Do 27. Sep 2012, 13:31
Um es auf eine altbekannte Formel runterzubrechen: die 80/20er-Regel dürfte auch bei diesem Thema greifen. Die Regel besagt...
Ich kann mit rund 20% des Aufwandes 80% des möglichen Outputs erzielen.
--> so "kauf" ich mir die 40 Punkte die aus einem 50-Punkte-Wein (also Plörre) einen 90-Punkte Wein machen für sagen wir 20 Euro (so z.b. einen Château d'Aiguilhe - 2009 den ich um 20 Euro gekauft habe)
--> das wäre dann der Ansatz "Tolle Effektivität bei maximaler Effizienz"
Wenn ich aber die letzten 10 Punkte auch noch will, muss ich die verbleibenden 80% des Aufwandes wohl oder übel betreiben.
--> so "kosten" mich die 10 verbleibenden Punkte die aus dem 90-Punkte-Wein einen 100-Punkte-Wein machen 80 Euro (so z.B. Château Pontet Canet - 2009 den ich um 100 Euro gekauft habe)
--> das wäre dann der Ansatz "Maximale Effektivität bei guter Effizienz"
Dazwischen gibt's natürlich alle Graustufen.
Und daneben gibt es natürlich auch die - nennen wir sie mal "Renommee- und Status-Exzesse". Der 100-Punkte-Wein für 800 Euro (Lafite 2009) bringt aus Verkostungssicht die gleiche Effektivität wie Pontet Canet (vielleicht mit mehr Eleganz und weniger Power - aber da sind wir schon bei den Details) aber nicht mehr wirklich viel Effizienz. Dafür bedankt sich der chinesische Geschäftsmann für diesen Wein deutlich freundlicher, was unter Umständen auch ein Mehrwert sein kann - allerdings auf einer anderen Ebene.
Und auch einen 1er Grand Cru Classée mit 94 Punkten für 400 Euro zu kaufen macht aus Genuss-Sicht Sinn (auf der Effektivitäts-Skala liegt dieser ja immer noch im sehr angenehmen Bereich) allerdings bleibt die Effizienz auch hier deutlich auf der Strecke.
Die Frage stellt sich nun einfach, wo bei jemandem der persönliche Grenznutzen erreicht ist und wie viel Effektivität man sich leisten will und vor allem auch leisten kann. Das wiederum hängt natürlich mit der Erfahrung und den finanziellen Möglichkeiten zusammen.
Wäre die Geldquelle unerschöpflich würde ich sicherlich öfters in die 100-Punkte-Kiste greifen, denn diese Hühnerhaut-Erfahrungen sind schon sehr nachhaltig beeindruckend. Mein regelmässiger Griff in die 20-Euro-90-Punkte-Kiste macht mich aber in meiner finanziellen Realität alles andere als unglücklich.
Und wer schliesslich noch nie in die 100-Punkte-Kiste gegriffen hat, dem fehlt vielleicht sogar der Reiz, einen Wein dieser 100er-Klasse kennenzulernen. Die wahrgenommene Fahnenstange wäre in diesem Fall gefühlt 100 lang obwohl sie in der Realität "nur" 90 lang ist.
Just my 2 cents.
Gruss,
Adrian
Zuletzt geändert von
vanvelsen am Do 27. Sep 2012, 13:36, insgesamt 3-mal geändert.