Hallo Josef, hallo Ulli,
drei nicht so ganz unerfahrene Weintrinker - drei durchaus sehr verschiedene Ansätze, sich Weißweinen zu nähern und ihre Qualität zu beurteilen: Für mich ist es ausgesprochen spannend (und damit erfreulich
), zu erleben, dass hier jeder von uns offenbar andere Parameter in den Vordergrund stellt! Wenn wir alle genau die gleiche Herangehensweise verfolgen würden, könnte es schnell ziemlich langweilig werden....
stollinger hat geschrieben:Ich mag reife Phenolik im Wein im allgemeinen sehr, ich glaube,die Gerbstoffe und die sich daraus ergebende Struktur sind für mich einer der wichtigsten Parameter, ob mir ein Wein gefällt oder nicht. Die Säure ist mir in der Regel weniger wichtig, so lang sie mir nicht zu aggressiv ist, ebenso ist mir die Aromatik meist nicht so wichtig.
Beim
Weißwein achte ich zwar mittlerweile mehr als früher auf die Präsenz und den Charakter von Gerbstoffen, aber andere Punkte (Säurebalance/Säurequalität, Extrakt/innere Dichte, geschmackliche Vielschichtigkeit) spielten für mich bislang doch eine deutlich wichtigere Rolle.
UlliB hat geschrieben:Ach ja, und jetzt OT und nur ganz am Rande: den Begriff "Phenolik" empfinde ich in der Weinsprache als das mittlerweile ärgerlichste pseudowissenschaftliche Gebrabbel. Es ist schon richtig, dass die meisten Gerbstoffe im Wein chemisch betrachtet in die Gruppe der Phenole gehören, aber in diese chemische Gruppe gehört alles Mögliche - von Sexualhormonen bis hin zu Grundstoffen der Kunststoffherstellung und einigen gerade mal wieder angesagten Desinfektionsmitteln. Was sensorisch als adstringierender Effekt detektiert wird, hängt auch nicht zwangsläufig mit der phenolischen Natur der Gerbstoffe zusammen, das lässt sich sogar mit anorganischen Verbindungen wie Aluminiumsalzen erzielen. Warum redet man nicht schlicht und einfach von "Gerbstoffen"?
Ich bin ja alles andere als ein primär wissenschaftlich orientierter Mensch
, aber grundsätzlich bemühe ich mich schon um eine möglichst nicht zu unscharfe Ausdrucksweise - daher danke für den Hinweis, Ulli! "Phenolik" oder "phenolisch" als Attribute bei der Weinbeschreibung habe ich ohne weiteres Nachdenken von diesem oder jenem Weinkritiker übernommen; ich gelobe Besserung und werde demnächst von Gerbstoffen oder Tanninen reden, wobei ich mich dann auf Substantive beschränken muss, da "gerbstoffig" beziehungsweise "tanninig" im Gegensatz zu "phenolisch" mehr als unbeholfen klingt....
Herzliche Grüße
Bernd