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Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

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MichaelWagner

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 15:49

die Grundlage für ein langes Trinkfenster sind zunächst einmal Jahrgänge mit ausgereiftem, gesundem Lesegut. Das bietet zunächst einmal grundlegenede Orientierung welche Jahrgänge überhaupt für wirklich lange Lagerung geeignet sind.

Darüberhinaus sind natürlich Säure und Restsüße lebensverlängernde Faktoren, d.h. du wirst mit einer restsüßen Riesling Auslese wahrscheinlich länger fahren als mit einer trockenen (oder einem trockenen GG) vom gleichen Winzer in einem guten Jahr.

Darüberhinaus spielt natürlich der Winzer eine große Rolle hinsichtlich sauberer Selektion des Traubenmaterials und nicht zuletzt dem Einatz von SO2 (das erhöht ja auch die Lagerfähigkeit...)

So leid mir das jetzt tut, aber an trockene 2013er würde ich persönlich keine hohen Ansprüche hinsichtlich der lagerfähigkeit stellen. Es fehlt die Grundlage eines "sauberen" Jahrgangs, dann noch keine Restsüße...ja und dann wirds schwierig.

So schön das ist Geburtsjahrgänge einzulagern - es ist ein Naturprodukt, schwer planbar und es geht leider nicht immer - genau wie das mit den Kindern - ich habe mit meinem neuen Nachwuchs extra bis 2014 gewartet :lol:

PS: über die einsetzende Trinkreife kann man natürlich immer trefflich streiten - ich habe mich persönlich ohnehin mit 13er-Riesling-Füllungen zurückgehalten so weit es möglich war (trocken garnichts gefüllt...). Ab wann ein Wein "schmeckt" ist eben Geschmackssache. Für mich persönlich ist der 13er Riesling nach wie vor viel zu jung, weil SäureSäureSäure...und die entsäuerten Exemplare...naja...denen wurde eben dann auch "die Hose ausgezogen" nur damit was auf dem Markt ist.

Gruß, Michael
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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OsCor

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 16:45

Wenn hier die Trinkfenster von Kritikern diskutiert werden, stellt sich für mich die Frage, wie die von Erzeugern für ihre eigenen Produkte eingeschätzt werden. Sollten die nicht am besten Bescheid wissen?
Ok, das ist vielleicht eine naive Frage; aber möglicherweise möchte jemand was dazu sagen. Mein Vorschreiber vielleicht?

Gruß
Oswald
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octopussy

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 18:07

OsCor hat geschrieben:Wenn hier die Trinkfenster von Kritikern diskutiert werden, stellt sich für mich die Frage, wie die von Erzeugern für ihre eigenen Produkte eingeschätzt werden. Sollten die nicht am besten Bescheid wissen?
Ok, das ist vielleicht eine naive Frage; aber möglicherweise möchte jemand was dazu sagen. Mein Vorschreiber vielleicht?

Hallo Oswald,

Winzer halten sich im Regelfall jedenfalls schriftlich und gegenüber Neukunden stark zurück mit Trinkfenstern. Denn was sonst passieren würde, ist vorhersehbar. Der erste Reifenoten nicht gewöhnte Kunde oder derjenige, der seine Weine erstmal zwei Jahre ins Wohnzimmer ans Fenster stellt, kommt mit dem Wein zurück oder schreibt eine böse Email und sagt: "Sie haben aber gesagt, ich kann Wein xyz gut 5 Jahre aufbewahren. Der ist jetzt hinüber."
Beste Grüße, Stephan
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Ollie

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 19:52

MichaelWagner hat geschrieben:die Grundlage für ein langes Trinkfenster sind zunächst einmal Jahrgänge mit ausgereiftem, gesundem Lesegut. Das bietet zunächst einmal grundlegenede Orientierung welche Jahrgänge überhaupt für wirklich lange Lagerung geeignet sind.


Etwas weniger grob: Das bietet eine grundlegende Orientierung, welches Lesegut es erlaubt, langlebige Weine zu machen. Und auch 2013 gab es Winzer, die gesunde und reife Beeren lesen konnten; die besten 2013er GGs (und hierbei handelt es sich ganz ohne Zweifel in der o.g. LIste) sind aus solchen Beeren gemacht worden. Ist halt Arbeit.

Ich wuerde ohne Probleme den besten GGs des Jahrgangs bescheinigen, dass sie 10 Jahre halten. Mit zuversichtlichem Nicken wuerde ich 15, mit leichtem Kopfwackeln auch 20 Jahre ansetzen, vernueftige Lagerung vorausgesetzt (und von Flaschenvarianzen abgesehen).

Langlebige trockene Weine sind aus reifen, gesunden Beeren gemacht, enthalten also wenige, aber reife Phenole (geringstmoeglicher Flavonoidgehalt), sind als Maische oxidativ und als Wein reduktiv verarbeitet, sind vernuenftig vergoren und mit Hefe und im Holzfass ausgebaut, haben niedrige pH-Werte (das verbessert die Wirkung des SO2, nicht etwa der Saeuregehalt), sind chemisch und mikrobiologisch stabil (sterilfitrierte Moselweine z.B.) und vernueftig gefuellt (SO2, Verschluss).

Hat man diese Lehrbuchweisheiten (man sagt auch "Erfahrung" dazu) beachtet, steht einem langlebigen Wein nichts im Wege. Der ist allerdings nicht notwendigerweise der beste Wein. Viele GGs werden mit Botrytis und/oder viel Maischestandzeit gemacht, was sich aber am langen Ende zwar recht dramastisch raecht, dafuer aber in den ersten paar Jahren sehr spektakulaere Weine hervorbringen kann (und damit beabsichtige ich nicht, diese Weine als "oberflaechliche Blender" zu denunzieren).

Das Problem die Herausforderung ist also, solche Weine in der Jugend zu erkennen, sodass man seine eigenen Trinkfenster (je nach Vorliebe) legen kann, wie man mag. (Dabei gibt es natuerlich kein richtig oder falsch.)

Cheers,
Ollie
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MichaelWagner

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragMi 10. Dez 2014, 20:46

Hi Ollie,

10 Jahre für trockene Auslesen / GGs: klar. Darüberhinaus würde ich meine Hand in kein Feuer legen, aber 20 Jahre kann schon passieren wenn alles passt. Die Anfangs angesprochenen Zeiträume bewegten sich allerdings im rahmen 20 Jahre +.

Und bei diesen Dimensionen würde ich eher auf Restsüsse aus einem guten oder dann eben besser gesagt "einfachen" Jahrgang setzen.

Du magst recht haben dass es in 2013 auch Möglichkeiten gab selektiv zu optimieren. Die restliche Theorie gilt ja in fast jedem Jahr. An ein Jahr wie bspw 2012 werden diese Weine nach meiner Einschätzung jedoch nie "rankommen". Auch nicht was die lagerfähigkeit angeht. In solchen Jahren wie 13 führt auch die tollste Selektion gerade mal zu vergleichsweise "oberem Durchschnitt" von Topjahrgängen. Was nicht gewachsen ist, kann auch nicht selektioniert werden, denke ich.

Was ich nicht ganz verstanden habe: du schreibst als Wein reduktiv ausbauen. Aber gleichzeitig im Holzfass. Verstehe ich da was nicht richtig?

OG frage Trinkfester des winzers: Hmm... Ich bin kein Jungwein-Fan. Wenn ich jetzt einem Kunden sage "leg den erstmal bspw 5 Jahre weg", dieser aber total auf junge, frische Weine steht, dann ist keinem geholfen. Schwierig also dich da festzulegen...

Gruß, Michael
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Gerald

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragDo 11. Dez 2014, 14:54

Hallo Ollie,

Langlebige trockene Weine sind aus reifen, gesunden Beeren gemacht, enthalten also wenige, aber reife Phenole (geringstmoeglicher Flavonoidgehalt), sind als Maische oxidativ und als Wein reduktiv verarbeitet, sind vernuenftig vergoren und mit Hefe und im Holzfass ausgebaut, haben niedrige pH-Werte (das verbessert die Wirkung des SO2, nicht etwa der Saeuregehalt), sind chemisch und mikrobiologisch stabil (sterilfitrierte Moselweine z.B.) und vernueftig gefuellt (SO2, Verschluss).


bist du sicher, dass das hier Relevanz hat? Denn niedrige pH-Werte führen ja dazu, dass sich das Gleichgewicht SO2 - Hydrogensulfit - Sulfit in Richtung SO2 verschiebt, welches ja die eigentliche antimikrobielle Wirkung hat. Nur sprechen wir hier im Kontext ja nicht von Lagerfähigkeit aufgrund der Vermeidung mikrobieller Infektionen, sondern durch den Oxidationsschutz durch SO2. Und hier ist - hätte ich zumindest gedacht - genau das Gegenteil der Fall, dass die sauerstoff-aufnehmende Wirkung von SO2 bei höheren pH-Werten effektiver arbeitet (da in der Lösung nicht SO2 mit Sauerstoff reagiert, sondern die anionischen Formen). Bei folgendem Link - gilt allerdings für Meerwasser, keine Ahnung ob man das übertragen kann - liegt die stärkste Umsetzungsrate jedenfalls im neutralen pH-Bereich.

http://www.academia.edu/2963881/The_rat ... n_seawater

Grüße,
Gerald
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Ollie

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragFr 12. Dez 2014, 00:26

Stimmt, Gerald, du hast Recht, ich hatte jetzt nur den mikrobiellen Aspekt vom SO2 betrachtet, aber es ist Sulfit, das vor Oxidation schuetzt. Deshalb ist es wichtig, sulfitbindende Stoffe im Wein zu minimieren. (Lustigerweise gehoert Zucker zu diesen Stoffen.)

Cheers,
Ollie
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Ollie

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragFr 12. Dez 2014, 10:55

Michael,

was 2012 vs. 2013 angeht, bin ich eigentlich ganz bei dir. Aber wir werden sehen, ob die Handvoll 13er GGs nicht doch zu wunderschoenen Schwaenen heranreifen.

"Reduktiv": Im Holzfass liegt der Wein ja auf der Hefe und/oder geschwefelt (s. di ebeiden vorigen Eintraege). Nur weil Sauerstoffeintrag durch die Holzporen moeglich ist, heisst das noch lange nicht, dass der Wein "oxidativ" ausgebaut wird. Im Gegenteil wird Oxidation ja peinlichst vermieden.

Cheers,
Ollie
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Gerald

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragFr 12. Dez 2014, 11:13

Wobei ich bei der ganzen Sache noch nie verstanden habe, wie das mit dem oft als Kriterium für gute Lagerfähigkeit genannten Säuregehalt funktionieren soll. Vielleicht hat ja jemand eine plausible Erklärung dafür, ich kenne bislang jedenfalls keine.

Im übrigen wäre es ja dann auch unsinnig, (teure) Weine, die auf lange Lagerfähigkeit ausgelegt sind, einem BSA auszusetzen, oder?

Grüße,
Gerald
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MichaelWagner

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Re: Trinkreifefenster verschiedener Kritiker

BeitragFr 12. Dez 2014, 11:19

OK, für mich ist eine reduktive Ausbauweise die Vermeidung von Sauerstoffeintrag wo immer es geht, also auch ein Hozfass wäre zu vermeiden, da eine gewisse Menge Sauerstoff durch die Poren eingetragen wird und eher Stahl zu wählen - was ich aber in der Praxis bei hochwertigem Lesegut vermeiden würde, da das geschmackliche Potenzial nicht ausgereizt würde. Das ist jetzt aber Definitionssache wo genau reduktiv aufhört und oxdativ anfängt - wir könnten also trotz bestehender Einigkeit herrlich streiten :lol:

Um nochmal auf das Trinkfenster zurückzukommen: ich glaube, die Kritik-Obrigkeiten sind mehr oder weniger "angehalten" hier eine Empfehlung abzugeben und haben die selben Schwierigkeiten dabei, die jeder andere Winzer oder Nicht-Winzer eben auch hat: die Verschiedenheit der Geschmäcker sowohl innerhalb der Kritikergemeinde als auch der Weintrinker. Um es mal extrem zu formulieren: der eine sagt "herrliche Firn- und Petrolnoten, traumhaft gereift", der andere "boah, die Brühe ist doch durch".

@Gerald: wenn man voll ausgereiftes Lesegut mit "reifer" Säure hat (wie es in Topjahrgängen üblich ist), braucht man eigentlich keinerlei Entsäurungsmethoden, auch keinen BSA, abgesehen von dem kleinen BSA der sowieso während der Reifung spontan abläuft (Achtung, beziehe mich ausschliesslich auf Weisswein).
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