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Herbizide und Umweltgifte im Wein

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stollinger

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragSa 5. Dez 2020, 11:57

Danke Ulli und Gerald,

das ist wirklich sehr interessant, aber auch etwas wobei ich dazu neige, es zu verdrängen. Ich habe keine Bilder von pilzbefallenen Weinbergen im Kopf, wenn ich eine Flasche öffne.

Ein Blick in den Garten reicht, um zu sehen wie der Pilzdruck zunimmt. Die Rosen sahen die letzten beiden Jahre schrecklich aus, haben phasenweise kaum noch Blätter; mittlerweile leiden auch andere Pflanzen unter massivem Pilzbefall. Was das für Folgen in einer Monokultur hat, mag ich mir gar nicht vorstellen.

Grüße, Josef
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Blaufränkisch

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragSa 5. Dez 2020, 16:52

Hallo Ulli!

UlliB hat geschrieben:Zwar gibt es im Rahmen des Klimawandels mehr ausgedehnte Phasen ohne Niederschlag, aber die Luftfeuchtigkeit nimmt (physikalisch bedingt zwangsläufig) zu, und die höheren Temperaturen auch nachts begünstigen die Ausbreitung von Pilzkrankheiten. Praktisch alle Winzer, mit denen ich über das Thema gesprochen habe, haben berichtet, dass der Pilzdruck etwa seit der Jahrtausendwende laufend zunimmt. Mitunter nimmt das schon dramatische Formen an, so in Bordeaux 2018, als biologisch arbeitende Betriebe zwischen 60 und 80% der Ernte durch falschen Mehltau verloren haben, da sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Ausbreitung nicht eindämmen konnten. 2018 war aber ein heißes und generell sehr trockenes Jahr...


Ich möchte der These, dass der Pilzdruck durch den Klimawandel zunimmt zwar nicht völlig widersprechen, würde das aber auf einzelne Weinbauregionen oder (zunehmende) Extremjahrgänge beschränken und nicht als generelle Aussage stehen lassen. Insbesondere deine Verknüpfung der Peronospora in Bordeaux mit den heißen und sehr trockenen Klimabedingungen 2018 ist nicht geeignet, um sie zu stützen.

Peronosporasporen brauchen flüssiges Wasser, um keimen und die Rebe infizieren zu können, deshalb kommt sie bei heißem, trockenen Wetter (auch wenn die Luftfeuchte da in der Nacht manchmal hoch sein kann) nicht vor, sondern nur nach Regen oder Tau (und dabei umso intensiver, je wärmer es dabei ist). Peronospora ist deshalb auch immer schon in Gebieten mit höheren Niederschlägen ein größeres Problem (Bordeaux, nördlicheres Europa), während sie in den trockeneren Regionen des Südens und Südostens weniger oder zumindest weniger oft extrem bedrohlich wird. Dort gibt es dafür traditionell größere Schwierigkeiten mit Oidium, das kein flüssiges Wasser, sondern nur sehr hohe Luftfeuchte braucht und den Wechsel von heißen, schwülen Tagen mit etwas kühleren Nächten mit hoher Luftfeuchte liebt.

Wenn es in Bordeaux 2018 große Peronospora-Probleme gab, dann nicht weil 2018 heiß und sehr trocken war, sondern weil es - und das ist für Bordeaux nicht ungewöhnlich und war auch schon vor dem Klimawandel nicht selten - zur für die Peronospora richtigen Zeit bei verhältnismäßig milden Temperaturen geregnet und längere Blattnässe gegeben hat.

Bei typischem Peronospora-Wetter stoßen die biologischen Bekämpfungsmaßnahmen inklusive Kupfer schnell an ihre Grenzen, nicht zuletzt wegen der kürzeren Wirkungsdauer und der reinen Oberflächenwirkung, die die seit der letzten Spritzung gewachsenen Pflanzenteile nicht schützen kann und auch schnell vom Regen (der zur Pero-Infektion führt) abewaschen wird.
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
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UlliB

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragSa 5. Dez 2020, 17:49

Hallo Bernhard,

danke für die Klarstellung zu Bordeaux 2018. Ich habe noch mal nachgeforscht - tatsächlich gab es im Frühjahr 2018 um die Blütezeit eine kurze sehr nasse Phase, die für die Probleme verantwortlich war. Das Ausmaß war aber selbst für Bordeaux eher ungewöhnlich.

Die Winzer-Aussagen zur Pilzproblematik, auf die ich mich beziehe, stammen hingegen vorwiegend aus Deutschland (Baden, Pfalz, Rheingau, Mosel) und zum Teil aus Niederösterreich. Am Kaiserstuhl haben mir gleich vier Winzer unabhängig voneinander berichtet, dass es in den letzten 10 Jahren keinen einzigen Jahrgang mehr gegeben hat, der keine massiven Pilzprobleme gehabt hätte, und das wäre früher doch deutlich anders gewesen. An der Mosel hat mir ein fast 90 Jahre alter Winzer einige Monate vor seinem Tod gesagt, dass die Pilzprobleme in seinem Leben noch nie so groß gewesen sind wie zuletzt, selbst in den nassen 80ern sei es bei weitem nicht so schlimm gewesen. Und in Niederöstereich (Kremstal / Kamptal) haben mir mehrere Winzer bereichtet, dass man beim (Pilz-)Pflanzenschutz mittlerweile extrem aufpassen muss, da schon eine kurze Nachlässigkeit schnell zu schwerwiegenden Problemen führen kann. Ein Erzeuger, den ich dort seit geraumer Zeit gut kenne, hat deswegen Experimente mit der biologischen Bewirtschaftung aufgegeben.

Im Kern ging es mir nur daraum, der Auffassung zu widersprechen, dass der Klimawandel die Pilzprobleme im Weinbau lösen wird. Nach dem, was ich höre, ist eher das Gegenteil der Fall, und das erscheint mir duchaus plausibel.

Gruß
Ulli
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Blaufränkisch

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragSa 5. Dez 2020, 18:46

Wie gesagt, an den Aussagen ist sicher etwas dran. Allerdings muss man auch die geänderten Rahmenbedingungen abseits des Klimawandels berücksichtigen. So wie zum Beispiel die frühere Traubenreife natürlich überwiegend am Klimawandel hängt aber eben nicht nur, sondern auch an veränderter Bewirtschaftung, insbesondere am aus qualitativen Gründen niedrigeren Ertragsniveau im Vergleich zu den 70ern und 80ern.

Genau so hängt der höhere Pilzdruck eben nicht nur am Klimawandel, sondern auch an Veränderungen in der Bewirtschaftung seit den 80ern. Bio, das damals kein Thema war mach die Situation schwerer beherrschbar als konventioneller Pflanzenschutz. Und dieser wiederum steht unter viel stärkeren Einschränkungen als damals was die Wirkstoffe betrifft, deren - heute kaum noch vorhandene - heilende Wirkung für Behandlungen im Nachhinein sozusagen. Gewachsenes und/oder durch strengere und strenger kontrollierte Regeln erzwungenes Bewußtsein über die Umweltproblematik beim Pflanzenschutz lässt uns heute manchmal ein höheres Risiko in Kauf nehmen, während man früher eher dem Motto "viel hilft viel" gehuldigt hat.

Die heute zugelassenen Mittel sind oft weniger toxisch für den Mehltau, was zwar gut ist für die Umwelt, weil sie schonender sind, aber auch eher zu Resistenzen beim Mehltau führt, sprich zu innerhalb weniger Jahre nach Zulassung stark nachlassender Wirksamkeit.

Dazu kommen dann noch Faktoren, die gar nichts direkt mit dem Pflanzenschutz zu tun haben wie z.B. heute im Vergleich zu früher häufigere Begrünungen des Bodens, die die Luftfeuchte in den Anlagen erhöhen können, etc.
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Fasano

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragSa 5. Dez 2020, 19:55

Die Frage die sich mir in der Summe aller Beiträge ergibt: Vefgifte ich mich als regelmäßiger Bordeaux Trinker???
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Lorne Malvo

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragSa 5. Dez 2020, 20:17

NEIN,
denn was vergiftet ist bringt keinen Wein...

Kaum stellt man mal ne steile These auf, gibts richtig gute Infos. :mrgreen:

Danke an alle für die Erklärungen/Beiträge. Again what learned. :!:

Dass der Bioanbau traditioneller Rebsorten quasi per Regulierung „abgeschafft“ wird, ist natürlich ein bemerkenswerter Gedanke, der allein schon aufgrund des etablierten Systems kaum zu erwarten ist.
Wenn man jedoch eher dogmatisch an die Regeln herangeht, wäre das wahrscheinlich in vielen Regionen tatsächlich ein Riesenproblem.
Pilzbekämpfung mit Kupfer ist ja selbst vielen Anwendern ein Dorn im Auge. Eine Kröte werden die Entscheider also schlucken müssen und sie werden es wohl.
Entweder weiter mit Kupfer oder in definierten Grenzen ein Präparat (vielleicht auf Antrag) zulassen.

Der Bodenvitalität hat der Trend zum Bioanbau zweifelsohne genützt. Ob mit Zertifikat oder ohne.
Die Ergebnisse und der Zustand der Pflanzen zeigen ja auch, dass das kein Nonsens ist.
„Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es schön war.“
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Winedom

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragMo 4. Jan 2021, 19:21

5 Minuten Beitrag über nachgewiesene Pestizide in Weinen der Schweiz!

https://www.youtube.com/watch?v=EdbFjNPXLZU
Viele Grüße
Rainer
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OsCor

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragMo 4. Jan 2021, 19:45

Vielleicht kommen ja doch noch die Piwis ganz notgedrungen in unsere Gläser. Nicht dass ich scharf darauf wäre… aber es ist ganz offensichtlich ein Thema, was man nur ungern angreift (für mein Gefühl).

Gruß
Oswald
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Winedom

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Re: Herbizide und Umweltgifte im Wein

BeitragFr 7. Mai 2021, 21:20

Der Marsch in Richtung eines grüneren Bordeaux geht weiter. Die Appellationsbehörde Côtes de Bourg hat erklärt, dass alle Winzer eine Umweltzertifizierung haben müssen, wenn sie den Appellationsnamen auf dem Etikett ab 2025 verwenden.
Dies wird mindestens Haute Valeur Environmentale - oder HVE - sein, aber viele einzelne Winzer gehen noch viel weiter.

Alle AOCs in Frankreich müssen mindestens bis zum 1. Januar 2030 der HVE folgen, gemäß den Vorschriften der französischen nationalen Appellationsstelle INAO.
Viele Grüße
Rainer
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