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Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Wein-Nonsens im Netz

Sa 27. Aug 2022, 19:20

In diesem Thread können Weininfos aus dem Netz gesammelt und kommentiert werden, die so fragwürdig sind, dass ihnen wiederum Unterhaltungswert zukommt.

Von der selbsternannten "ersten Anlaufstelle für deutsche Weine" wirwinzer.de (https://wirwinzer.de/weine/jahrgaenge):

Jahrgangsweine sind in den Augen der meisten Menschen vor allem eines: fantastische Geschenke. Wählen Sie einfach das Jahr des Geburtstages, Jubiläums oder Hochzeitstages aus und verschenken Sie Ihr Präsent an einen Weinliebhaber. Doch der Jahrgangswein zeichnet sich auch durch eine besondere Qualität aus.


Achso, also nichts zum selbst trinken. Sind aber nicht so ziemlich alle seriösen Stillweine Jahrgangsweine? Und ist das allein bereits ein Garant für "besondere Qualität"?

Vorsicht beim Kauf von Jahrgangsweinen

Wer Jahrgangsweine kaufen möchte, sollte sich umfassend hinsichtlich der Weinreife und Lagerfähigkeit beraten lassen. Vor allem, wenn der Jahrgang älter als zwanzig Jahre ist: Nicht jeder Wein besitzt Alterungspotential und die passende Weinreife. Sehr gut geeignet sind Weine aus Bordeaux oder Burgund oder italienische Barbarescos und Brunellos.


Warum werden hier Barbarescos erwähnt, Barolos aber nicht?

In Deutschland eignen sich Weine aus den Anbaugebieten Rheingau und Mosel als Jahrgangsweine.


Was soll diese schon wieder willkürliche Auswahl, warum das Rheingau mehr als Rheinhessen oder die Pfalz?

Doch Vorsicht: Die wohl einzige, wirklich alterungsfähige Rebsorte in Deutschland ist Riesling aus edelsüßem Ausbau. Hier sollte bei frühen Jahrgängen auf die Qualitätskategorien Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese zurückgegriffen werden, denn sie besitzen ein höheres Alterungspotential als Kabinett und Spätlese.


Also Weine aus dem Burgund (vermutlich Pinot Noirs gemeint) sind alterungsfähig, Pinot Noir aus Deutschland jedoch nicht? Trockene Riesling auch nicht "wirklich"? Und Spätlesen sind Kurzstreckenläufer?

Da fragt man sich, wer solchen Schmarrn schreibt. :lol:

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 09:35

Weiter geht’s mit Focus online (https://amp.focus.de/gesundheit/ernaehr ... 25093.html). Nach diesen Angaben sind wohl viele euer Weine längst hinüber:

Wie lange ist Wein lagerfähig?

Leider wird auf Weinflaschen kein Mindesthaltbarkeitsdatum aufgedruckt, das dem Verbraucher einen Anhaltspunkt liefern würde, wie lange er mit dem Öffnen der Flasche warten kann. Im Folgenden sind einige Richtwerte aufgeführt:
Qualitätswein sollten Sie möglichst nicht lange lagern, sondern spätestens nach ein bis drei Jahren konsumieren. Ist der Wein sehr säurebetont, kann sich seine Lagerfähigkeit auf sechs Jahre erhöhen.
Kabinettwein hält sich nur ein bis zwei Jahre und als sortenreiner Riesling bis zu vier Jahre.
Spätlesen sind drei bis fünf Jahre lagerfähig und Auslesen vier bis sechs Jahre. Beerenauslesen können sogar bis zu zehn Jahre aufbewahrt werden.


Also aufgepasst! Kabinette Jahrgang 2019 oder früher am besten nicht mehr trinken, es sei denn, es handelt sich zufällig um Riesling; alle Auslesen Jahrgang 2016 oder früher am besten gleich entsorgen. Mist, dabei wollte ich doch heute eine Fritz Haag-Auslese 2012 zum Käse reichen… :cry:

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 10:40

...und als wäre der Tenor nicht schon unsinnig genug, reden sie nebenbei dem MHD das Wort - obwohl derzeit in den Medien endlich einmal (vorsichtig) problematisiert wird, zu wieviel Lebensmittelverschwendung es letztlich führt.

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 10:56

Na ja, um Lagerfeld etwas abgewandelt zu zitieren: wer den Focus ernstnimmt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. ;) Heute gerade tolle Tipps zu lesen, wo man den Wohnungsschlüssel am besten versteckt, so dass ihn garantiert kein Einbrecher findet. Als ob Einbrecher nicht auch Internet hätten :lol:

Nur sind die hier genannten Beispiele ja nur der Gipfel des Eisbergs. Von weniger plaktivem Nonsens lebt ja eine ganze Industrie, beispielsweise die Hersteller von Weinkühlschränken.

Grüße
Gerald

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 11:34

An dieser Stelle noch ein Zitat aus dem oben verlinkten Artikel aus Focus online

Wie lange sind Weine haltbar? Nicht jeder Wein hat das Zeug dazu, im Alter an Wert zu gewinnen. Im Gegenteil: Die meisten Weine werden so hergestellt, dass sie sofort – und das bedeutet jung – getrunken werden müssen.

Dies wird für viele Weine vom Discounter im Preissegment von ca. 2,99 €/Flasche auch durchaus zutreffen.

Vermutlich geht es daher in dem Artikel auch in erster Linie um Weine im untersten Preissegment.

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 14:53

In wein.plus wird die voraussichtliche Haltbarkeit von Wein kompetent erklärt, siehe https://magazin.wein.plus/faq/weinlager ... in-haltbar

Doch auch dort steht:
Mindestens 80 Prozent aller auf der Welt erzeugten Weine sind zum Genuss innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre nach der Ernte bestimmt.

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 18:15

Rieslingfan hat geschrieben:In wein.plus wird die voraussichtliche Haltbarkeit von Wein kompetent erklärt, siehe https://magazin.wein.plus/faq/weinlager ... in-haltbar

Doch auch dort steht:
Mindestens 80 Prozent aller auf der Welt erzeugten Weine sind zum Genuss innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre nach der Ernte bestimmt.


Ich denke, dass der Wein der von den Forumsteilnehmer getrunken wird nur die Spitze des Eisberges ist. Der Prozentsatz der Weine, die im 1. oder 2. Jahr getrunken werden sollten und von Lagerung nicht profitieren, ist bestimmt höher als 80 %.

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 28. Aug 2022, 20:19

...gemäß DWI stammen 71 % der in D verkauften Weine aus Discountern, LEH und Getränkemärkten (nicht Weinfachhandel), wenn man dann noch die einfachen Qualitäten der ab-Hof-Verkäufe dazu nimmt, kommt man wohl in den Bereich der oben erwähnten 80 %, bei denen man keine allzu großen Erwartungen an die Lagerfähigkeit haben sollte...

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 18. Sep 2022, 07:54

Aus einem Sportforum, in dem ein Weinliebhaber einen Faden über Wein eröffnet hat:
Und wer Wein schätzt weiss auch das der Rioja Gran Reserva (der mit dem Netz) von Aldi kein Geheimtipp mehr ist, sondern ein mittlerer Wein für einen unschlagbaren Preis. Großflächiger Anbau, maschinelle Ernte, Grossmengenabnahme einer Kooperative die alles auf Effizienz getrimmt hat senken den Preis, aber nicht die Qualität.

Kann mir da jemand Argumentationshilfe geben? Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. Schon die Definition der Gran Reserva kann ich nicht mit den Aldi-Preisen von teilweise unter 5 € in Einklang bringen.

Gruß
Oswald

Re: Wein-Nonsens im Netz

So 18. Sep 2022, 09:31

OsCor hat geschrieben:Kann mir da jemand Argumentationshilfe geben?
...ich entgegne da meist sinngemäß, daß es sich hier um zwei komplett unterschiedliche Weinwelten handelt, es gibt die Leute, die halt gerne "ein lecker Weinchen" trinken, die aber im Gegensatz zu uns Nerds nicht ständig auf der Suche nach neuen Geschmacksabenteuern sind und nicht selten immer und immer wieder nur einen ganz bestimmten Lieblingswein bei ihrem Discounter kaufen. Das sind dann halt Crowdpleaser, die eine große Menge an weit vom Freaktum entfernten Menschen ansprechen und möglichst niemanden verschrecken sollen, deshalb kommen diese Sachen ganz bewußt mit einem uniformen Einheitsgeschmack daher. Spannung in irgendeiner Art wird unsereins da nie finden. In den letzten 20 Jahren gab's nur einen einzigen Discounterwein, den ich damals nachkaufwürdig empfand, war ein Loire-SB vom Lidl, aber da diese Sachen ziemliche Schwankungen in der Nerd-Qualität aufweisen können, hab ich auch das damals nicht gemacht. Wenn man Spannung und Leidenschaft im Wein sucht, muß man um die Discounter-Weine einen großen Bogen machen, wenn man den Wein von der persönlichen Wertschätzung her eher auf einer Ebene mit Milch und Butter sieht, haben die Sachen absolut ihre Berechtigung...
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