Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 20:00


Punkte und Prädikate

Sterne, Punkte, Trauben - oder Obstkörbe
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8120
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 20:32

Bernd Schulz hat geschrieben:Von den süßen Sachen geht wahrscheinlich ziemlich viel ins Ausland. Aber natürlich beileibe nicht alles.
...nur eine unrepräsentative Wahrnehmung von mir, aber die weit überwiegende Mehrheit der weniger ambitionierten Weintrinker um mich herum mag's doch gerne etwas süßer...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4271
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 21:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 20:40

UlliB hat geschrieben:Ach ja, und um Karsten ein wenig Wasser auf seine Mühlen zu geben: in Rheinhessen sind auch heute noch 53% aller produzierten Qualitätsweine halbtrocken oder lieblich/süß, weniger als die Hälfte ist (legistisch) trocken (und vermutlich weniger als ein Zehntel richtig trocken). Da wird zu großen Teilen immer noch das produziert, was man schon immer da produziert hat. Aber wer auf Keller, Wittmann, Wagner-Stempel und Konsorten fokussiert, sieht das nicht (und muss es ja auch nicht sehen). Nur hat es eben keine flächendeckende Qualitätsrevolution gegeben.
Jippieh! :mrgreen:
Besten Gruß, Karsten
Offline

Blaufränkisch

  • Beiträge: 135
  • Registriert: Mi 6. Mär 2013, 19:12

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 20:51

EThC hat geschrieben:...in Österreich! Da gibt's dann allerdings kein Kabinett, dafür noch Strohwein und Ausbruch. :geek:


Nachdem wir das deutsche Weingesetz abgeschrieben haben gibt es natürlich auch bei uns in Österreich den Kabinett. Er hat zwar nicht die historische Bedeutung wie in Deutschland (und ist auch eine Sonderform des Qualitätsweines, kein Prädikatswein), der Begriff wurde aber doch eine Zeit lang verwendet, vor allem um "nicht aufgebessert" zu signalisieren. Seit einigen Jahren aber ist der Begriff in der Praxis tot und findet sich nur mehr sehr selten auf Etiketten.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass die Frage der Aufbesserung bzw. Nicht-Aufbesserung keinen Verkaufs-Vorteil mehr bietet (wohl auch weil die meisten Konsumenten annehmen, gute Winzer würden sowieso nie aufbessern :mrgreen: ).

Im Übrigen werden bei uns die Prädikate seit längerer Zeit in der Praxis nur mehr für Süßweine verwendet, u.a. weil es keine Hilfe war, eine Spätlese - mit dem "Vorteil" nicht aufgebessert - trocken vermarkten zu wollen, sondern unnötigen Erklärungsbedarf hervorgerufen hat, weil die Konsumentenerwartung bei Spätlese süß ist. Deshalb laufen diese Weine heute als - theoretisch und manchmal auch praktisch aufgebesserte - Qualitätsweine.

Ausbruch gibt es übrigens nicht mehr als Prädikatsweinkategorie, sondern ausschließlich als Herkunftswein für Rust (Ruster Ausbruch DAC).
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4271
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 21:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 21:07

Schön, eine Winzermeinung zu dem Thema zu lesen!
Blaufränkisch hat geschrieben:Im Übrigen werden bei uns die Prädikate seit längerer Zeit in der Praxis nur mehr für Süßweine verwendet [...], weil die Konsumentenerwartung bei Spätlese süß ist.
Ich behaupte ja, daß das mit der Konsumentenerwartung in Deutschland genauso ist. Nur das Beharrungsvermögen scheint hier größer zu sein.
Besten Gruß, Karsten
Offline

Bernd Schulz

  • Beiträge: 6518
  • Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 21:17

EThC hat geschrieben:...nur eine unrepräsentative Wahrnehmung von mir, aber die weit überwiegende Mehrheit der weniger ambitionierten Weintrinker um mich herum mag's doch gerne etwas süßer...


Das kann ich im Hinblick auf mein Umfeld nur bedingt bestätigen. Etwas süßer darf es gerne sein, bevorzugt werden so 6 -9 Gramm Restzucker pro Liter. Denn unter allen Umständen muss "trocken" auf dem Etikett stehen; "man" trinkt nach wie vor keinen restsüßen Wein, pfui Deibel! Das zieht sich durch meinen gesamten weniger weinverrückten Freundes- und Bekanntenkreis.

Herzliche Grüße

Bernd
Offline
Benutzeravatar

Der Wein-Schwede

  • Beiträge: 582
  • Registriert: Sa 12. Mai 2018, 11:28

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 22:11

Bernd Schulz hat geschrieben:
Das kann ich im Hinblick auf mein Umfeld nur bedingt bestätigen. Etwas süßer darf es gerne sein, bevorzugt werden so 6 -9 Gramm Restzucker pro Liter. Denn unter allen Umständen muss "trocken" auf dem Etikett stehen; "man" trinkt nach wie vor keinen restsüßen Wein, pfui Deibel! Das zieht sich durch meinen gesamten weniger weinverrückten Freundes- und Bekanntenkreis.

Herzliche Grüße

Bernd


Ich lerne hier immer wieder neue Wörter auf Deutsch - vielen Dank! :o :lol:

Aber ich stimme zu - "pfui Deibel" für restsüsse Weine! :mrgreen:
Offline

Bernd Schulz

  • Beiträge: 6518
  • Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 8. Jul 2021, 22:46

Der Wein-Schwede hat geschrieben:Aber ich stimme zu - "pfui Deibel" für restsüsse Weine!


Rolf, du bist ja wenigstens konsequent, indem du wirklich trockene Weine bevorzugst...

Ich kenne Leute, die grundsätzlich keinen Weißwein oder keinen Rotwein trinken. Einer meiner Bekannten, der ziemlich regelmäßig (aber mäßig ;) ) Wein konsumiert, lehnt italienische Produkte kategorisch ab. Er behauptet allen Ernstes, dass er von jedem italienischen Wein Kopfschmerzen bekommt.

Auch ich selber gehörte mal über eine gewisse Zeit zu der Fraktion der eingeschworenen Trockendogmatiker. Lang, lang (über 20 Jahre) ist das her - inzwischen sind bei mir alle selbstgesteckten Grenzpfähle gefallen. Mit Freude trinke ich - solange die Qualität stimmt - Rotwein, Weißwein, Sekt, Champagner, knochentrockenen Wein, halbtrockenen Wein, restsüße Kabinette, edelsüße Auslesen, französischen Wein, österreichischen Wein, slowenischen Wein, portugiesischen Wein, Riesling, Silvaner, Weißburgunder, Muskateller, Huxelrebe, Müller-Thurgau, Spätburgunder, Tempranillo, Syrah, Pinotage, Agiorgitiko, Nebbiolo....und so weiter und so fort.....ja, manchmal mag ich sogar einen Rosé :mrgreen: recht gerne!

Hermann Hesse hat einmal geschrieben, dass jede Beschränkung beglückt. Diesen Satz unterschreibe ich in mancherlei Hinsicht, aber beim Wein trifft er auf mich definitiv nicht zu. :lol:

Herzliche Grüße

Bernd
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8120
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Punkte und Prädikate

BeitragFr 9. Jul 2021, 08:45

Bernd Schulz hat geschrieben:Das kann ich im Hinblick auf mein Umfeld nur bedingt bestätigen. Etwas süßer darf es gerne sein, bevorzugt werden so 6 -9 Gramm Restzucker pro Liter. Denn unter allen Umständen muss "trocken" auf dem Etikett stehen; "man" trinkt nach wie vor keinen restsüßen Wein, pfui Deibel! Das zieht sich durch meinen gesamten weniger weinverrückten Freundes- und Bekanntenkreis.
...möglicherweise gibt es auch da gewisse regionale Unterschiede, solche Vorlieben bzw. Abneigungen ergeben sich ja auch häufig aus einer gewissen Gruppendynamik heraus. Hier ist es "gefühlt" den weniger weinaffinen Leuten auch Wurscht, was genau auf dem Etikett drauf steht, Hauptsache es sieht schön aus und so schmissige Namen wie "Herz & Seele" kommen generell auch gut an... ;)

Was mich angeht, so kann ich Rolfs Furztrockenvorliebe gut nachvollziehen, denn auch ich bin bei den Süßeeindrücken recht heikel. Alles was für mich nach "freiem Zucker" schmeckt, geht gar nicht, egal ob's nun trocken, halbtrocken oder gar eine TBA ist. Solange es sich um andere Süßeeindrücke handelt, die an der Zuckeranmutung vorbeigehen, kann das für mich aber auch recht animierend sein. Aber sowas schaffen im halbtrockenen bis lieblichen Bereich nur ganz ganz wenige Winzer bzw. Weine. Und die beste aller Frauen ist da noch empfindlicher als ich, dementsprechend wenig Zeugs dieser Art findet sich in meinem Keller...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Offline

mixalhs

  • Beiträge: 1745
  • Bilder: 0
  • Registriert: Mi 7. Sep 2011, 10:29

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 31. Aug 2023, 20:22

Im Fritz-Haag-Faden findet aktuell eine Diskussion zu einem Thema statt, das mich als Akteur in diesem Forum seit einger Zeit auch beschäftigt, zumal ich bis vor zwei/drei Jahren die hohen Punktewertungen einiger Mitglieder durchaus als Kaufempfehlungen aufgefasst habe und dabei einige Male auf die Nase gefallen bin.

Als Apropos zitiere ich mal jessesmaria

Ich finde die in den sozialen Medien (egal ob Foren oder Facebook-Weingruppen) etablierten Bewertungssysteme auch recht gewöhnungsbedürftig. Man kann ja die inflationären Bewertungen der Kritiker, allen voran Lobenberg, Gerstl & co., kritisieren, aber das (vielleicht in bewusster Abgrenzung?) gegenteilige Vorgehen wirft auch Fragen auf: von 100 Punkten habe ich sowieso noch nie etwas gelesen, aber selbst 97-99 Punkte bilden anscheinend einen Bereich des Utopischen, der in der Realität nie erreicht wird. Das suggeriert, als gebe es den 100-Punkte-Wein gleichsam wie den Stein der Weisen als eine Art mystisches Ideal, das jeder kennt und zugleich niemand. Oder aber es ist einfach eine Art selbstgefällige Strenge, die stets daran erinnert, dass den eigenen hohen Ansprüchen selbst der augenblicklich perfekte Wein niemals uneingeschränkt gerecht wird und es stets noch Luft nach oben gibt – so etwa wie bei besonders strengen Pädagogen, die nur oder wenn überhaupt Bestnoten verteilen, wenn der Schüler besser ist als sie (sozusagen die eigene Aufwertung durch die Abwertung des Gegenübers.

Das hat aber jetzt überhaupt nichts mit Bernd persönlich zu tun, dessen Verkostungsnotizen ich immer sehr informativ und hilfreich finde (außerdem habe ich mich längst an das Punktesystem gewöhnt), sondern betrifft wie anfangs erwähnt eigentlich sämtliche Amateurkritiker hier im Forum, auf Facebook etc., die Punkte vergeben


Dass Lobenberg und Gerstl keine Kritiker sind, sondern Menschen, die ihre Weine verkaufen wollen, ist eigentlich klar. Alles, was einigermaßen genießbar ist, muss mindestens 90 Punkte haben. Und Luca Maroni sollte man ebenso wenig erst nehmen. Ernst nehme ich dagegen das ursprüngliche 100-Punkte-System à la Robert Parker, nach dem Weine, die mehr als 80 Punkte haben, überdurchschnittlich bis sehr gut sind. In unserem Forum werde ich jedoch gelegentlich mit Verrissen konfrontiert, bei denen dann am Ende 86 Punkte auf dem Zettel stehen. Und das sind keine 30-, 50- oder 100-€-Weine.

Für mich persönlich habe ich eine Art Gebrauchsanweisung geschaffen, die ich nutze, um die verschiedenen 100-Punkte-Skalen, die im Umlauf sind, miteinander kompatibel zu machen. Ich muss gestehen, dass ich mich selbst bisweilen dabei erwische, etwas üppig oder großzügig zu bewerten, und dass ich mich mit meinen Punkten dann etwas zurückhalten sollte. Aber wenn ich die Skala mal so ausrichte, dass meine eigenen Wertungen auf Null normiert sind, so komme ich in etwa auf folgendes Schema:

Falstaff +3 bis +4
Bernd Schulz +3 bis +4
mixalhs 0
Marcus Hofschuster (wein-plus) -1 bis -2
charlie -2 bis -3

Das hat nichts mit "richtig" oder "falsch" zu tun, sondern mit unterschiedlichen Interpretationen der 100-Punkte-Skala. Der ursprünglichen Parkerskala am nächsten kommt in meiner Wahrnehmung wohl Marcus Hofschuster, ich selbst liege im Durchschnitt etwas darüber. Bei EThC, der eine 25er Wertung benutzt, die man seinen Angaben zufolge, grob interpoliert, nach der Formel 50+2x in die 100er-Skala umrechnen kann, komme ich auf +1 bis +2. Die Bewertungen von Lobenberg, Gerstl und Maroni nehme ich nicht ernst; daher tauchen sie hier nicht auf.

In meinen eigenen VKNen bin ich in seltenen Ausnahmefällen bis 98 oder 99 gegangen (bei 8 von ca. 4800 Weinen in 16 Jahren), Die magische 100 habe ich noch nie vergeben, aber bisher hatte ich auch noch nicht die Möglichkeit, die echten Jahrhundertweine wie Yquem 1921, Cheval Blanc 1947 oder Weine der DRC aus guten Jahren probieren zu können. Für einen dieser utopischen Fälle bewahre ich mir die 100 Punkte auf - im Bewusstsein, dass ich diese Note wohl nie ziehen werde. Einladungen zu solchen Weinproben nehme ich natürlich gern an .....
Zuletzt geändert von mixalhs am Do 31. Aug 2023, 21:05, insgesamt 3-mal geändert.
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8120
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Punkte und Prädikate

BeitragDo 31. Aug 2023, 20:43

mixalhs hat geschrieben:Bei EThC, der eine 25er Wertung benutzt, die man seinen Angaben zufolge, grob interpoliert, nach der Formel 50+2x in die 100er-Skala umrechnen kann, komme ich auf +1 bis +2.
...echt? Das hab ich gesagt bzw. geschrieben :?: :oops:
Wie auch immer, so einfach gestaltet sich die Umrechnung nicht, eigentlich gibt es auch keine verläßliche Formel dafür, weil meine Bewertungskriterien auch ganz anders gestrickt sind als die der üblichen Skalen. Das fängt schon damit an, daß ich ja auch eine Nachkaufkomponente -die in sich auch eine preisliche Abwägung enthält- verwende, die in anderen Skalen überhaupt keine Bedeutung hat. Aber wenn Du mit der Umrechnerei zurande kommst, soll's mir recht sein... :D
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
VorherigeNächste

Zurück zu Bewertungssysteme und Weinbeschreibungen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen