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PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Do 11. Aug 2011, 18:46

Martin Darting hat ein neues Verkostungssystem entwickelt, was meiner Meinung nach sehr übersichtlich, auch für engagierte Laien, nachvollziehbar ist.
Es werden sensorische Merkmale der Weine quantitativ und qualitativ bewertet. Das Gesamtergebnis wird in einen Wert von maximal 100 Punkten umgerechnet.

Wer kennt das System und was haltet ihr davon?

Gruß DonCarlos

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Do 11. Aug 2011, 19:20

Ich hab mal vor ewigen Zeiten von einem Weinhändler mV eine Tabelle bekommen mit jeder Menge Rubriken, die man ausfüllen musste für Farbe, Geruch (je mehr Aromen man entdeckte, desto mehr Punkte), Textur, Abgang etc.
Am Ende wurden die Punkte zusammengezählt und wie durch ein Wunder konnten nie weniger als 60 und nie mehr als 100 rauskommen.
Leider habe ich die Tabelle nicht mehr, aber ist es so etwas?

lieben Gruß
susa

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Do 11. Aug 2011, 19:40

Das kann man auf der Webseite des "Erfinders" nachlesen: http://www.martin-darting.de/

Soweit ich das auf die Schnelle beurteilen kann, scheint die Idee dahinter durchaus vernünftig zu sein: man bewertet einen Wein (oder ein anderes Produkt) nicht "pi mal Daumen" mit 92 oder was weiß ich wie viel Punkten, sondern versucht einmal, bestimmte Faktoren wie Säure, Tannine, RZ etc. "neutral" (also ohne Wertung) zu notieren. In einem zweiten Schritt kommt dann erst die Bewertung.

Ich bin mir nur nicht sicher, ob das Ergebnis dann tatsächlich mit dem gefühlten Gesamteindruck übereinstimmt. Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber ich stelle es mir schwer vor, eine - nicht in Parameter wie Aromen, Säure etc. - zu fassende Faszination zu quantifizieren, die für mich einen großen Wein ausmacht.

Abgesehen davon ist das Ganze auch noch kostenpflichtig ...

Grüße,
Gerald

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Do 11. Aug 2011, 20:08

sorry for being so scientific...aber ich finde solche analytisch-kopflastigen herangehensweisen fragwürdig, gerade beim thema wein. um es gestaltpsychologisch auszudrücken, "das ganze ist mehr als die summe seiner einzelteile".

so ein zerlegungssystem mag helfen, wenn man schon beim 20. wein ist und nicht gespuckt hat bei der verkostung (also spucken im sinne von nicht schlucken ;-)) - weil man sich dann schwerer einen wein " schön" trinken kann. aber grundsätzlich sind sicher oft bauchentscheidungen im spiel, ob einem ein wein gefällt oder nicht und ob nun 97 oder 94 punkte. selbst torsten, der also so ein zerlegungssystem beim punkten verwendet, geht zugleich auch nach gänsehaut-faktor etc. - und das aber im bezug aud den ganzen wein und nicht nur seine einzelteile (oder torsten??) .

man weiss aus neuerer forschung zum menschlichen entscheidungs- und bewertungsverhalten, dass das oft gar nicht so vernüftigt und rational ist wie früher gedacht (rational choice model), sondern oft durch "bauchentscheidungen" getragen wird. diese sind oftmals sogar die richtigen :-) (z.b. beim autokauf). wenn ich also einen wein trinke und schon ein gewisses (wenn auch nicht bewusstes) "bauchgefühl" habe, dann kann das schon den analyseprozess bei so einem zerlegungsverfahren wie dem von darting beeinflussen - ohne das man es vielleicht merkt. also weintrinken ist keine (reine) analytische wissenschaft in meinen augen - zum glück. ...ich spare mir daher das geld.

beste grüsse, martin

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Fr 12. Aug 2011, 08:45

Ich könnte mir aber vorstellen, dass ein solches System bei routinemäßigen "low end" Verkostungen (z.B. der amtlichen Weinkontrolle) doch ganz sinnvoll sein kann. Einfach aufgrund der automatischen Dokumentation und quasi-rationaler Begründungsmöglichkeit für eine Entscheidung.

Ob das hier erwähnte System allerdings einen wesentlicher Vorteil gegenüber gängigen (nicht lizenz- bzw. kostenpflichtigen) Scoringmodellen hat, da bin ich mir nicht sicher ...

Grüße,
Gerald

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Fr 12. Aug 2011, 11:13

Hallo Martin,

ich "zerlege" ja nur nach Nase, Gaumen, etc - das machen doch viele bzw. sicher die meisten ernstzunehmenden Verkoster, die wenigsten schütteln die Punkte nur aus dem Bauch heraus,
nach Restzucker, Säure etc untergliedere ich ja auch nicht.

Beim ersten Schluck aber habe ich schon eine "Bauchüberprüfung" nach den gröberen Rastern (Groß, Exzellent, sehr gut, gut, durchschnittlich oder weniger...) Und die Gänsehaut sagt mir dann, dass ich da wenigstens 95 Punkte, sprich nach meinem Scoring was Großes im Glas haben sollte.

Irgendwo anders (ich weiß nicht mehr wo) wurde ja auch kritisiert, dass die meisten relevanten Verkoster nur noch eine enge Punktespanne vergeben, über deren verkostete Weine man so liest.

Ich denke, das liegt weniger an den Verkostern, sondern an zwei Punkten:
- generell scheint sich weltweit in vielen Gebieten die Qualität weit oben zu verdichten. Viele Weine, über die wir reden wollen, sollten uns doch begeistern und genau in jener Punktespanne zu finden sein. - immer mehr Erzeuger streben aber mit ihren Weinen daher auch in den Club der sagen wir 85, 88 oder gar 90+/Weine.

Die relevanten Verkoster nehmen sich ja oft auch nicht die Zeit, die Masse der auch noch existenten "Abfallweine", sozusagen die breite Masse zu verkosten. Der Supershoppenschopper ist nun mal eine Riesenausnahme - ich beneide die wirklich supernette Cordula Eich nicht um diesen Job und würd auch nicht mit ihr tauschen wollen.

Ich denke wenn dieser Discountweinführer nach gängigen Schemen Punkte vergeben würde, käme viel Düsteres ans Licht...

Wir müssen aber auch bedenken, dass derart Weine nach wie vor die Masse in Litern ausmachen und nicht das, was wir in unseren hach so elitären Zirkeln so trinken, d.h. der Durchschnitt muss immer all dieses grauenhafte Zeug mit einbeziehen, aber wir würden es weder mit Genuss trinken, noch riesen Abhandlungen drüber schreiben und die meisten hier würden das auch nicht mehr freiwillig kaufen.

Ich scheue mich nicht, mal so einen Wein zu bewerten, wenn es denn sein muss - aber dann muss auch schnell ein Spuknapf her. Da bin ich dann regelmäßig tief unter 80 oder sogar unter 70. Aber wenn es dann Alldi-Krötenblut zu 1,49 € ist, dann schreib ich wohl auch kaum drüber, wenn es ein renommierter Wein wäre, dann wäre eine Notiz als Warnung dagegen sinnvoll... Aber die meisten Erzeuger wissen, dass 70 Punkte und 50 € nicht mehr wirklich zusammen passen.

Es ist also völlig normal, dass sich jeder Liebhaber je nach Definition der Punkte am liebsten dort aufhält, wo er quasi die Schulnote 1 vergibt. Bei manchem ist das ab 85, bei vielen ab 90, bei mir z.B. erst ab 93...

Für mich sind 91 Punkte zu 15 € ein weit geringerer "Verlust" als zum Fenster rausgeschmissene 3 € und 68 Punkte - was bei mir Schulnote 5 wäre. Ich weiß aber, wie viele Leute so was immer noch trinken und meinen es wäre ein guter Wein zum fairen Preis.

Aber es will mir schon einleuchten, dass Parker und Co. nicht massig über Weine unter 80 Punkten schreiben wollen...

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Sa 13. Aug 2011, 10:30

hallo torsten,

ja die punktespanne hat sich verdichtet. wenn ich früherere parker-bewertungen der grossen bdx lese und heutige - dann ist früher wesentlich mehr spannbreite und varianz. irgendwie war es auch interessanter zu lesen. jetzt, mit dem technologischen fortschritt und der globalisierten und vernetzen welt wird vieles einheitlicher. wie nennt sich michel rolland doch gleich? flying winemaker! du hast schon recht, es bringt auch nichts immer nur die spitzen zu verkosten - am thema wein ist die spannbreite das interessante. wir können ja mal eine worst bottle probe initiieren - nur...da kommt dann bloss keiner :| ;) . beste grüsse, martin

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Mi 11. Aug 2021, 16:39

Hallo,
noch eine Frage zu dem Fragebogen des PAR-System.
Die Bewertung beginnt mit "Qualitative Einschätzung" im linken Bereich und
"Quantitative Einschätzung" im rechten Bereich.
Darunter jeweils 10 mögliche Punkte die vergeben werden.
Was ist unter den beiden Einschätzungen zu verstehen ?
Gruss Werner

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Sa 14. Aug 2021, 07:52

Elbling hat geschrieben:Hallo,
noch eine Frage zu dem Fragebogen des PAR-System.
Die Bewertung beginnt mit "Qualitative Einschätzung" im linken Bereich und
"Ranking Quantitative Einschätzung" im rechten Bereich.
Darunter jeweils 10 mögliche Punkte die vergeben werden.
https://piwi-international.de/wp-content/uploads/2020/06/Chrome-Island-Red.pdf
Qualitative Beurteilung ist mir verständlich
"Ranking Quantitative Einschätzung" bezeichnet die Eigenschaften im Verhältnis zu anderen Weinen.
Verstehe ich das so richtig ?
Gruss Werner

Re: PAR-System (Produkt-Analyse-Ranking)

Sa 14. Aug 2021, 09:17

Elbling hat geschrieben:"Ranking Quantitative Einschätzung" bezeichnet die Eigenschaften im Verhältnis zu anderen Weinen.
Verstehe ich das so richtig ?
...da geht's darum, wie viel oder wenig von der jeweiligen Komponente im Wein enthalten ist. Z.B. Vanille quasi von 0 bis 100 %. Da fängt's dann aus meiner Sicht schon an, fragwürdig zu werden. Denn: ist Vanille im Auge des Betrachters nun gut oder schlecht? Ist es bei allen Weinen gut oder schlecht? Wenn das als Fixum schon in die Weinbewertung eingeht, ist das Ergebnis extremst subjektiv. Das mag für den Einzelnen i.O. sein, ist aber als öffentliche Bewertung für Andere somit aus meiner Sicht untauglich, weil es automatisch zu stark an die Vorlieben / Abneigungen des Entwicklers gekoppelt ist...
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