Luca Maroni

Ich schätze, beim Wein ist es ähnlich. Ich vermute, "einen Bordeaux Grand Cru so zu vinifizieren, dass er nach 5 bis 10 Jahren gleichen Genuss bietet wie er es heute erst nach 15 oder 25 Jahren tut", geht einfach nicht. Aber vielleicht werden wir eines Tages eines Besseren belehrt!

...klar geht das! Man analysiert alle Bestandteile eines speziellen Weins und mixt dann einfach alle ermittelten Zutaten zusammen, et voila! Zumindest gibt es solche Bestrebungen in Amiland, zukünftig Wein auf diese Weise herzustellen, hat dann halt nichts mehr mit traditionellen Vinifizierungsmethoden zu tun...

ob er seine 99 Punkte-Weine wirklich lieber trinkt als die, die ihm zufolge für "Kenner und Weinprofis gedacht" sind

...ich hab mal einen probieren dürfen, das war kein Spaß! Und irgendwie fehlt mir der Glaube, daß sowas bei "Otto Normalverbraucher" als der Hyper-Mega-Wein angesehen wird, die Punkte legen sowas ja nahe. Mag sein, daß das Zeug auch seine Liebhaber findet, aber ob die dann gleich "best ever"-Gedanken haben?

Nee, nee, für mich ist und bleibt LM glatter Humbug!

Ist nicht Zeit ein ganz wesentlicher, vielleicht manchmal der wesentlichste Faktor? So ist es etwa bei Brot, das mit wenig Hefen lange gehen muss, um einen komplexen Geschmack zu erlangen. Natürlich wird dieser Prozess aus Bequemlichkeit und wirtschaftlichen Gründen in geschätzt 95% der Fälle auf ein Minimum verkürzt, aber das kann nicht kompensiert werden. Zwar helfen Zusatzstoffe, dass das Brot oberflächlich auch in kurzer Zeit gelingt und optisch ansprechend wird, aber es bietet niemals den gleichen Genuss.

Bei dem Produkt, welches ich selber herstelle und verkaufe, verhält es sich auf jeden Fall so, dass im Hinblick auf die schlussendliche Qualität der Faktor Zeit eine sehr große (von diversen Kunden leider unterschätzte) Rolle spielt. Allerdings geht es da wie beim Brot um die Zeit, welche die Herstellung benötigt - und nicht um eine im Vergleich viel höhere Zeitspanne der möglichen/erforderlichen Lagerung. Zwischen der Zeit, die zur Fertigstellung (unter anderem auch eines Weines) benötigt wird, und der Zeit, die bis zur optimalen Reife nötig ist, würde ich erst mal differenzieren wollen....

(Soweit die traditionell bürgerliche Perspektive. Welchem Punktesystem (oder ob überhaupt) man folgt, wäre soziologisch gesehen eben vor allem Ausdruck und Distinktion der gesellschaftlichen Klasse.)

Nö, allgemein (und damit auch soziologisch gesehen ) ist es vor allem Ausdruck der individuellen Vorlieben, welchem Punktesystem man folgt. Mit der "gesellschaftlichen Klasse" (ich frage mich gerade, welcher Klasse ich zugehörig sein könnte ) hat das meiner Auffassung nach wenig bis nichts zu tun.

Ich bitte darum, meine allgemeinen Zwischenrufe zu entschuldigen! Zu Maronis Eigenschaften als Kritiker habe ich mangels jedweder Kompentenz in puncto Italien keine vernünftige Meinung.....

Herzliche Grüße

Bernd

Ich habe mir 99 Punkte Maroni Primitivo bestellt, da oftmals der Besuch solche Weine toll findet. Auf den ersten Schluck waren die Weine z.Teil nicht schlecht aber nach spätestens dem ersten Gals hatte ich die Pappen satt.
Das waren schon brachiale Weine, die so zugknallt mit Schoko , Holz und Süsse sind, das einem die Geschmacksknospen amok laufen.
Aber dem Besuch schmeckt es und somit hat der Wein und seine Punkte seine Berechtigung.
Sein Bewertungssystem für Weintrinker, die sich vielleicht nicht so mit der Materie beschäftigen wie unsereins, ist dieses ein guter Anhaltspunkt.

Sein Bewertungssystem für Weintrinker, die sich vielleicht nicht so mit der Materie beschäftigen wie unsereins, ist dieses ein guter Anhaltspunkt.

...das würde ich jetzt mal stark bezweifeln wollen! Bei den nicht so weinaffinen Leuten aus meiner Umgebung würde so ein Wein mit Pauken und Trompeten durchfallen. Und wenn nach LM's Meinung sowas Plakatives die Crème de la crème ist (Höchstpunktzahl!), na dann gute Nacht!

Guckst du hier:

https://vvwine.ch/2020/06/2x-xxl-hits-van-velsen/

Viele Grüße
Bernhard

Bernhard, danke für den Link ... ich darf mal für Erich aus dem Artikel zitieren ...

Aber, und jetzt kommt es: Wir haben alle Flaschen hinterher unseren Nachbarn verteilt und ihr Feedback war einheitlich positiv. Alle haben sich sehr über die Flaschen gefreut und uns mitgeteilt, dass die Weine bestens gemundet haben. Ok, der Hinweis, dass es etwas süss war ist immerhin zwei Mal erwähnt worden. Trotzdem schien es den Leuten zu schmecken. Da bleibt wohl nur noch so viel zu sagen: De Gustibus non est disputandum (oder doch?).

Erich, es gibt Weinkonsumenten, denen LM-Punkte tatsächlich eine Hilfe sind

LM-Punkte sind für alle erfahreneren Weintrinker hier doch eher eine Warnung als ein Gütesiegel, wobei ich gerne explizit Rotwein meine. Bei Weiss finde ich es wie schon gesagt nicht "sooo Schlimm" ...

Wir haben alle Flaschen hinterher unseren Nachbarn verteilt und ihr Feedback war einheitlich positiv.

...wahrscheinlich hab ich dann die falschen Nachbarn...

Erich, es gibt Weinkonsumenten, denen LM-Punkte tatsächlich eine Hilfe sind

...das wird ganz sicher so sein, dennoch ist es aus meiner Sicht unlauter, hier durch Verwendung des fast identischen Zahlenraums verglichen mit dem etablierten Hundertersystem eine Qualität vorzugaukeln, die es so gar nicht gibt. Soll er doch jeweils max. 11 Zucker-, Saft- und Wummspunkte geben -also insgesamt max. 33- dann wäre klar, daß da eine komplett andere Suppe gekocht wird...

Ich glaube sofort, dass viele diese LM 99 Punkte Weine erstmal gut finden. Am Anfang meines intensiveren Trinkens bin ich ja manchmal auch von so etwas beeindruckt gewesen (ich erinnere den Stump Jump, 92 PP oder so), bis ich ein paar mal systematisch diverse Weine zusammen auf "Flasche leer"verkostet habe. Danach war das für mich erledigt. Und wenn ich gemeinsam mit weniger weinaffinen Freunden trinke dann sehen sie das im direkten Vergleich fast immer so wie ich.

Ich würde also behaupten, dass LM Punkte viele Verbraucher zu eher minderwertigen, vordergründig attraktiven, meist hochkommerziellen Produkten lotsen, die sie nicht direkt als solche erkennen. Bei direktem Vergleich trennt aber fast immer auch der ungeschulteste Gaumen das Gute vom Mäßigen. Mit ganz wenigen Ausnahmen trinken auch meine Studenten mehr als gerne das richtig gute Zeug bei mir und sind sich sehr schnell im Klaren warum das teurere Weine sind. Und das sagen die nicht einfach nur um mich nicht zu enttäuschen, denn sie kaufen sich oft dann auch selber eine Flasche.

Mir war Luca Maroni völlig unbekannt, bis mir ein gutmeinender Mensch zu Weihnachten den 99 Punkte-Wein „Commendator Enrico“, Toscana 2015 schenkte und ich nach kurzer Recherche herausfand, dass ich meine Erwartungen nicht zu hoch schrauben sollte. Dank dieses threads bin ich neugieriger geworden.

Bei direktem Vergleich trennt aber fast immer auch der ungeschulteste Gaumen das Gute vom Mäßigen.

Sowas beobachte ich zwar auch. Bedenke ich aber, was ich früher toll fand….Womöglich fußen Maronis Bewertungen auf einer objektiven und relevanten Grundlage. Dem Geschmack von Menschen in einer bestimmten Phase ihrer Weinerfahrung (eventuell der einzigen), die keine Lobby haben. Auf Menschen wie mich vor vielen Jahren. Wer hauptsächlich leichte Popmusik oder unterhaltende Krimis mag, findet im Feuilleton der FAZ z.b. selten etwas zu seinem Thema, sondern sucht seine Infos woanders. Eventuell nutzt Maroni aus, dass es in der klassischen Weinkritik zu wenig „woanders“ gibt.
Interessant: Hätte ich damals geahnt, dass sich meine Vorlieben in der Zukunft fundamental verändern werden? Ich glaube, ich hätte an meinem damaligen "Niveau" nicht gezweifelt, bzw. war mir die Frage egal. Mein Geschmack war so wahrhaftig wie möglicherweise Maronis Bewertungen.

Gruß, Kle

Wenn einer behauptet, dass Weine, die eine lange Reifezeit benötigen, fehlerhaft seien, sollte man diesen Herrn nicht allzu ernst nehmen.

Er verdient nicht mal einen Thread, schon gar nicht in einem Weinforum.

Gruss
Georg