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Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

Sterne, Punkte, Trauben - oder Obstkörbe
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Jürgen

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Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 08:39

Bordeaux-Weine mag ich (teilweise sehr) und trotzdem habe ich - beim Einkauf für meinen Weinkeller - nie einen gesteigerten Wert auf diese Weine gelegt. In den letzten Jahren habe ich, teilweise durch's Internet organisierte private Weinrunden, teilweise durch Weinfreunde im direkten Umfeld, kommerzielle Weinproben und durch den Griff in die eigenen Regale, doch einige Hochkaräter aus Bordeaux getrunken. Einige der Weine waren mit 100 Parkerpunkten, viele mit annähernd dieser Punktezahl dekoriert, selbst vergeben habe ich 100 Punkte für einen Bordeaux noch nie. Auch einige der mit 100 Punkten dekorierten 2009 hatte ich schon im Glas. Wie viele dieser 2009er 100 Punkte bekommen haben war mir gar nicht bewusst, bis ich diese Tage darauf aufmerksam wurde. Auch wenn Bordeaux eines der führenden Anbaugebiete dieser Welt ist, finde ich diese 18-mal vergebene Höchstpunktzahl stark übertrieben. Eher kann ich es mir vorstellen, daß in einem Anbaujahr 18 US-amerikanische Weine aus Kalifornien und Washington so gut abschneiden können, als 18 Weingüter aus Bordeaux.

Bin ich nun ein unwissender Ketzer oder übertreibt Parker mit seinen Bordeauxbewertungen?

Gruß Jürgen
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Gerald

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 08:44

Ich glaube einmal gelesen zu haben, dass Parker selbst gesagt hat, dass seine Wertungen nur seinen persönlichen Geschmack wiederspiegeln. Nur die meisten PP-hörigen Weinkäufer scheinen das für eine objektive Zahl zu halten :o

So gesehen nehme ich ganz einfach an, dass dein Geschmack sich von RP eben unterscheidet. Das wussten schon die alten Römer *) - "de gustibus ...".

Grüße,
Gerald

*) laut wikipedia stammt das Zitat allerdings nicht aus der Antike, sondern aus dem Mittelalter oder sogar später. Ist für diese Frage aber nicht so wichtig ;)
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Weinbertl

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 09:06

zum einen gehe ich mit Gerald bzgl. des Umstands, dass Parkerbewertungen in erster Linie seinen Geschmack widerspiegeln.
Zum anderen behaupte ich mal ganz frech, dass KEIN Verkoster weder zum Zeitpunkt einer Fassprobe noch zum Zeitpunkt der Arrivage wissen kann, wie sich ein Wein in den nächsten 10-20 Jahren entwickeln wird (ich unterstelle in dem hier konkreten Fall der 100-Punkte-Weine, dass das Entwicklungspotential eine nicht untergeordnete Rolle in der Bewertung spielt).
D. h. ob jetzt diese 18 höchstbewerteten Weine auch noch in Zukunft dieser Bewertung gerecht werden, bleibt abzuwarten.

Desweiteren kann sich jeder selbst fragen, wie objektiv Parker tatsächlich immer ist wenn man bedenkt, dass er seine berühmten 90Punkte schon allen möglichen Allerwelts-Alltagstropfen nachgeworfen hat.

Gruß
Robert
Grüße
Robert
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harti

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 09:14

Hallo Jürgen,

Gerald hat Recht, der persönliche Geschmack entscheidet.

Und eine Erweiterung: Auch Erfahrungen sind enorm wichtig. Mein Motto bei Blindverkostungen - das man m.E. ebenfalls auf die Einschätzung von Qualität anwenden kann - lautet daher: Wenn ich einen Wein nicht kenne, kann ihn auch nicht erkennen. Und Kenntnis erlangt man in diesem Fall ausschließlich durch den Genuss ausgereifter Weine.

Grüße

Hartmut
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UlliB

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 09:27

Gerald hat geschrieben:So gesehen nehme ich ganz einfach an, dass dein Geschmack sich von RP eben unterscheidet.


Ich denke, das trifft den Nagel auf den Kopf.

Weinbertl hat geschrieben:Desweiteren kann sich jeder selbst fragen, wie objektiv Parker tatsächlich immer ist wenn man bedenkt, dass er seine berühmten 90Punkte schon allen möglichen Allerwelts-Alltagstropfen nachgeworfen hat.


Das stimmt; betrifft aber nach meiner Einschätzung gerade Bordeaux eher nicht - dafür Spanien mit schöner Regelmäßigkeit. Diese Inkonsistenz der Bewertung ist aber bei taw schon von vorne bis hinten durchdekliniert worden. Parker und Bordeaux ist was anderes als Parker in anderen Weinbaugebieten.

Gruß
Ulli
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weinfex

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 09:43

harti hat geschrieben:Hallo Jürgen,

Gerald hat Recht, der persönliche Geschmack entscheidet.

Und eine Erweiterung: Auch Erfahrungen sind enorm wichtig. Mein Motto bei Blindverkostungen - das man m.E. ebenfalls auf die Einschätzung von Qualität anwenden kann - lautet daher: Wenn ich einen Wein nicht kenne, kann ihn auch nicht erkennen. Und Kenntnis erlangt man in diesem Fall ausschließlich durch den Genuss ausgereifter Weine.

Grüße

Hartmut


Hallo Jürgen,

kann mich Hartmut da nur voll und ganz anschliessen...

P.S. Man darf glaube ich auch nicht vergessen, dass es um "potentielle Punkte"
geht (bei Jungweinen), und der Satz "Grosse Weine schmecken immer gross" ist nichts mehr
als ein "Märchen"...
Grüsse weinfex
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Jürgen

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 10:05

harti hat geschrieben:...Auch Erfahrungen sind enorm wichtig. Mein Motto bei Blindverkostungen - das man m.E. ebenfalls auf die Einschätzung von Qualität anwenden kann - lautet daher: Wenn ich einen Wein nicht kenne, kann ihn auch nicht erkennen. Und Kenntnis erlangt man in diesem Fall ausschließlich durch den Genuss ausgereifter Weine....

Absolut richtig! Auf der diesjährigen ProWein habe ich einige sehr junge Weine im Glas gehabt, die ich niemals bewerten wollte, da sie sowas von unzugänglich waren, daß es keine Freude machte diese zu verkosten. Dabei handelte es ausdrücklich nicht um Bordeaux aus 2009. Diese Weine fand ich damals eher erstaunlich zugänglich aber um Himmels Willen war darunter - für mich - kein 100 Punkte-Wein. Bei den verschlossenen Weinen erkannte ich natürlich das Potential. Aber nur in den Fällen, in denen ich die Weine in gereifteren Versionen kannte, konnte ich etwa einschätzen wohin sie sich entwickeln können. Bei machen Weinen war mir dies gänzlich unmöglich.

Der persönliche Geschmack ist natürlich sehr entscheidend und erklärt viele unterschiedliche Bewertungen. Parker himself hat selbstverständlich auch seine Vorlieben und auch seine Mitarbeiter haben diese. Allerdings kann ich von Profiverkostern mehr Objektivität als von interessierten Laien verlangen.

Lächerlich sind die angesprochenen Miller-Bewertungen für 90-Punkte-Rotweine in supermarktfreundlichen Preisbereichen. Höchst fragenswert finde ich die bisher veröffentlichen Bewertungen seines Nachfolgers für Spanien. Auch finde ich die teilweise sehr hohen Bewertungen von Galloni in Italien in den letzten Jahren recht fraglich.

Sehr erstaunlich finde ich manchmal auch Bewertungen von deutschen Verkostern wie zum Beispiel Jens P.. Es gab eine Veranstaltung auf der wir beide anwesend waren. Als ich im Nachhinein seine Bewertungen gelesen habe, kamen mir große Zweifel, daß wir tatsächlich die gleichen Weine im Glas hatten und ob er manche Weine wirklich richtig einschätzen kann. OK, er hat mit Sicherheit tausende oder eher hunderttausende Weine mehr als ich verkostet aber ich maße mir an zu behaupten, mich bei manchen Weinen besser als er auszukennen.

Harti hat natürlich seine Vorlieben wie ich auch, trotzdem konnten wir schon auf vielen gemeinsamen Verkostungen feststellen, daß wir nicht in gänzlich anderen Weinwelten leben, sondern beide ganz ordentlich zu bepunkten wissen. Und gerade auch vor diesem Hintergrund stelle ich die hohen Parkerbewertungen für Bordeaux in Frage. Oder bin ich doch ein Ketzer, der es einfach nicht wahrhaben will, daß Bordeaux den Zenit der Weinwelt darstellt?
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Jürgen

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Re: Bin ich ein Ketzer oder übertreibt Parker?

BeitragFr 18. Mai 2012, 10:09

weinfex hat geschrieben:
harti hat geschrieben:.. und der Satz "Grosse Weine schmecken immer gross" ist nichts mehr
als ein "Märchen"...

absolut richtig, siehe ein gestern getrunkener 2009er Hubacker von Keller ;)
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