Foren, in Datenbanken, auf Facebook oder in Blogs über Wein schreiben.

Im Übrigen gebe ich es auf, zu versuchen, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Weinstilistik in bestimmten Gebieten (mit höheren Alkoholgradationen als Folge) und den Bewertungen durch Parker herzustellen. Mit Zahlen belegen lässt sich dieser kausale Zusammenhang ohnehin nicht oder wenn dann nur mit hohem Aufwand. Und es bringt nichts, sich darüber zu verheddern, ob nun 1% Weine über 15% Vol. Alkohol "nicht mehr so selten" oder "eine Randerscheinung" sind (m.E. trifft beides zu). Nur die Zahlen über die Entwicklung des Merlotanteils an den Bordeauxcuvées muss ich bei Gelegenheit noch einmal nachprüfen. Kann sein, dass ich falsch liege, aber ich werde es nochmal überprüfen.
Beste Grüße, Stephan
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Desmirail

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 2. Aug 2013, 14:47

octopussy hat geschrieben:Natürlich sind die 15% Vol. und drüber Weine eine Ausnahme, aber es gibt sie eben. Gab es vor 2009 überhaupt einen Bordeaux Wein, der mehr als 14,5% Vol. auf dem Etikett stehen hatte?


Wenn 14,5 auf dem Etikett steht sind vermutlich 15,2 tatsächlich drinnen ... habschmalsogehört :?
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Deep And House
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UlliB

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 2. Aug 2013, 16:05

Desmirail hat geschrieben:Wenn 14,5 auf dem Etikett steht sind vermutlich 15,2 tatsächlich drinnen ... habschmalsogehört :?


Nö. 15,2 "tatsächliche %" kannst Du wahlweise auf 15,0% abrunden oder auf 15,5% aufrunden - es geht immer nur auf die beiden nächstliegenden Halb-Prozent-Schritte, wahlweise ab oder auf, aber nicht darüber hinaus.

Es wäre eine interessante Frage, ob heute eher ab- als aufgerundet wird. Ich vermute in Jahren wie 2009 ersteres.

Gruß
Uli
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C9dP

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 2. Aug 2013, 17:37

Ich möchte mal behaupten, dass keiner schmecken kann ob ein Wein 14,5 oder 14,9 Umdrehungen hat. Alkohol kann auch bei Weinen mit 13,5% unangenehm hervorstechen. Das hat also weder etwas mit irgendwelchen Rundungsmöglichkeiten und noch weniger mir Parker zu tun.
Viele Grüße

Aloys
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UlliB

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragFr 2. Aug 2013, 17:52

C9dP hat geschrieben: Alkohol kann auch bei Weinen mit 13,5% unangenehm hervorstechen.


Stimmt. Er kann aber auch bei Weinen mit 14,5% noch perfekt eingebunden sein.

Das hat also weder etwas mit irgendwelchen Rundungsmöglichkeiten und noch weniger mir Parker zu tun.


Das sehe ich ganz genauso. Und von Alkoholgehalten direkt auf eine bestimmte Stilistik zu schließen (über 14% = alkohollastig, überreif, marmeladig), führt halt gelegentlich völlig in die Irre. Beispiele hierfür gibt es z.B. bei Bordeaux 2009 zuhauf.

Sieht man einmal vom gesundheitlichen Aspekt ab, liefert der deklarierte Alkoholgehalt bestenfalls einen vagen Hinweis auf die zu erwartende Stilistik. Viel mehr ist da nicht drin.

Gruß
Ulli
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VillaGemma

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragSo 4. Aug 2013, 16:41

octopussy hat geschrieben:Für ihn zählt isoliert der Wein. Ist er gut oder ist er nicht gut? Parker versucht, dies zu verobjektivieren: 100 Punkte. 80 Punkte schlecht. 90 Punkte gut. 100 Punkte groß. In Wahrheit gibt es aber kaum ein System der Weinbewertung, das subjektiver ist als das von Robert Parker. Durch das Entkleiden des Weins von jeglichen kulturellen Aspekten verbleibt eigentlich nur noch der persönliche Geschmack von Robert Parker.

Das fasst es am Ende nochmal ganz gut zusammen. Der große Vorteil von Parker, sich hier isoliert den Wein anzuschauen (was ich gut finde, denn nur darum geht es beim Bewerten. Mir persönlich ist es auch egal, ob es der 1. oder 153. gute Wein dieses Winzers/Namens ist), ist Zugleich der große Nachteil, da es dann "nur *sein* persönlicher Geschmack" ist, der Weine groß macht oder links liegen lässt.

Ich glaube, daran wird jedes System am Ende kranken. Man kann Wein so gut wie gar nicht objektiv bewerten, auch wenn man Zahlen von 80-100 Punkten gibt.
"wine is sunlight held together by water" (Galileo Galilei)

Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. (Max Planck)
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UlliB

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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragSo 4. Aug 2013, 17:00

VillaGemma hat geschrieben:Ich glaube, daran wird jedes System am Ende kranken. Man kann Wein so gut wie gar nicht objektiv bewerten, auch wenn man Zahlen von 80-100 Punkten gibt.


Das ist, denke ich, die entscheidende Erkenntnis. Und insofern ist die Frage von Markus kaum zu beantworten:

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Wie aber sähe es wirklich aus, wenn Parker nicht mehr Medieninteressen, sondern wieder Kundeninteressen verfolgen würde?


Das Interesse welcher Kunden? Diejenigen, die mit Parkers Geschmack klarkommen bzw. seine Verkostungsnotizen für sich richtig einordnen können, kommen damit auch heute noch klar. Die anderen kamen damit vermutlich noch nie klar, wurden aber auf Grund seiner zeitweisen Dominanz zumindest bei Bordeaux nicht wirklich gehört. Dass sich die Rolle von Parker aber auch im Bordelais - langsam - dem Ende nähert, ist nicht zu übersehen.

Gruß
Ulli
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