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Weinvokabeln

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Wein

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Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 07:25

Liebes Weinforum,

häufig lese ich in Weinbeschreibungen das Wort "präzise". Was genau ist damit gemeint?

"Ein präziser, unglaublich vielschichtiger Wein mit enormem Reifepotenzial." oder "Der Trend der Stilistik geht eindeutig zu präzisen Weinen"

Wird hier auf die hohe Säure angespielt? Oder sind es Aromen, die noch nicht optimal mit anderen verwoben sind und daher präzise erscheinen?

Beste Grüße
G
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EThC

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 08:32

Hallo G!

Erst mal willkommen im Forum! Besteht die Chance, hier kontinuierlich was von Dir zu hören bzw. zu lesen? ;)

Aber zum "präzise": m.E. nach ist auch dieses Attribut geeignet, ganz entgegen seinem eigentlichen Wortsinn recht schwammig verwendet zu werden; ich unterstelle auch, daß das eines von vielen Wörtern ist, die von den professionellen Weinlyrikern gerne mehr oder weniger wahllos in die Texte gestreut werden, weil sie insgesamt ein positives Bild des zu verkaufenden Objekts vermitteln sollen. Die beiden Zitate, die Du da angeführt hast, sagen demnach auch alles oder nichts, zumindest ich kann damit schier gar nichts anfangen, jedenfalls nicht ohne weiterführende Informationen.

Ich selbst verwende das Wort eigentlich kaum bis gar nicht in meinen Beschreibungen. Ich assoziiere damit für mich recht eindeutig zuordenbare Aromen, z.B. wenn ich bei einem Wein nicht nur einen generellen Geschmack von Steinobst erkenne, sondern recht klar nach Sorten differenzieren kann. Da spielen natürlich Art und Menge der Säure mit eine Rolle, aber ich würde jetzt nicht davon ausgehen, daß ein "präziser" Wein automatisch erhöhte Säurewerte aufweist.
Viele Grüße
Erich

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olifant

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 08:45

EThC hat geschrieben:...
Ich selbst verwende das Wort eigentlich kaum bis gar nicht in meinen Beschreibungen. Ich assoziiere damit für mich recht eindeutig zuordenbare Aromen, z.B. wenn ich bei einem Wein nicht nur einen generellen Geschmack von Steinobst erkenne, sondern recht klar nach Sorten differenzieren kann. ....


Na, aber Erich, bei den von dir doch eher preferierten Naturweinen dürfte sich in einer Weinbeschreibung das Adjektiv "präzise" in den aller-aller-allermeisten Fällen per se erübrigen.

Mit "präzise" verbinde ich bspw. klar strukturierte und aromatisch eher eindeutig "zu lesende" Weine.
Für mich wäre dies eher auf Weissweine assoziert. In "Rot" würde mir ein "präzise" wohl kaum in den Sinn kommen.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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mixalhs

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 08:58

Einen wunderschönen Beitrag zum Thema "Weinsprech" gab es vor ein paar Jahren bei Felix Bodmann aka Schnutentunker:

https://www.schnutentunker.de/wein-social-media-bullshit-bingo/

Den Begriff der Präzision eines Weins steigert der echte Kenner noch durch Hinzufügen des Epithetons "laserstrahlartig". Begriffe wie "Gebirgsbach" oder "pures Gletscherwasser" als ergänzende Metaphern sowie "Steinelutscher, keine Fruchttrinker" zur Charakterisierung der Zielgruppe sind auch sehr beliebt.
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amateur des vins

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 10:31

mixalhs hat geschrieben:Einen wunderschönen Beitrag zum Thema "Weinsprech" gab es vor ein paar Jahren bei Felix Bodmann aka Schnutentunker:

https://www.schnutentunker.de/wein-social-media-bullshit-bingo/
Felix ist natürlich sehr eloquent. Daß er beim Bullshit-Bingo selber mitspielt, gibt er allerdings zu. Daß ich ihm für diese sehr sympathische Selbstironie kein "Thumbs up" gebe, liegt einzig an der leider äußerst beschränkten Emoji-Auswahl dieses Forums.
mixalhs hat geschrieben:Den Begriff der Präzision eines Weins steigert der echte Kenner noch durch Hinzufügen des Epithetons "laserstrahlartig". Begriffe wie "Gebirgsbach" oder "pures Gletscherwasser" als ergänzende Metaphern sowie "Steinelutscher, keine Fruchttrinker" zur Charakterisierung der Zielgruppe sind auch sehr beliebt.
Kann ich selber mit "präzise" auch nicht so viel anfangen (der Begriff mag mir aber vereinzelt durchgerutscht sein; man paßt sich ja an), so halte ich Deine Beispiele für ungeeignet, über Bullshit-Bingo zu polemisieren, denn sie transportieren tatsächlich Information (auf Wunsch führe ich aus, was ich damit meine). Oder was ist daran schlechter, als von Pfirsich oder Lakritze zu fabulieren, wenn doch glockenklar (sic!) ist, daß beides definitiv nicht im Wein ist?

Wie schreibt Felix in zitierter Glosse:
Schnutentunker hat geschrieben:Der Vorteil an brandneuen Worten ist der Interpretationsspielraum, den sie lassen. Also macht der Autor nie was falsch, der Leser interpretiert nur nicht richtig.
...und ich möchte ergänzen, daß das nicht nur für brandneue Wörter gilt, sondern jeder Sprache immanent und so omnipräsent ist, daß daraus Spiele gemacht wurden. Oder anders gesagt: Geeksprache ist nicht per se Bullshit; es kommt nur auf kompatibles Verständnis an. Je schwammiger der Begriff ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß Verständnis angenommen wird, wo Unverständnis herrscht. Spezielle Begriffe hingegen mögen nicht jedem gleichermaßen in den Sinn kommen, sind einer präzisen (sic!) Definition und Verwendung jedoch eher zugänglich.

Viel mehr als mit Deinen Begriffen, die ich alle zufriedenstellend (wenn auch nicht zwangsläufig zutreffend) interpretieren kann, habe ich Probleme mit Begriffen wie "Spiel", das mir trotz mehrfacher Nachfrage bis heute nicht zufriedenstellend erklärt werden konnte - oder eben auch "präzise", und zwar aufgrund ihrer Nebulösität.
Besten Gruß, Karsten
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EThC

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 15:55

olifant hat geschrieben:Na, aber Erich, bei den von dir doch eher preferierten Naturweinen dürfte sich in einer Weinbeschreibung das Adjektiv "präzise" in den aller-aller-allermeisten Fällen per se erübrigen.
...bei der Mehrheit des Naturzeugs trifft das sicher zu, aber so klein ist die präzise Minderheit nicht...
Viele Grüße
Erich

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vonKorf

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 16:24

Dann gibt es noch den „Geradeauslauf“.
Hier eine kleine Sammlung (alles vom gleichen Autor)

…schön trocken und saftig im Mund, dabei mit strammem Geradeauslauf…

…mit sehr feiner, nie penetranter Frucht, viel salziger Mineralität und sehr reifer Säurespur im Geradeauslauf…

…sehr fokussiert, toller Geradeauslauf und grandiose Struktur bei immenser Länge…

…Toller Geradeauslauf, schlank und saftig…

…toller Geradeauslauf, weniger komplex und elegant, dennoch vollmundig und charmant….

…Auch im Mund dieser schnörkellose Geradeauslauf, satt und doch nicht fett, sehr versammelt, extrem eindrucksvoll…

…Das ist schon ein extrem hoher Geradeauslauf im Mund…

…wir haben den kargeren Geradeauslauf des Chardonnay und auch ein wenig die feine Verspieltheit des Weißburgunders…

…extrem geradeaus mit schwarzer Kirsche…

Und zum Schluss (knapp und präzise :) ):

Totaler Geradeauslauf!

Gruß
Wolfgang
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Kle

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 16:44

EThC hat geschrieben:
olifant hat geschrieben:Na, aber Erich, bei den von dir doch eher preferierten Naturweinen dürfte sich in einer Weinbeschreibung das Adjektiv "präzise" in den aller-aller-allermeisten Fällen per se erübrigen.
...bei der Mehrheit des Naturzeugs trifft das sicher zu, aber so klein ist die präzise Minderheit nicht...

bis jetzt war mir das Wort suspekt. Aber dieser Diskurs zeigt seine Berechtigung. Ergo: Es gibt keine Worte, nur Zusammenhänge.
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
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EThC

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 18:08

Kle hat geschrieben:Ergo: Es gibt keine Worte, nur Zusammenhänge.
...das sagst Du armer Tor einfach so und stellst Dich damit gegen die überragende Mehrheit der Weltbevölkerung! :lol:
vonKorf hat geschrieben:Geradeauslauf
...das ist nun bei mir eindeutig negativ belegt, da erwarte ich geballte Langeweile... :roll:
Viele Grüße
Erich

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Wein

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Re: Weinvokabeln

BeitragFr 16. Sep 2022, 22:48

Liebes Weinforum,

Vielen Dank für die Diskussion.

Verstanden habe ich zum einen, dass es sich um eine Worthülse handelt. Für Zwecke des Bullshit-Bingos.
Ansonsten kann es Weine beschreiben, die eindeutig zuordenbare Aromen aufweisen, im Sinne von „kleinster gemeinsamer Nenner“ an Aroma. Heißt aromatisch eindeutig "zu lesen" sind und jeder, der den Wein probiert wird an z.B. Granny Smith Apfel denken. Keine Zweideutigkeit.


Was mir ebenfalls schwer zu verstehen fällt ist die nächste Weinvokabel, nämlich „klar strukturierte“ Weine? Jeder Wein hat doch eine gewisse Struktur aus Gerbstoff, Säure und Süße. Mal mehr, mal weniger. Wie kann diese klar sein?

Lieben Gruß
G
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