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Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

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DerFranki

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragDo 12. Mai 2011, 20:08

Deutscher Riesling --> Versuch in die Tiefe zu kommen
Der Rest --> Breite

Ich bin gerne faul und habe oft keine Lust auf Experimente.
Dann kaufe und trinke ich meine Standards und habe Spaß damit.

Befasse ich mich mit einer Rebsorte zum ersten Mal intensiver, kann es passieren, dass ich versuche dort auch in die Tiefe vorzudringen.
Das will ich aber eigentlich nicht. Keine neuen Baustellen! :D
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octopussy

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragDo 12. Mai 2011, 22:12

Es wäre ja unhöflich, eine Frage zu stellen und nicht selbst Position zu beziehen. Deshalb: Ich bin auch eher der "in die Breite" Typ. Ich staune z.B. über das breite Erfahrungsspektrum eines Hugh Johnson, der seinen Büchern nach zu urteilen, wirklich viele verschiedene Weine probiert haben muss.

Ich selbst lasse manche Anbaugebiete eher links liegen, weil es einfach nicht möglich ist, alles durchzuprobieren. Zu meinen wirklich großen Lücken gehören z.B. derzeit spanische Weine, generell Weine aus Übersee, Port, Madeira und Sherry. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, aber ich glaube für ein vertieftes Interesse muss sich einfach eine Gelegenheit ergeben.

Und trotz einer gewissen Tendenz zu Weinen aus Deutschland, Frankreich und Italien glaube ich nicht, dass ich jemals irgendwelche wirklich fundierten Erfahrungen bezüglich eines bestimmten Weinstils/Anbaugebiets über viele Jahrgänge verteilt erlangen werde. Dafür sind meine Interessen einfach zu breit gestreut.
Beste Grüße, Stephan
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Bernd Schulz

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragDo 12. Mai 2011, 22:16

Wir Amateure können uns ja glücklicherweise die für uns individuell passenden Wege suchen. Und ich wäre der Letzte, der versuchen würde, auf jemanden, der montags einen Bordeaux, dienstags einen kanadischen Eiswein, mittwochs einen Chianti, donnerstags eine Pinotage und freitags einen Pfälzer Muskateller trinkt, vom hohen Ross herunterzuschauen.
Ich ganz subjektiv werde halt glücklicher, wenn ich mich in einige wenige ausgewählte Themen richtig hineingrabe, indem ich dort möglichst viel Trinkerfahrung sammle, ein Gefühl für lokale Stilunterschiede entwickle, möglichst auch Winzer persönlich besuche und die Landschaft intensiv (nämlich unter anderem auch auf Schusters Rappen) erlebe.

Diese Konzentration auf einzelne Themen ist aber keinesfalls gleichbedeutend mit völliger Scheuklappigkeit in alle anderen Richtungen. Wer nie nach rechts und links schaut, verliert auf Dauer auch das Gefühl für das Geradeausgehen. Immer wieder erlebe ich, dass sich Leute wundern, wenn ich plötzlich auf einer Verkostung von beispielsweise Schweizer Weinen, Loire-Schätzchen oder Spaniern auftauche. Zuletzt ging mir das so auf der Tour de By-Vertikale in Köln: "Was macht du denn gerade hier??" "Tja...."

Langer Rede kurzer Sinn: Wichtig scheint mir, dass man die "Tiefe-Breite-Frage" so handhabt, wie es einem selber am meisten Freude macht! Wenn mich jemand für einen kompletten M-S-R-Rieslingspinner hält, ist mir das wurscht, und umgekehrt habe ich auch keine Lust, mich für diverse *Seitensprünge* fast schon zu entschuldigen. Via Datenbank erhielt ich mal eine Moppernachricht in dem Sinne, ich würde mich ja immer nur mit denselben Weinen derselben Winzer befassen. Abgesehen davon, dass das definitiv nicht stimmt, wäre es ja noch schöner, wenn ich meine individuellen Trinkgewohnheiten nach den Beobachtungen und Vorstellungen anderer User richten müßte/sollte/würde!

Beste Grüße

Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am Do 12. Mai 2011, 22:43, insgesamt 1-mal geändert.
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susa

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragDo 12. Mai 2011, 22:36

Bernd, - wie sagte schon weiland Mario Basler zu Lothar Matthäus "für diese Worte muss ich Dir danken und natürlich auch ein Glas Wein drauf mit Dir trinken!" ;) im Moment übrigens einen 2006er Château Vannières, Bandol, von meiner Seite.

Am liebsten würde wahrscheinlich jeder so breit und gleichzeitig so tief gehen, wie irgend möglich; Beschränkungen sind ganz natürlich - wer kann schon alles wissen, alles getrunken haben, sich überall eingelesen haben, sich überall auskennen wie in seiner Handtasche. Wohl niemand, noch nicht mal ein Robert Parker oder Michael Broadbent (den ich so sehr schätze). Aber wer würde es nicht gerne können?

Auch Wein erfahren hat viel von "ich weiß, dass ich nichts weiß" und wir Amateure sind in der sehr behaglichen Situation, es einfach so gestalten zu können, wie es unsere Lust, Zeit, Geldbörse zulässt.

Von einem Profi erwarte ich nicht mehr und nicht weniger, als dass er das, worüber er schreibt, genau kennt und entsprechend in die Tiefe gegangen ist.

lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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octopussy

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragFr 13. Mai 2011, 15:49

Bernd Schulz hat geschrieben:Ich ganz subjektiv werde halt glücklicher, wenn ich mich in einige wenige ausgewählte Themen richtig hineingrabe, indem ich dort möglichst viel Trinkerfahrung sammle, ein Gefühl für lokale Stilunterschiede entwickle, möglichst auch Winzer persönlich besuche und die Landschaft intensiv (nämlich unter anderem auch auf Schusters Rappen) erlebe.

Das ist ein interessanter Aspekt, über den ich mir schon seit längerem Gedanken mache. Ich sehe das übrigens genauso wie du.

susa hat geschrieben:Am liebsten würde wahrscheinlich jeder so breit und gleichzeitig so tief gehen, wie irgend möglich; Beschränkungen sind ganz natürlich - wer kann schon alles wissen, alles getrunken haben, sich überall eingelesen haben, sich überall auskennen wie in seiner Handtasche. Wohl niemand, noch nicht mal ein Robert Parker oder Michael Broadbent (den ich so sehr schätze). Aber wer würde es nicht gerne können?

Wohl wahr. Wenn Wein doch nur alkoholfrei wäre ;). Insofern ist der gestoppte Riesling nach dem Moscato d'Asti wohl der geeignetste Wein für den Gang in die Tiefe. Davon kann man theoretisch doppelt so viel probieren wie z.B. von Barossa Valley Shiraz :mrgreen:.
Beste Grüße, Stephan
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Charlie

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragFr 13. Mai 2011, 17:07

Selbst natürlich Tiefe auch wenn ich neugierig bin und probiersüchtig. Das hat sogar dazu geführt, dass ich eine Woche lang nur Sherries, Brandys und Scherry-Essige probiert habe. Alles Dinge die mir nicht besonders gut schmecken, also eher interessant sind. Danach hatte ich einen guten Überblick und habe auch recht neutral darüber berichtet.

Die Frage ist aber auch: was erwarten wir von den Profis. Die Antwort ist einfach: möglichst tiefe Breite und breite Tiefe. Warum: weil nur dann ein valides Urteil gefällt werden kann.

Tiefe Breite weil man nicht nur einen Überblick braucht, sondern auch die relevanten Weine aller relevanten Typen kennen muss. Wenn einer viele, aber nur mittelmäßige weisse Burgunder kennt, kann er einfach nicht behaupten, deutsche trockene Rieslinge würden zu den besten trockenen Weissweinen der Welt gehören. Eigentlich kann er nicht mal dem 2007er Riesling GG Wuppertaler Elefantenflug satte 97 Punkte geben. So gesehen, frage ich mich bei den Punkten, die der Falstaff den Smaragden verpasst, ob es Unwissen in obigem Sinn oder Patriotimus ist. Aus mehreren Gründen muss ich Patriotismus annehmen.

Breite Tiefe weil man sich umgekehrt nur dann Moselrieslinge valide beurteilen kann wenn man viele Jahrgänge, Stile, Subregionen und auch Qualitäten kennt.
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Gerald

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragFr 13. Mai 2011, 17:25

So gesehen, frage ich mich bei den Punkten, die der Falstaff den Smaragden verpasst, ob es Unwissen in obigem Sinn oder Patriotimus ist.


zumindest bei den Rotweinen hat ja Peter Moser das einmal - ich glaube sogar schriftlich - erklärt, dass die österreichischen gegenüber z.B. Bordeaux eine andere Bewertungsskala (einige Punkte höher) haben. Nachdem das bei Parker bzw. seinen Mitarbeitern nicht anders ist (Vitiano-Punkte vs. Bordeaux-Punkte ;) ), ist er da in guter Gesellschaft. Offenbar stört es niemanden ?

Grüße,
Gerald
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Weinzelmännchen

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragFr 13. Mai 2011, 19:11

Ich bin immer neugierig, wobei hier die Betonung auf gierig liegt. Was nutzt mir das, bei der Beantwortung der Frage nach Tiefe oder Breite. Leider wenig.

Immer wenn ich einen Wein aus einer Region sehe, die ich nicht kenne, muss ich kosten. Immer wenn ich einen (neuen) Wein aus einer Region sehe, die ich gut kenne, muss ich kosten. So werde ich mich nie zwischen Tiefe und Breite entscheiden können :evil: :evil: :evil: ! Schei..e auch!!

Aber Spass beiseite. Breite ist für mich wichtig, um den Überblick zu haben, grobe Unterschiede feststellen zu können und auch unterschiedliche Vinifikationstraditionen einzelner Regionen. Tiefe ist für mich wichtig, um Terroirunterschiede innerhalb einer Region beurteilen zu können, ebenso Jahrgangsunterschiede und die Feinheiten in der Vinifikation einzelner Erzeuger. Während ich das so schreibe, fällt mir das Begriffspaar Nationalökonomie versus Betriebswirtschaftslehre ein. Beides ist meiner Überzeugung nach wichtig.
MvG
(Mit vinophilen Grüssen)

Daniel
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Bernd Schulz

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragFr 13. Mai 2011, 20:04

Ja, aber weder Nationalökomie noch Betriebswirschaftslehre enthalten Alkohol... :mrgreen:

Ich würde gerne jeden Abend erst einen BDX, dann einen Burgunder, danach was aus weniger bekannten Gefilden und schließlich ein Fläschchen Mosel trinken, fürchte aber, dass mir das auf Dauer nicht gut bekommen würde. Der Mensch hat nur eine Leber, der Tag hat nur vierundzwanzig Stunden, der Abend noch viel weniger - und dauernd steht man mit dem Korkenzieher in der Hand vor einer Entscheidung...

Breite Tiefe weil man sich umgekehrt nur dann Moselrieslinge valide beurteilen kann wenn man viele Jahrgänge, Stile, Subregionen und auch Qualitäten kennt.


Charlie, willst du damit sagen, dass man sich auch beim Portwein auskennen muss, wenn man Mittelrheinrieslinge "valide" beurteilen will? In diesem Fall wäre ich nicht ganz deiner Meinung.

Nach wie vor denke ich, dass selbst für Profis eine gewisse Spezialisierung unerlässlich ist. Das zeigt auch die Realität; Parker greift nicht ohne Grund auf Leute wie Schildknecht oder Galloni zurück, wenn es um bestimmte Gebiete geht. Und umgekehrt sind die Kritiker, die glauben, sie könnten auf allen Hochzeiten gleich gut tanzen, in meinen Augen nicht die vertrauenswürdigsten. Der Wein-Plus-Führer z.b. wurde in dem Moment zur Lachnummer, als man in Erlangen meinte, auch französische, griechische, slowenische, türkische und was weiß ich noch für Weine bewerten zu müssen.

Beste Grüße

Bernd
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Charlie

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Re: Weinerfahrung in die Tiefe oder in die Breite?

BeitragMo 16. Mai 2011, 14:42

Bernd Schulz hat geschrieben:
Breite Tiefe weil man sich umgekehrt nur dann Moselrieslinge valide beurteilen kann wenn man viele Jahrgänge, Stile, Subregionen und auch Qualitäten kennt.

Charlie, willst du damit sagen, dass man sich auch beim Portwein auskennen muss, wenn man Mittelrheinrieslinge "valide" beurteilen will? In diesem Fall wäre ich nicht ganz deiner Meinung.
Nein, Portwein nicht, aber Sherry :D
Im Ernst: nein, das wollte ich nicht gesagt haben. Sondern: um eine Wehlener Sonnenuhr Spätlese 2007 von Weins-Prüm valide beurteilen zu können, reicht es nicht, wenn man die 10 Spätlesen 2007 der 5 Spitzen-Winzer von der Mittelmosel kennt. Man muss auch das Qualitätssegment darunter kennen, ältere Jahrgänge, fettere Stile, süßere Stile, trocknere Stile, Spätlesen von Saar, Ruwer und Terrassenmosel.
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