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Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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mixalhs

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 05:16

Hallo zusammen,

Hier mein Beitrag zum Thema:

Sehr gute Weine verbessern sich in der Regel mit dem Alter. In meiner Wahrnehmung zumindest. Spaßeshalber habe ich aus meinen Verkostungsnotizen mal alle Weine herausgesucht, die von mir 97 oder mehr Punkte bekommen haben. Das sind nach etwa 16 Jahren Aktivität bei https://www.verkostungsnotizen.net/ genau 20 Weine (von knapp 5000). Das Spektrum ist meinen Präferenzen entsprechend sehr rieslinglastig (12 von 20). Bei den Rieslingen reichte das Reifesprektrum bei der letzten Verkostung von 6,5 bis 18 Jahren. Die besten Rotweine meines Lebens, ein Clos Vougeot GC 1947, ein Corton GC 1961 und ein Beau Site 1959 waren am Tag der Verkostung deutlich über 50 Jahre alt. Hinzu kommt aus der Zeit, in der ich noch nicht systematisch Verkostungsnotizen geschrieben und archiviert habe, ein grandioser Pavie 1955, den ich 1999 im Glas hatte, vielleicht mein bester Wein aller Zeiten.

Zwischenfazit: Im Segment 97+ gibt es in meinem Archiv nur gereifte Weine. Allerdings hatte ich bei den meisten Weinen nicht die Möglichkeit, alt und jung zu vergleichen, da es sich um Einzelflaschen handelte. Die beiden Ausnahmen sind zwei trockene Riesling-GGe, die ich vor vielen Jahren ganz jung, sozusagen en primeur, im auf die Lese folgenden September im Glas hatte und dann noch mal etwa ten years after. In beiden Fällen gibt es eine Steigerung von 94 bzw. 95 auf 97, was bei mir ein signifikanter Unterschied ist, denn erstens hat mein Bewertungsmaßstab sich über die Jahre nicht verschoben, und zweitens bin ich mit Top-Bewertungen sehr knauserig. Exemplarisch poste ich mal einen der beiden Weine:

Bild

Bei Weinen, die ich öfter im Glas habe, gelten für mich folgende Regeln:

Sehr gute trockene Rieslinge aus Deutschland und Österreichkönnen gerne 5, 10 oder 15 Jahre reifen. Das hängt aber auch vom Jahrgang ab. 2008 und 2010 reifen phantastisch, viele deutsche 2011er GG-Rieslinge dagegen hatten schon vor einigen Jahren karamellige Reifenoten. 2017 hat auch ein tolles Potenzial.

Moselspät- und -auslesen brauchen mindestens 10, eher 15 bis 20 Jahre, um ihren Höhepunkt zu erreichen. 25 bis 30 Jahre sind in der Regel auch kein Problem, wenn der Korken hält.

Gute deutsche Spätburgunder reifen wunderbar über 10 oder 15 Jahre und manchmal auch länger. Ahrweine der mittleren Preisklasse um 20€ sind nach 5 bis 6 Jahren topp; einige bauen dann langsam ab.

Rotweine aus dem Burgund können in ihrer Jugend harsch und abweisend sein. Meine Erfahrungen hinsichtlich der Effekte langer Lagerung sind allerdings zu begrenzt und anekdotisch, als das ich mich zu diesem Thema aus dem Fenster lehnen würde. Ähnliches gilt für Chardonnay aus dem Burgund und roten Bordeaux, ganz zu schweigen von der Rhone.

Griechische Weißweine reifen oft überraschend gut. Die besten Assyrtika von Santorini erreichen erst nach fünf oder sechs Jahren ihren Höhepunkt, und auch bei Weinen vom Festland kann man tolle Überraschungen erleben. In der gehobenen Gastronomie in Griechenland werden diese Weine viel zu jung angeboten. Wo wir gerade bei Griechenland sind: Xinomavro aus Naoussa oder Amyndeo kann in der Jugend extrem abweisend sein und braucht meistens 5 bis 8 Jahre, gelegentlich auch mehr, um sich zu runden. Das Gleiche gilt für Nebbiolo, der in seiner Charakteristik und Tanninstruktur dem Xinomavro sehr ähnlich ist. Barolo, Barbaresco und auch viele Weine aus dem Valtellina brauchen deutlich mehr als 10 Jahre, bis sie sich in ihrer ganzen Schönheit zu präsentieren können.

Ach und dann Champagner: Ich trinke aktuell mit großem Vergnügen Blancs de Blancs der Jahre 2008 und 2010. Frisch degorgierter Champagner, auch NV, ist oft nicht ganz harmonisch, wirkt unbalanciert und unruhig, und profitiert dann von ein paar Jahren Lagerung im Keller.

Alles was ich geschrieben habe, ist natürlich subjektiv und beansprucht keine Allgemeingültigkeit. Oder wie man in Köln sagt: Jeder Jeck ist anders.

Herzliche Grüße

Michael
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EThC

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 11:37

mixalhs hat geschrieben:Jeder Jeck ist anders.
...auch wenn das so ist, gibt's aus meiner Sicht an Deinem ausführlichen Statement nix zu kritteln.

Ich kann allenfalls feststellen, daß meine geschmacklichen Präferenzen teils ein bißchen anders sind und sich damit auch die Bepunktelungsverteilung relativ zum Alter anders darstellt. Meine 24- und 25-Punkte-Weine (das dürfte so in etwa die Range 96 bis 100 Punkte sein) waren alle so halb- bis mittelalt, ältere Rieslinge, die bei anderen Jubelstürme auslösen, sind bei mir häufig schon jenseits der Begeisterungsgrenze. Auch beim Champagner fühle ich mich sehr regelmäßig bei jüngeren, frecheren Sachen wohler als bei denen, deren Dégorgement schon länger als 4 Jahre zurückliegt.

Da ich generell nicht so der Altweintrinker bin, laufe ich den Sachen auch nicht hinterher, sicher auch deshalb kann ich nicht mit solchen Highlights glänzen, wie Du sie angeführt hast. Wenn ich sowas dennoch mal in meinem Glas vorfinden sollte, dann hoffentlich blind und unverhofft, um wirklich jeden Alters- und / oder Ehrfurchtsbonus meinerseits ausschließen zu können...
Viele Grüße
Erich

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Udo2009

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 14:23

Ich trinke gern gereifte(re) Weine.
Mein Highlight ist momentan ein 2021er Cabernet Sauvignon von Simon-Bürkle, Hessische Bergstraße. Der ist nach 22 Jahren immer noch top.
Ich weiß jetzt allerdings nicht, wie er schmeckte, als er 2, 4, 6, 10 oder x Jahre alt war. Für mich zählt, dass er JETZT schmeckt und top dabei ist.

Auch Weißweine trinke ich gern etwas älter (habe aber auch nichts gegen frische Weine), wobei ich da meist bei 5 bis 7 Jahren bin. Von gelegentlichen "Ausreißern" mal abgesehen... Aber auch da kann ich mangels regelmäßiger Proben nichts über die geschmackliche Entwicklung sagen...
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EThC

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 15:06

Udo2009 hat geschrieben:Mein Highlight ist momentan ein 2021er Cabernet Sauvignon von Simon-Bürkle, Hessische Bergstraße. Der ist nach 22 Jahren immer noch top.
...d.h., Du schreibst gerade aus einem Paralleluniversum, in dem man bereits das Jahr 2043 schreibt? :o
Viele Grüße
Erich

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Rieslingfan

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 15:22

Ich halte dieses Thema für sehr interessant, obwohl ich diesbezüglich (bisher) keine nennenswerte Erfahrung habe. So habe ich noch keinen Wein getrunken der älter als ca. 5 oder 6 Jahre gewesen ist.

Es ist so, dass ich mir von den potenziell zur Reife geeigneten GG, etc. (Riesling) aufgrund der hohen Kosten nur sehr wenige Flaschen kaufe und lagere. Da mir diese Weine jedoch bereits in ihrer jugendlichen Form (ca. 2-6 Jahre) ausgezeichnet geschmeckt haben, fällt es mir schwer sie langfristig zu lagern.

Ohne eine ggf. in regelmäßigen Abständen mögliche Verkostung weiß man ja auch nicht, ob sich ein Wein tatsächlich noch positiv weiterentwickelt, was ja letztendlich auch eine Frage des persönlichen Geschmacks ist.

Ideal ist es natürlich wenn man größere Mengen solcher Weine einlagert und diese dann über Jahre hinweg in gewissen Abständen verkosten kann.
Gruß Markus
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Udo2009

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 16:36

EThC hat geschrieben:
Udo2009 hat geschrieben:Mein Highlight ist momentan ein 2021er Cabernet Sauvignon von Simon-Bürkle, Hessische Bergstraße. Der ist nach 22 Jahren immer noch top.
...d.h., Du schreibst gerade aus einem Paralleluniversum, in dem man bereits das Jahr 2043 schreibt? :o


:oops: Mist, Doppelmist, Tippfehler.... ist Jahrgang 2001
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Weinschlürfer

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 16:57

Ich trinke sehr hochwertige trockene Rieslinge gerne bei ca 5 bis 8 Jahren Alter.

Bei Jahrgängen wie 2010 und 2013 gern auch nach 10+ Jahren.

Das ist so grundsätzlich einfach meine Erfahrung.

Und viele Weine werden auch nicht unbedingt noch besser nach den obig genannten Jahren.
Manche schon. Aber lange nicht alle.
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