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Weinfehler - wenn ja welcher

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Muellimov

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 00:04

Ollie hat geschrieben:
Mostklaerung hingegen reduziert das Boeckserpotential zwar, aber ob bzw. dass im Umkehrschluss aus einem Boeckser eine mangelnde Klaerung folgt, ist mir nicht so plausibel. Jedenfalls habe ich von einem solch direkten Zusammenhang nie gelesen (was nichts heissen mag, ich bin ja kein Winzer). Vielleicht gibt es aber den indirekten Zusammenhang von truebem Most, den man betont reduktiv verarbeitet (damit er nicht braun wird), was die Bildung von einem H2S-Boeckser beguenstigt. Da waere der truebe Most aber nur der Anlass, nicht jedoch die Ursache.

Cheers,
Ollie


Mostklärung reduziert das Böckserpotential per se zuerst einmal nicht. Mostklärung führt zu einer zusätzlichen Verarmung an Nährstoffen für die Hefe. Gerade das Fehlen von Nährstoffen (bspw. Thiamin bzw. hefeverfügbarer Stickstoff) ist in den allermeisten Fällen die Hauptursache für Böckser. Dennoch ist es äußerst sinnvoll, den Most möglichst scharf vorzuklären (jedoch wiederum nicht so scharf, dass dadurch Gärprobleme entstehen, weil die Versorgung der Hefe mit Nährstoffen und auch die gleichmäßige Verteilung der Hefe im gärenden Most einen gewissen leichten Trubanteil voraussetzt), da man Nährstoffe auch nach der Vorklärung zusetzen kann (bspw. Gärsalz plus inaktive Hefen oder Hefezellrinde plus Thiamin). Durch eine scharfe Vorklärung können nämlich Restmengen von an den Beeren haftendem Schwefel (bspw. Netzschwefel) bzw. an den Trubstoffen gebundenem Schwefel deutlich reduziert werden. Das Vorhandensein von Schwefel ist natürlich überhaupt Voraussetzung dafür, dass Schwefelwasserstoffverbindungen (bzw. Vorläuferverbindungen) während der Gärung enstehen. Vollständig eliminieren lässt sich Schwefel im Most allerdings prinzipiell nicht. Aus diesem Grund ist es so eminent wichtig, die Hefe möglichst keinem Stress auszusetzen. Weiterhin führt eine scharfe Mostvorklärung dazu, dass das sich während der Gärung bildende Geläger, welches extrem reduktiv ist und die Böckserneigung verstärkt, möglichst gering ausfällt.
Ein weiterer Punkt ist, dass verschiedene Hefestämme verschiedene Stressresistenzen aufweisen. Gerade bei Spontanvergärung geht man dadurch ein höheres Risiko ein, dass sich letztendlich Stämme durchsetzen, die eher zu Böckser neigen. Weiters kann man die Entstehung von Böcksern auch durch geringe Zufuhr von Sauerstoff während der Gärung niedriger halten, da der Sauerstoff ebenfalls dazu beiträgt, das Gärleben der Hefe leichter zu machen. Das sind alles Punkte, wie man das Böckserrisiko per se reduzieren kann.

Sollten sich allerdings Schwefelwasserstoffverbindungen gebildet haben, so hat man im Keller trotzdem noch die Möglichkeit, ein Fortschreiten eines Böcksers aufzuhalten und eventuell sogar umzukehren. Und zwar durch die Zugabe von Cu-Ionen. Tut man dies nicht, so entwickeln sich aus dem H²S zusammen mit Weinbestandteilen immer komplexere Schwefelverbindungen, die irgendwann auch durch Zugabe von Cu+ nicht mehr aufgehoben werden können. Man spricht dann von einem abgehockten Böckser. Die allermeisten Böckser kann man jedoch nachträglich durch Cu+-Zugabe vermeiden. Dennoch ist die Cu-Schönung mit zusätzlichem Stress für den fertigen Wein verbunden (z.B. zusätzliche Rühr- und Pumpvorgänge). Aus dem Grund ist es anzuraten, bereits im Vorfeld (siehe oben) möglichst viel zu tun, um Böckser zu vermeiden.
Zuletzt geändert von Muellimov am Mi 4. Mai 2016, 13:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Ollie

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 00:20

Muellimov hat geschrieben:Gerade das Fehlen von Nährstoffen (bspw. Thiamin bzw. hefeverfügbarer Stickstoff) ist in den allermeisten Fällen die Hauptursache für Böckser


Fuer Schwefelwasserstoffboeckser auch? - Den Zusammenhang mit Thiamin und Stickstoff kannte ich bislang nur aus der UTA-Diskussion, also Danke fuer jede Erlaeuterung.

Muellimov hat geschrieben:Durch eine scharfe Vorklärung können nämlich Restmengen von an den Beeren haftendem Schwefel (bspw. Netzschwefel) bzw. an den Trubstoffen gebundenem Schwefel deutlich reduziert werden.


Muellimov hat geschrieben:Weiterhin führt eine scharfe Mostvorklärung dazu, dass das sich während der Gärung bildende Geläger, welches extrem reduktiv ist und die Böckserneigung verstärkt, möglichst gering ausfällt


Ah ja, das ist der Zusammenhang, genau. Danke fuer die Klarstellung & Cheers,
Ollie
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Muellimov

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 00:32

Ollie hat geschrieben:
Muellimov hat geschrieben:Gerade das Fehlen von Nährstoffen (bspw. Thiamin bzw. hefeverfügbarer Stickstoff) ist in den allermeisten Fällen die Hauptursache für Böckser


Fuer Schwefelwasserstoffboeckser auch? - Den Zusammenhang mit Thiamin und Stickstoff kannte ich bislang nur aus der UTA-Diskussion, also Danke fuer jede Erlaeuterung.



Ein Böckser hängt immer mit Schwefelwasserstoff bzw. sich später daraus bildenden komplexeren Schwefelverbindungen zusammen.

Ob das Fehlen von Nährstoffen einen Einfluss auf UTA hat, ist aktuell nach meinem bescheidenen Kenntnisstand nicht geklärt. Es gibt dazu widersprüchliche Aussagen. Andere Faktoren fallen bzgl. Ausbildung eines UTAs viel mehr ins Gewicht.

Näheres dazu siehe hier:
http://www.ajevonline.org/content/65/3/277.full
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Ollie

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 00:44

Danke!
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la-vita

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 09:45

Habe die Tage leider einen Chateau d´Escurac 2005 wegen Korkgeschmack entsorgen müssen :( .
Kam am zweiten Tag erst so richtig raus. So weit, so gut.
Was mich dabei allerdings stutzig gemacht hat, war das schmierig, schleimige, leicht feinkörnige Restdepot, welches sich am Korken angesammelt hatte (ca. 1-2 mm). Habe ich in dieser Form noch nicht gesehen. Könnte es hier einen Zusammenhang zum Korkgeschmack geben?

Viele Grüße
Detlef
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weingeist

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 12:50

Danke, danke - vor allem für das lange Statement zum Böckser... ;)

Was mich halt noch immer stutzig macht, ist, dass fast jeder Wein (und das waren ja unterschiedliche Weine in unterschiedlichen Qualitätsstufen) davon betroffen war. Ich hätte bis dato eher verstanden, dass natürlich bei einem Wein ein Böckser enststehen kann, aber gleich bei der gesamten Erntemenge (mit Ausnahmd der von mir angeführten zwei Weine)?

la-vita hat geschrieben:Habe die Tage leider einen Chateau d´Escurac 2005 wegen Korkgeschmack entsorgen müssen :( . Kam am zweiten Tag erst so richtig raus. So weit, so gut.
Was mich dabei allerdings stutzig gemacht hat, war das schmierig, schleimige, leicht feinkörnige Restdepot, welches sich am Korken angesammelt hatte (ca. 1-2 mm). Habe ich in dieser Form noch nicht gesehen. Könnte es hier einen Zusammenhang zum Korkgeschmack geben? Viele Grüße Detlef

Hallo Detlef - also meine Erfahrungen mit Korkschmeckern gehen eher in die Richtung, dass dieser sofort da ist, sich aber nicht über die Zeit verstärkt. Habe aber einen korkenden Wein noch nie aufgehoben. Werde ich ausprobieren (wenn es wieder einmal so weit ist und ih daran denke). Ein schmieriges oder schleimiges Depot am Korken hatte ich noch nie, da würde ich eher vermuten, dass da tatsächlich in der Flasche nach der Abfüllung etwas passiert ist, was auch Deinen, als Korkschmecker definierten Fehlton ausgelöst hat.
Liebe Grüße
weingeist
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Muellimov

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 12:54

la-vita hat geschrieben:Habe die Tage leider einen Chateau d´Escurac 2005 wegen Korkgeschmack entsorgen müssen :( .
Kam am zweiten Tag erst so richtig raus. So weit, so gut.
Was mich dabei allerdings stutzig gemacht hat, war das schmierig, schleimige, leicht feinkörnige Restdepot, welches sich am Korken angesammelt hatte (ca. 1-2 mm). Habe ich in dieser Form noch nicht gesehen. Könnte es hier einen Zusammenhang zum Korkgeschmack geben?

Viele Grüße
Detlef


Nach meinem Dafürhalten gibt es keinen Zusammenhang. Wenn es ein echter Korkschmecker ist, dann wird dieser durch die Substanz TCA verursacht. Diese ist allerdings in winzigsten Mengen ausreichend, um den Korkschmecker zu verursachen. Da du allerdings von "schmierigen, schleimigem und leicht feinkörnigem Restdepot" mit einer Dicke von 1 bis 2 mm schreibst, ist das auszuschließen. Diese "Masse" hat andere Ursachen. Ich kenne diesen Wein und auch das Chateau nicht. Aber es gibt ja schon einige Weingüter, die ihren Rotwein ungefiltert und/oder ungeschönt abfüllen. Was kann da so alles passieren?

1. Etwas vom Geläger ist mit in die Flasche gekommen (sollte allerdings nicht der Fall sein, wenn der Betrieb ordentlich arbeitet).
2. Es hat eine nachträgliche Hefevermehrung in der Flasche gegeben. Rotweine werden sehr oft mit einer Filterschärfe vor dem Abfüllen filtriert, die nicht alle Hefezellen aus dem Unfiltrat entfernt. Selbst wenn der Wein kaum noch oder gar keinen Restzucker mehr enthält, kann es dann im Nachgang noch eine Hefevermehrung geben. Im Rotwein selbst sieht man das im Gegensatz zu Weißweinen normalerweise nicht (sehen wir mal von dünnen Rotwässerchen ab), so dass es nicht störend ist. Je nach Lagerung kann sich das natürlich in der Flasche absetzen.
3. Mangelnde Eiweißstabilität
4. Bildung von Polysacchariden (vor allem Glucane => botrytisbehaftetes Lesegut), die sich als schleimige Fäden im Wein finden (auch hier: bei Rotweinen optisch im Gegensatz zu Weißweinen irrelevant, kann sich jedoch eventuell absetzen)

Das Feinkörnige deutet wiederum auf Weinsteinkristalle hin.
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Muellimov

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 13:02

weingeist hat geschrieben:Danke, danke - vor allem für das lange Statement zum Böckser... ;)

Was mich halt noch immer stutzig macht, ist, dass fast jeder Wein (und das waren ja unterschiedliche Weine in unterschiedlichen Qualitätsstufen) davon betroffen war. Ich hätte bis dato eher verstanden, dass natürlich bei einem Wein ein Böckser enststehen kann, aber gleich bei der gesamten Erntemenge (mit Ausnahmd der von mir angeführten zwei Weine)?



Die Nährstoffverarmung von Mosten ist sehr oft abhängig vom Jahrgang. Das kann dann durch die Bank bei allen Rebsorten eines Winzers auftreten. 2015 war in Deutschland bspw. ein Jahr, wo es bei vielen, vielen Mosten nur sehr geringe FAN-Werte gab (FAN = hefeverfügbarer Stickstoff). Versteht der Winzer sein Handwerk, kann er das durch entsprechende Zugabe geeigneter Nährstoffe während der Gärung korrigieren. Dazu jedoch muss er darüber Bescheid wissen, wie hoch die Nährstoffwerte im Most überhaupt sind. Solche Messungen kann man in vielen Weinlaboren durchführen lassen. Tut er das nicht, geht er ein entsprechendes Risiko ein, dass die Hefen unterversorgt sind (umgekehrt kann es auch eine Überversorgung geben, die dann so manches Mal in nicht durchgegorenen Weinen resultiert). Allerdings gibt es sehr viele Winzer, die nicht von diesen Zusammenhängen wissen.
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Blaufränkisch

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 14:50

Hallo Weingeist,

solche Serien in einem Betrieb sind überhaupt nicht ungewöhnlich. Es gibt sogar Kollegen, die das bewußt als eine Art Hausstil pflegen (würde mich z.B. nicht wundern, wenn die verkosteten Weine recht kitschige Etiketten getragen hätten ;) ), oder zumindest eine Arbeitsweise pflegen, die so etwas provoziert (und der Weinbauer mit der Zeit dagegen sensorisch immun geworden ist).

Welche Arbeitsweisen das sein könnten, kannst du den Erklärungen von Muellimov entnehmen, denen ist kaum etwas hinzuzufügen. Wenn sogar Ollie was lernen konnte... :mrgreen:

Herzliche Grüße

Bernhard
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
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Muellimov

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Re: Weinfehler - wenn ja welcher

BeitragMi 4. Mai 2016, 14:54

weingeist hat geschrieben: Mein Bekannter brachte dann eine eventuell "schiefgegangene" Eiweisschönung ins Spiel.


Hallo Herbert,

Was ist denn mit Eiweißschönung gemeint? Die Schönung mit Bentonit zur Eiweißstabilisierung? Oder eine Schönung mit eiweißhaltigen Schönungsmitteln wie bspw. Eiklar, Gelatine oder Kasein? Letztere werden verwendet zum Ausfällen von Gerbstoffen und äußern sich garantiert nicht in einem von Dir beschriebenen Fehlton/Weinfehler. Auch nicht, wenn sie schieflaufen. Eine Bentonitschönung kann ebenfalls nicht "schiefgehen", da ihr Resultat sich nur als "stabiles Eiweiß im Wein: ja oder nein" darstellt. Geschmacklich ist eine Bentonitschönung völlig irrelevant, insofern nicht sogar Aromastoffe durch Pumpen/Rühren verloren gehen.

Aber unabhängig von meiner Frage: eine schiefgegangene Eiweißschönung, gleich welcher Couleur, kann es nicht gewesen sein.

Viele Grüße
Markus
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