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Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

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Rieslunder

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Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragSo 7. Dez 2014, 00:34

Hallo zusammen,

ich habe mir zuletzt erstmals eine Reihe Weine aus 2013 (Geburtsjahr unseres ersten Kindes) explizit zum Einlagern gekauft. Zu den Weinen trage ich die verfügbaren Informationen zusammen, hinterlege sie in der Kellerverwaltung und hoffe so später zu gegebenem Anlass (Einschulung, etc...) den richtigen und vor allen Dingen noch trinkbaren Wein zu finden.

Hierbei ist mir aufgefallen dass verschiedene Kritiker drastisch unterschiedliche Vorstellungen vom Fenster der Trinkreife haben, einige Beispiele:

Dönnhoff Hermannshohle Riesling GG 2013
John Gilman 2020 - 2060
Jancis Robinson 2014 - 2021

Emrich-Schönleber Halenberg Riesling GG 2013
John Gilman 2018 - 2050
Jancis Robinson 2014 - 2023
Wein+ 2018 - 2025+

Keller Hubacker Riesling GG 2013
John Gilman 2023 - 2065
Jancis Robinson 2015 - 2023

Karthäuserhof Riesling Spätlese 2013
Mosel Fine Wines 2021 - 2033
Jancis Robinson 2014 - 2021
Wein+ 2015 - 2020+

Ähnlich sieht das für weitere GG aus, wo bei Jancis Robinson und vielleicht WeinPlus Anfang/Mitte der 2020er Jahre das Trinkfenster endet, legen John Gilman, Mosel Fines Wines, der Herr Lobenberg und PdP erst los.
Ich verstehe bei letzteren beiden dass es neben einer Punkteinflation auch zu überzogenen Trinkzeiträumen kann kann, bei Gilman kann ich die Obergrenze aber halbieren und komme JR noch kaum nahe.
Ich habe auch einige Kabinette gekauft (Karthäusehof, Adam, Diel), das Bild sieht ähnlich aus.

Woher kommen diese Schwankungen, haben die Kritiker unterschiedliche Definitionen von Trinkbarkeit?
Wie sind eure Erfahrungen mit trockenen Spät- und Auslesen / Großen Gewächsen jenseits von 10 Jahren?

Habe bis dato auch Kesseler Rüdesheimer Berg, Keller Kirchspiel, Karthäuserhof, Battenfeld-Spanier Am Schwarzen Herrgot, Kühling-Gillot Pettenthal, Weil Gräfenberg, Wittman Morstein und Schäfer-Fröhlich Felseneck jeweils 2013er GG eingelagert. Was hat davon evtl. Potential auch 18 Jahre durchzuhalten?

Primär geht es mir hier um die Trinkfenster der Kritiker, wenn ihr den Thread woanders besser aufgehoben seht, bitte verschieben :)

Danke!
Cheers,
Martin
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NoTrollingerPlease

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragSo 7. Dez 2014, 08:44

Hallo Martin,

Du stellst da eine Frage, die mich auch immer wieder bewegt. Meine Meinung dazu:
- wirkliche Erfahrung mit der Lagerfähigkeit mit GG hat niemand so wirklich, aber die "10 years after" Proben zeigen, das 10+ Jahre überhaupt kein Problem sind. Meine Erfahrung mit trockenen Auslesen gehen auch in diese Richtung.
- Ich mag JR Bewertungen, halte Ihre Trinkempfehlungen aber für falsch. Viele GG brauchen IMHO mind. 4-7 Jahre an Reife.
- bzgl. Trinkbeginn bin ich eher bei JG, ob aber die Weine in 20-40 Jahren noch Spass machen....?
- Wie immer ist das eine Frage der Lagerung: bei perfekter kühler Lagerung kann sich das Fenster locker um 5-10 Jahre verschieben. Ich hatte bereits mehrere Erfahrungen, wo die alten GG direkt aus dem Keller des Winzers schmeckten, als wären es Weine von 2012.

Insofern bin ich optimistisch, dass Du bei Einschulung und Schulabschluß deiner Kinder tolle, perfekt gereifte Weine haben wirst. Ob sie noch bis zum Studienabschluß halten ist wahrscheinlich, aber nicht mehr sicher :D

VG
Dirk
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Gerald

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMo 8. Dez 2014, 12:54

Ich glaube, da spielen mehrere Gründe mit, warum es zu derart unterschiedlichen Empfehlungen kommt.

Einerseits macht es sicherlich einen Unterschied, ob ein gereifter Wein einem "Normaltrinker" schmecken soll oder einem ausgewiesenen Altwein-Freak. Wenn der Kritiker sich vor allem an erstere richtet, wird der empfohlene Trinkzeitraum wohl sehr viel kürzer.

Und zweitens ist mir schon öfters aufgefallen, dass manche Weinkritiker eine sehr starke Korrelation zwischen dem Eindruck zum Zeitpunkt der Verkostung (meist als Jungwein) und der Lagerfähigkeit sehen. Also je mehr Punkte bei der Primeurverkostung, um so länger haltbar. Das scheint mir persönlich eine ziemlich gewagte Theorie zu sein ...

Meiner Ansicht nach sind solche Trinkfensterangaben - vor allem, wenn sie sich aus einer einzigen Verkostung ergeben (also nicht mehrfaches Probieren über einige Tage) - vergleichbar mit langfristigen Wetterprognosen. Also reine Spekulation ohne irgendwelchen Hintergrund :?

Grüße,
Gerald
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Charlie

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMo 8. Dez 2014, 13:15

Martin,
du stellt eigentlich 2 ganz unterschiedliche Fragen:
1. wie meinen das die Kritiker mit dem Trinkfenster?
2. Welche Rieslinge von 2013 sind wohl in 6 und in 18 Jahren ein Genuss?

1. wie meinen das die Kritiker mit dem Trinkfenster?
Offensichtlich sehr unterschiedlich und ohne Erklärung wie sie es meinen, machen sie wenig Sinn. Markus Hofschuster von W+ hat die Frage schon oft beantwortet. Er denke nicht an den echten Altweinfreak. John Gilman scheint dagegen an Gerontophile zu denken. Denn ich kenne keinen trockenen Riesling der mir nach 50 Jahren geschmeckt hätte. Das wäre jetzt ein 1964er! OK, von 64 habe ich überhaupt keinen Wein getrunken, der damals trocken gewesen wäre. Und auch bei den süßen sind nur noch die tollen gut (dafür aber sehr!).

2. Welche Rieslinge von 2013 sind wohl in 6 und in 18 Jahren ein Genuss?
Schwierig, bei einem so sauren Jahr. Ich habe wenig von 2013 probiert und von dem wenigen könnte ich leider nichts empfehlen.
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Rieslunder

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 01:18

Danke für eure Antworten.

So gern ich es auch hätte, ich gebe mich nicht den Gilman'schen Langlebigkeitsphantasien hin.
Ich fände es aber auch schade, wenn viele der deutschen trockenen Premiumweine kaum 7-10 Jahre überstehen würden (JR), gute Lagerung vorausgesetzt. Notiert habe ich erstmal alle verfügbaren Informationen. "Haben ist besser als brauchen".

Ich trinke noch nicht lange Wein, es fehlt demnach an eigener Erfahrung. Da müssen dann Einschätzungen von Kritikern, einzelne Verkostungsnotizen hier, 10 years after Verkostungen, CellarTracker und Blogs etc herhalten um eine Meinung zu bilden.

Sicher lässt sich die Frage nach der Trinkreifefenstern nicht abschließend klären, ohne die Anforderungen der Kritiker an einen gut trinkbaren Wein zu kennen (Gilman, platter Wein aber noch kein Essig? -> 2050?).
Ich vermute als Kritiker müsste man auch die Handschrift des Weinguts und natürlich die Entwicklung früherer Jahrgänge des gleichen oder vergleichbarer Weine usw. kennen, um die Zukunft junger Weine prognostizieren zu können.

Allein aus den Punkten, oft erschmeckt im August des auf die Lese folgenden Jahres, auf die Langlebigkeit zu schließen, da macht man es sich sicherlich ein bisschen zu einfach.

Ich wollte mir vor dem nächsten Sommer einen großen Weinkühlschrank anschaffen, bin daher um die derzeitigen und zukünftigen Lagerbedingungen nicht allzu besorgt und tatsächlich eher an den prognostizierten Lebenspannen der Weine interessiert. Da verwirren mich derzeit die arg gegensätzlichen Angaben eher als dass sie helfen...

edit:

Charli, wo du bei alten Jahrgängen bist, derzeit ist ja viel von 1971 die Rede und die Flaschen auch alles andere als Preiswert. Wie wurde das Jahr vor 10 oder 20 Jahren, oder gar in 1972 wahrgenommen, gibts dazu noch Informationen? Gabs damals schon Weinführer?

Lobenberg und PdP schreiben natürlich dass der derzeitige Jahrgang (in der Spitze, trotz oder wegen einiger Unterschiede zum ohnehin schon gran_di_o_sen 2012er) doch noch eine Spur besser ist. Können kräftige Säure und hohe Extrakte Wein über lange Strecken tragen? Was macht einen langlebigen trockenen Weißwein aus?

Fragen über Fragen und die meisten nicht dicht am Kernthema, sorry :-/
Cheers,
Martin
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Gerald

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 08:07

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist der Unterschied zwischen Blind- und offener Verkostung. Bei der Blindverkostung kann der Kritiker nur den aktuellen Eindruck bewerten und versuchen, daraus eine Zukunftprognose zu erstellen. Bei offenen Verkostungen hingegen könnte er frühere Erfahrungen mit dem Wein/Weingut mit einfließen lassen, also z.B. wenn sich ein Wein über viele Jahrgänge als besonders langlebig erwiesen hat.

Bei letzterer kann es aber wieder vorkommen, dass ein Weingut den Stil der Weine irgendwann geändert hat (z.B. Übergabe an den Junior oder einfach, um sich besser an die Konsumentenerwartungen bzw. Vorlieben wichtiger Kritiker wie Parker anzupassen), dann stimmt der Zusammenhang wieder nicht mehr. Oder ein bestimmer Stil ist noch gar nicht so lange am Markt, so dass echte Langzeiterfahrungen fehlen. Das dürfte - wenn ich richtig informiert bin - auf die deutschen GGs zutreffen. Dann wird es wohl zum reinen Ratespiel ...

Grüße,
Gerald
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Bernd Schulz

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 08:23

....Bei offenen Verkostungen hingegen könnte er frühere Erfahrungen mit dem Wein/Weingut mit einfließen lassen, also z.B. wenn sich ein Wein über viele Jahrgänge als besonders langlebig erwiesen hat.


Und vor allem auf der Basis solcher früherer Erfahrungen halte ich Prognosen, die in einem gewissen Rahmen sinnvoll sind, für möglich.

Aber ob offen oder blind, ob auf hinreichender Erfahrung mit dem Stil des Hauses beruhend oder nicht: Ein Trinkfenster von 2020 bis 2060 ist bei einem trockenen Riesling offenkundiger Mumpitz. Ich weiß so gut wie nichts über Herrn Gilman und will ihn nicht voreilig herunterputzen, aber einem Kritiker, der solch einen Quatsch an die Öffentlichkeit lässt, würde ich auch in anderen Punkten erst einmal nicht allzu stark vertrauen....

....ich habe mir zuletzt erstmals eine Reihe Weine aus 2013 (Geburtsjahr unseres ersten Kindes) explizit zum Einlagern gekauft. Zu den Weinen trage ich die verfügbaren Informationen zusammen, hinterlege sie in der Kellerverwaltung und hoffe so später zu gegebenem Anlass (Einschulung, etc...) den richtigen und vor allen Dingen noch trinkbaren Wein zu finden.


Auf der deutlich sichereren (und zudem deutlich preiswerteren) Seite wärst du mit restsüßen Weinen der einschlägig verdächtigen Erzeuger gewesen. Schon Kabinette der besten Betriebe (J.J. Prüm, Grünhaus, Schloss Lieser, Müllen) machen es jenseits der von irgendwelchen Kritikern vorgegebenen Fenster locker 20 Jahre. Naja, du hast wenigstens die Karthäuserhofberger Spätlese gekauft....

Viele Grüße

Bernd
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Rieslunder

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 09:56

Hallo Bernd,
ich habe auch 6 Flaschen Karthäuserhof Kabinett bereits im Keller. Von Grünhaus wollte ich ebenfalls einige Kabinette und Spätlesen aufnehmen, kann nur nicht alles auf einmal bestellen, meine Frau guckt jetzt schon komisch ;-)
Ich hatte gehofft dass die restsüßen evtl. länger verfügbar sind, die großen Gewächse sich schneller ausverkaufen (bei soweit ich das herausgelesen habe oft nur einigen tausend Flaschen). Der Grünhäuser Abtsberg Kabinett ist ab Hof aber schon ausverkauft, Martin Müllen habe ich nach Studium des hiesigen Threads vor einigen Monaten ebenfalls auf der Liste, schließe nicht aus dort auch weitere der von dir genannten Winzer aufzunehmen...
Cheers,
Martin
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Charlie

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 10:19

Ich weiss leider nicht, wie man zBsp 1971 in jung damals beurteilt hat. Da müsste man tief recherchieren. Aber auch von 71 gibt es fats nur noch mehr oder weniger süße weine. Die 71er Aus- und Spätlesen die ich kenne, sind alle jetzt noch süß.

Die praktische Frage wäre: Gefallen dir eigentlich reife, trockene, deutsche Rieslinge?
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octopussy

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 10:42

Jancis Robinson hat selbst mal gesagt, dass man für die meisten lagerfähigen Weine eigentlich zwei Trinkfenster bräuchte (eins für die Jungphase und eins nach der Verschlussphase), dass das aber nicht praktikabel ist. Sie hat weiter einmal gesagt, dass sie die Trinkfenster am liebsten weglassen würde, dass die Leser ihr das aber nicht verzeihen würden und eine Orientierung wünschen.

Ich persönlich halte die Jancis Robinson Trinkfenster (ebenso wie die ihrer weiteren Verkoster, für Deutschland Michael Schmidt) für zu konservativ, ich trinke meine Weine aber auch gerne etwas reifer. John Gilman hat - pardon my French - ein Rad ab. Dessen Trinkfenster sind m.E. realitätsfremd. Auch bei Beaujolais gibt Gilman teils Trinkfenster von 30-40 Jahren an. Sicher hat man manchmal einen Beaujolais Cru, der nach 20, 30, 40 oder auch 80 Jahren noch ein Genuss ist. Aber das ist dann was für Altweinfreaks. Seine Trinkfenster sind seine Sache. Ich persönlich würde bei solchen Weinen wie z.B. den guten Beaujolais Crus eher ein realistisches Trinkfenster angeben (z.B. 15-20 Jahre) und generell in einer FAQ darauf hinweisen, dass gute Weine selbstverständlich auch danach noch gut trinken können, wenn auch eben mit einer etwas anderen Aromatik.
Beste Grüße, Stephan
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